Année politique Suisse 1995 : Politique sociale / Assurances sociales
 
Erwerbsersatzordnung (EO)
Der Entwurf für die 6. Revision des Bundesgesetzes über die Erwerbsersatzordnung (EO) wurde Ende Mai in die Vernehmlassung gegeben. Für Erwerbstätige möchte der Bundesrat einen einheitlichen Ansatz von 60% des vor der Dienstleistung erzielten Einkommens festschreiben. Rekruten sowie Armee- und Zivilschutzangehörige sollen künftig höhere Leistungen erhalten. Laut Vorschlag des Bundesrates würde die Tagesentschädigung der Rekruten (inklusive Langzeitentschädigung) auf 52 Fr. angehoben. Die Grundentschädigung soll im übrigen neu zivilstandsunabhängig ausgerichtet werden. Wer im Militär "weitermacht" wird nach den Vorschlägen des Bundesrates zwischen 82 und 155 Fr. erhalten. Dienstleistenden mit Kinderbetreuungspflichten sollen neben der Kinder- eine Erziehungszulage von 56 Fr. ausgerichtet werden. Die gesamten Mehrkosten der EO-Revision dürften sich auf jährlich knapp 140 Mio Fr. belaufen, wobei allein die Verbesserung der Kinder- und der Erziehungszulage über 60 Mio Fr. kosten würden. Die höheren Ansätze für die Rekruten und die Absolventen von Unteroffiziers- und Offiziersschulen wurden auf 42 Mio Fr. veranschlagt. Trotz der Mehrkosten müsste der vom Parlament erst im Vorjahr gesenkte EO-Beitragssatz nicht erhöht werden [54].
Die Pläne des Bundesrates lösten in der Vernehmlassung ein positives Echo aus. Die vier Bundesratsparteien waren sich darüber einig, dass diese Revision den geänderten gesellschaftlichen Lebensbedingungen und dem Gleichstellungsgrundsatz Rechnung trage und damit den richtigen Weg beschreite. Dieser Ansicht war auch eine Mehrheit der Kantone sowie der Gewerkschaftsbund und der Gewerbeverband. Am meisten Kritik erntete die Höhe der Leistungen. Den einheitlichen Ansatz von 60% des vor der Dienstleistung erzielten Einkommens hielt die SVP für ungenügend, weshalb sie verlangte, dieser sei auf ein mit den anderen Sozialversicherungen vergleichbares Niveau (von ca. 80%) zu erhöhen. Diese Forderung erhob auch der Gewerbeverband, während die SP und der SGB mit 70% zufrieden wären [55].
Diskussionslos gab der Nationalrat einer parlamentarische Initiative Allenspach (fdp, ZH) Folge, welche verlangt dass das Bundesgesetz über die EO dahingehend geändert wird, dass die Entschädigungen an jeden Dienstleistenden mindestens jenem Betrag entsprechen, den er im Falle von Arbeitslosigkeit erhielte. Kommission und Plenum anerkannten zwar, dass die Arbeiten der Verwaltung zur 6. EO-Revision bereits weit fortgeschritten sind und in die von Allenspach anvisierte Richtung deuten, wollte sich aber mit der Annahme der parlamentarischen Initiative die Möglichkeit offenhalten, bei allfälligen Verzögerungen selber legislatorisch tätig werden zu können [56].
 
[54] Presse vom 27.5.95. Vgl. SPJ 1994, S. 230.54
[55] Presse vom 17.10.95.55
[56] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1570 f.56