Année politique Suisse 1995 : Enseignement, culture et médias / Médias / Radio und Fernsehen
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Regionalfernsehen
In der Deutschschweiz kam es im Bereich Regionalfernsehen zu einem eigentlichen Medienfrühling. Am 6. Januar ging mit dem Aargauer "Tele M1" das zweite Schweizer Regionalfernsehen auf Sendung. Bereits letztes Jahr war "TeleZüri" gestartet. Tele M1 ist der professionelle Nachfolger des Badener Lokalsenders "Rüsler TV" und erreicht rund 270 000 Haushalte. Hauptbeteiligte am Sender ist die Badener Tagblatt Wanner AG [33].
Auf Sendung ging am 1. März auch das Regionalfernsehen "TeleBärn", das in den Kantonen Bern und Solothurn sowie dem deutschen Teil des Kantons Freiburg von rund 400 000 Haushalten empfangen werden kann. Die Konzession schreibt vor, dass der Sender innerhalb eines Jahres für den zweisprachigen Raum Biel ein Programmfenster in französischer Sprache öffnen muss. "TeleBärn"-Initiantin ist die "Berner Zeitung", Hauptaktionäre sind die Berner Tagblatt Medien, die Verlegerin der "Solothurner Zeitung", Vogt-Schild, und die Rediffusion. Für die Werbeakquisition haben sich TeleBärn, TeleZüri und Tele M1 zum Telepool zusammengeschlossen, der rund 1,2 Millionen Haushalte abdeckt [34].
Im Sendegebiet Zürich erhielt das erste Schweizer Regionalfernsehen "TeleZüri" im April Konkurrenz von "Züri 1", das bisher als "Forum Züri" bestand. "TeleZüri"-Direktor Roger Schawinski hatte zuvor vergeblich versucht, mit Auflageforderungen den Sendebeginn von "Züri 1" zu verzögern. Insgesamt 13 Magazine wie Eden-TV oder Taxi-TV, die von unabhängigen Firmen produziert werden, sind unter dem Züri 1-Dach zusammengefasst. Züri 1 setzte im ersten halben Jahr ganz auf Unterhaltung und baute erst im Herbst auch einen Nachrichtenblock ein; Besitzer sind Rediffusion, "ZüriWoche" und Radio Z [35].
Der Zentralschweizer Lokalfernsehkanal Regio Text benannte sich in "TeleTell" um. Expansionsversuche über die bisher erreichten rund 140 000 Haushalte hinaus stiessen unter anderem beim Nachbarsender Tele M1 auf Widerstand. Der Basler "Stadtkanal" erhielt eine auf zehn Jahre befristete Konzession. Das auf die Nordwestschweiz erweiterte Sendegebiet wird rund 220 000 Haushalte erreichen. In Genf wurde die TV Léman SA gegründet, die mit TV Léman im Sommer 1996 auf Sendung gehen will [36].
Um im hartumkämpften Markt besser bestehen zu können, forderten die sechs TV-Veranstalter TeleZüri, TeleBärn, Tele M1, TeleTell, Hasli-TV und Stadtkanal Basel vom Bundesrat bessere Rahmenbedingungen und "gleich lange Spiesse wie die SRG". Insbesondere sollen gemäss den Regional-Veranstaltern die technischen Verbreitungskosten wie für die SRG-Programme über Gebühren abgegolten werden. Weiter verlangten sie die Lockerung von Werberichtlinien und die Aufhebung des Verbots von Alkohol- und Tabakwerbung sowie von politischer Werbung. Gleichzeitig wandten sich die Regionalfernsehen gegen neue Konkurrenz: So sollen Werbefenster ausländischer TV-Sender und regionale Werbefenster der SRG verboten werden. Der Einfluss der Kabelnetzbetreiber soll beschnitten werden, indem kabelgebundene und terrestrisch verbreitete Programme gleich behandelt werden [37].
Auch eine von 41 Ratsmitgliedern unterschriebene Interpellation Reimann (svp, AG) zur Förderung der privaten Regionalfernsehprogramme nahm die Forderung der Chancengleichheit mit der SRG auf. Ausserdem verlangte der Interpellant ein verbessertes Gebührensplitting zugunsten privater TV-Betreiber, die einen "service public" anbieten. In seiner Antwort schrieb der Bundesrat, dass das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) die Unterstützung von Lokal- und Regionalfernsehprogrammen zwar nicht ausschliesse, dass der Bund aber sehr zurückhaltend sein werde. Bei einem geplanten neuen Verteilungsmodus des Gebührensplittings stünden die Lokalradios im Vordergrund, nicht die regionalen TV-Sender, da das Gebührensplitting für Lokalradios in wirtschaftlich benachteiligten Gebieten geschaffen worden sei [38].
Ein Versuch von Tele M1, politische Diskussionen vor den Nationalratswahlen von Parteien sponsern zu lassen, schlug fehl. Das BAKOM verbot dem Sender das Politsponsoring, da es gegen das RTVG verstosse [39].
Verschiedene Schweizer Regionalfernsehen gründeten den Dachverband "Telesuisse". Dieser soll sich künftig für die medienpolitische, rechtliche und wirtschaftliche Stärkung des Regionalfernsehens einsetzen und "zweite Kraft" neben der SRG werden [40].
 
[33] AT, 5.1.95; LNN, 6.1.95. Zum Medienfrühling siehe "Helvetisches Patchwork. Lokalfernsehsender - arm aber zahlreich", in NZZ, 31.3.95 sowie "Ein neues Medium profiliert sich", in Bund, 18.5.95.33
[34] BZ, 2.3. und 9.6.95. Telepool: NZZ, 28.2.95. Vgl. SPJ 1994, S. 279 f.34
[35] TA, 9.2. und 29.3.95; BaZ, 3.4.95. Im Januar 1996 musste "Züri1" den Betrieb aus finanziellen Gründen einstellen (Presse vom 31.1.96).35
[36] TeleTell: LZ, 18.2. und 21.6.95; AT, 24.6.95. Basler Stadtkanal: BaZ, 28.10.95.36
[37] TA, 14.8.95; NZZ, 16.8.95.37
[38] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1658 f.38
[39] AT, 10.8.95; Link, Magazin des Publikumsrates DRS, 1995, Nr. 9, S. 10 f.39
[40] NZZ, 24.11.95.40