Année politique Suisse 1995 : Enseignement, culture et médias / Médias / Radio und Fernsehen
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SRG
Die SRG strebt nach einer aktiveren Rolle im Schweizer Medienmarkt. In ihrem neuen Leitbild versteht sie sich zwar weiterhin als "service public", postuliert aber den Markterfolg als Programmauftrag. Zielgruppenspezifische Komplementärprogramme wie werbefinanzierte Spartenradios und gewinnorientierte Pay-TV-Programme sollen gefördert werden. Um in der rasanten technologischen Entwicklung der elektronischen Medien den Anschluss nicht zu verpassen, forderte die SRG ausserdem eine Selbstbestimmung über ihre Verbreitungswege. Im TV-Bereich strebt sie die Satellitenausstrahlung ihrer Programme an [23].
Der DRS-Publikumsrat nahm in einem Positionspapier Stellung zur "Kulturdebatte" rund um die SRG, die im Vorjahr auch den Ständerat beschäftigt hatte. Der Publikumsrat attestierte Radio und Fernsehen DRS, dass sie ihrem kulturellen Auftrag in hohem Masse gerecht werden. Nach Ansicht des Gremiums setzt die SRG den Kulturauftrag publikumsorientiert um und versucht, einem breiten Publikum den Zugang zur Kultur zu öffnen. Eine andere Meinung vertrat die Urheberrechtsgemeinschaft "Suisseculture": Die SRG nehme ihren kulturellen Leistungsauftrag nur ungenügend wahr und ordne die Kulturvermittlung betriebswirtschaftlichen und werbestrategischen Überlegungen unter. "Suisseculture" forderte eine Programmquote für schweizerische Kultur an Radio und Fernsehen und schlug vor, dass die SRG einen bestimmten Teil der Konzessionsgebühren nur mit der Auflage erhalte, diese Gelder zur Förderung des unabhängigen Kulturschaffens zu verwenden. Weiter forderte sie die Einsetzung unabhängiger Kulturbeiräte [24].
Der Bundesrat sprach sich gegen eine Motion Zisyadis (pda, VD) aus, die eine 40prozentige Mindestquote für regionale Musik am Schweizer Radio fordert. Das einheimische Musikschaffen solle vielmehr durch finanzielle Anreize im Rahmen des Gebührensplittings gefördert werden [25].
Die SRG-Radioprogramme haben 1995 Marktanteile verloren. Ihr Anteil sank von 55% auf 51%. Von den eingebüssten Prozenten gingen zwei an die Lokalradios (neu 37%) und zwei an die ausländischen Sender (neu 13%). Auch mit der Programmreform "Radio 95" gelang es demnach nicht, den Erosionsprozess der SRG-Programme zu stoppen. Die Kulturkette DRS 2, deren Budget im Rahmen der Reform stark gekürzt wurde, konnte ihre Hörerzahlen aber halten [26].
Der erfolglose vierte SRG-Kanal "S plus" wurde nach nur rund siebzehn Monaten am 1. März durch "Schweiz 4/Suisse 4/Svizzera 4" ersetzt. Der neue Sender ist als Komplementärangebot zu den drei sprachregionalen Kanälen konzipiert und hat ein Jahresbudget von rund 40 Mio Fr. zur Verfügung. Deutschschweizer und Westschweizer erhalten dank der Möglichkeit, das weitgehend über Kabel verbreitete Schweiz 4 sprachregional zu splitten, ein unterschiedliches Ergänzungsprogramm. Im Tessin übernimmt Svizzera 4 vorwiegend das Programm der deutschsprachigen Schweiz. Mit Schweiz 4 wurde die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Anbietern institutionalisiert: Während Schweiz 4 nur in wenigen Fällen selbst als Veranstalterin auftritt, bilden die Produktionen der privaten Anbieter, die als "Presse TV" zusammengeschlossen sind - ihr gehören Ringier, die NZZ und die deutsch-japanische DCTP an - einen Schwerpunkt. Mit einem Anteil von 20% trat im Berichtsjahr auch die Gruppe Basler Zeitung der "Presse TV" bei. In der Region Genf lancierten das Westschweizer Fernsehen TSR und der französische Sender France 3 auf Suisse 4 das in der Schweiz erste gemeinsame, grenzüberschreitende Regionalmagazin. Ab April 1996 will TSR auch ein Neuenburger Regionalprogramm ausstrahlen. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Sportübertragungen, die neu weitgehend auf Schweiz 4 ausgestrahlt werden. Damit ist das Ärgernis der zuvor oft unterbrochenen sprachregionalen Programme bereinigt worden; die Sportkette wurde abgeschafft. Ärgern mussten sich aber die rund 7% Schweizer Haushalte, die Schweiz 4 zu Sendebeginn nicht empfangen konnten. Im Kanton Jura zum Beispiel konnten nur gerade 30% der Haushalte den neuen Sender empfangen. Bundesrat Ogi verlangte für den neuen Fernsehkanal von der PTT bis Ende Jahr einen Versorgungsgrad von 99%, der auch erreicht wurde. In verschiedenen Gebieten wird Schweiz 4 nun allerdings auf der Frequenz von TSI oder TSR ausgestrahlt [27].
Nach zähem Feilschen hat der Bundesrat der Alphavision AG auf Schweiz 4 eine Konzession für ein religiöses Fernsehprogramm bis Ende 1997 erteilt. Die Alphavision steht den evangelikalen Freikirchen nahe, weshalb sich die Landeskirchen gegen eine Konzessionierung für das sonntägliche und halbstündige "Fenster vom Sonntag" stellten. Um den Einwänden Rechnung zu tragen, setzte der Bundesrat eine Expertengruppe ein, die das Programm kritisch beobachten wird [28].
Im Berichtsjahr musste das Schweizer Fernsehen DRS einen Marktanteilverlust sowohl im Ganztagesvergleich als auch in der Hauptsendezeit um je einen Prozentpunkt auf 29% resp. 37% hinnehmen. Die Verluste von SF DRS wurden aber auf dem Ergänzungskanal Schweiz 4 mehr als kompensiert: Schweiz 4 erzielte einen Marktanteil von 4%. Die Hälfte dieses Marktanteils entfällt auf die Übertragungen der Sportkette, ein weiteres Drittel geht auf Sendungen von SF DRS zurück. Nur rund 20% der Sendungen auf Schweiz 4 entfallen auf Eigenproduktionen und die Presse-TV [29].
Die Rechnung 1995 der SRG schloss mit einem Ertragsüberschuss von 49 Mio Fr. ab (1994: 29 Mio) [30].
Das BAKOM und die Kartellkommission überprüften die SRG-Aktivitäten im Printbereich. Anlass dazu war die Verbindung der Konsumentensendung "Kassensturz" und der Begleitzeitschrift "K-Tip". Während sich das BAKOM vor allem mit der Frage befasste, inwiefern sich die SRG in Hinsicht auf das 1992 in Kraft getretenen Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) auch im Printgeschäft engagieren darf, untersuchte die Kartellkommission den Vorwurf der Quersubventionierung des "K-Tip" durch Gebührengelder. Das BAKOM nahm noch im Berichtsjahr Stellung. Danach stellt die Zusammenarbeit des "Kassensturz" und des "K-Tip" keine Verletzung des RTVG dar. Die Leistungen der SRG für den "K-Tip" würden finanziell voll abgegolten [31].
Die SRG hat die Mehrheit der Schweizerischen Teletext AG übernommen und ist nun mit 75% (vorher 50%) beteiligt. Ausserdem hat sie einen Kooperationsvertrag mit dem deutsch-französischen Kultur-TV-Kanal "Arte" unterzeichnet, mit welchem die bisherige Zusammenarbeit verstärkt werden soll. Die SRG hat sich verpflichtet, sich vorerst für ein Jahr mit mindestens einer Million Franken an Koproduktionen des Kulturkanals zu beteiligen [32].
 
[23] TA, 1.6.95; Presse vom 29.6.95.23
[24] Presserat: NZZ, 2.2.95;. Siehe auch NZZ, 8.3. und 15.3.95. Suisseculture: BaZ, 15.11.95; NZZ, 17.11.95. Vgl. SPJ 1994, S. 277.24
[25] Verhandl. B.vers., 1995, I/II, S. 150; NZZ, 28.2.95. Auch StR A. Iten (fdp, ZG) reichte Ende Jahr eine Motion ein, welche die besondere Berücksichtigung des schweizerischen Musikschaffens gesetzlich verankern will, jedoch ohne Angabe einer Quote (Verhandl. B.vers., 1995, V, Teil II, S. 104).25
[26] Presse vom 17.4.96. Zur Programmreform siehe SPJ 1994, S. 277.26
[27] Presse vom 25.1. und 1.3.95; Ww, 2.3.95; NZZ, 25.3., 23.8. und 8.12.95; TA, 5.4.95; Presse vom 22.4.95; CdT, 7.7.95.27
[28] TA, 11.5.95; BaZ und NZZ, 16.9.95.28
[29] Presse vom 16.1.96.29
[30] Presse vom 2.3.96.30
[31] BaZ, 18.5.95; Bund, 30.9.95; Ww, 26.10.95.31
[32] Teletext: NZZ, 26.4.95. Arte: BaZ, 7.7.95.32