Année politique Suisse 1996 : Eléments du système politique / Problèmes politiques fondamentaux et conscience nationale / Grundsatzfragen
Zwei Meinungsforschungsinstitute - das GfS-Forschungsinstitut und Démoscope - massen 1996 das
Vertrauen der stimmberechtigten Bevölkerung in die Behörden. Dabei kamen die beiden Institute - freilich mit unterschiedlichen Frageformulierungen - zu recht verschiedenen Werten: für den Bundesrat wurde bei der GfS ein Vertrauenswert von 39%, bei Démoscope ein solcher von 71% gemessen. Beide Stellen nahmen jedoch, nach einem dramatischen Prestigeverlust zu Beginn der 80er-Jahre, 1996 einen leichten Aufschwung des Ansehens der Behörden wahr. Nicht betroffen von dem langfristigen Vertrauensverlust ist die Wirtschaft. Gemäss der Studie der GfS orientieren sich weite Teile der Bevölkerung zunehmend an wirtschaftlichen, denn an politischen Zusammenhängen
[3].
Die politische Partizipation der Bevölkerung war Gegenstand einer weiteren wissenschaftlichen Untersuchung. Darin wurden die Anonymität des politischen Geschehens und die mangelnde Glaubwürdigkeit der in der Politik Tätigen als
Hauptursachen der Stimmabstinenz festgestellt. Während für die Stimmenden in der Deutschschweiz die politische Mitbestimmung ein wichtiges Motiv für die Teilnahme an Abstimmungen ist, gehen die Menschen in der Romandie und im Tessin mehr aus Gewohnheit zur Urne. Personen aus der Mitte des Parteienspektrums zeigten sich überdurchschnittlich politikverdrossen
[4].
Infolge der Affären im EMD musste die
Armee 1996 einen deutlichen Imageverlust hinnehmen. Ihre Akzeptanz fiel, gemäss einer Studie der ETH Zürich, von 78% auf 63% zurück und erreichte damit annähernd den bisher tiefsten Wert von 1991. Die Zustimmung zur Milizarmee sank ebenso wie das allgemeine Sicherheitsempfinden der Schweizer Bevölkerung. Dagegen nahm die
Zustimmung zu einem Beitritt zu Internationalen Organisationen zu. Erstmals seit 1993 sprach sich eine schwache Mehrheit der Befragten für einen vorbehaltlosen Beitritt zu EU und UNO aus
[5].
Als bedenklich erwies sich gemäss einer Umfrage der Zeitschrift "das Beste"
das staatsbürgerliche Wissen der Schweizer Bevölkerung. Nur eine Minderheit der Befragten konnte drei häufig bei Einbürgerungen gestellte staatspolitische Fragen richtig beantworten. Dabei zeigte sich die junge Generation wesentlich sattelfester in Staatskunde als die Älteren
[6].
Die vom GfS-Forschungsinstitut gemessenen
Ängste der Bevölkerung erreichten 1996 einen Höchststand. An der Spitze stand die Besorgnis über den Egoismus der Mitmenschen sowie die ökologische Entwicklung. Nur im Mittelfeld der geäusserten Ängste erschien die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz und das materielle Wohlergehen. Insgesamt ging jedoch die Angst vor der Zerstörung der Umwelt zurück, während die Furcht vor der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung zunahm
[7].
Nichts Neues ist die Angst der Romandie vor einer Deutschschweizer Dominanz. Sie trat dieses Jahr insbesondere aufgrund der Entscheidung der Swissair, die Langstreckenflüge weitgehend auf den Flughafen Zürich-Kloten zu konzentrieren, in Erscheinung. Die
Zukunft des Flughafens Genf-Cointrin war auch ein Thema in den eidgenössischen Räten. Nicht weniger als eine Interpellation, drei dringliche Einfache Anfragen und elf Fragen wurden zu diesem Thema eingereicht
[8]. Neu dagegen war, dass auch die
Ostschweiz öffentlich ihre Vernachlässigung gegenüber den anderen Regionen beklagte. Bei einem Treffen mit dem Bundesrat listeten die Vertreter der sieben Ostschweizer Kantone eine Reihe von Benachteiligungen ihres Landesteils durch die Bundesbehörden auf. Im Vordergrund standen dabei die Projekte der NEAT sowie die Verbilligung der Krankenkassenprämien
[9].
[3] Démoscope:
JdG und
NF, 8.6.96. GfS:
BüZ, 10.8.96;
Bund, 14.8.96;
BaZ, 20.8.96.3
[4]
Bund und
JdG, 15.4.96.4
[5] Presse vom 9.8.96;
NZZ, 10.8.96. Vgl. unten, Teil I, 3 (Défense nationale et société).5
[7] Presse vom 2.12.96;
BaZ und
SGT, 4.12.96;
Bund und
LNN, 7.12.96.7
[8]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 949 ff. Details siehe unten, Teil I, 6b (Trafic aérien).8
[9]
Bund und
SGT, 21.11.96;
SGT, 22.11.96;
BaZ, 21.11.96.9
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