Année politique Suisse 1996 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique / Strafrecht
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Rechtshilfe
Die Revision des Rechtshilfegesetzes von 1981 sowie des Bundesgesetzes zum Staatsvertrag mit den USA zur gegenseitigen Rechtshilfe konnte im Berichtsjahr verabschiedet werden. Auch im Ständerat war Eintreten unbestritten. In der Detailberatung hielt er sich, wie bereits die grosse Kammer, weitgehend an den Vorschlag des Bundesrates. Er entschied sich in bezug auf den Zeitpunkt von Einsprachemöglichkeiten gegen den Nationalrat und sprach sich für die vom Bundesrat vorgeschlagene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht auf die Schlussverfügung - und nicht auf den Eintretensentscheid - aus. Einen Antrag Marty (fdp, TI), der zur Beschleunigung der Verfahren vorschlug, dass diese Beschwerde unter Auslassung der kantonalen Instanzen direkt ans Bundesgericht zu richten sei, lehnte der Rat mit Stichentscheid des Präsidenten ab. Auch Bundesrat Koller hatte dies als nicht sinnvoll bezeichnet, da daraus eine Überbelastung des Bundesgerichts entstehen würde. Dieses hätte nicht nur bedeutend mehr Beschwerden zu beurteilen als heute, es könnte sich zudem nicht mehr auf die verfahrensmässigen Aspekte konzentrieren, sondern müsste sich auch materiell mit allen Fällen auseinandersetzen [39].
In der Differenzbereinigung fügte sich der Nationalrat dem Entscheid, dass das Weiterziehen von Einsprachen bis vor das Bundesgericht nur für die Schlussverfügung zulässig sein soll. Die Kommissionsmehrheit hatte den Vorschlag von Ständerat Marty übernommen, dabei die kantonalen Rekursinstanzen zu überspringen; sie unterlag jedoch im Plenum mit 89 zu 57 Stimmen. In der Schlussabstimmung enthielten sich im Nationalrat die Sozialdemokraten und die meisten Grünen der Stimme. Die SP begründete ihren Protest mit dem ihrer Ansicht nach noch unzureichenden Abbau der Rekursmöglichkeiten und dem Verzicht auf den Einbezug der Steuerhinterziehung als rechtshilfefähiges Delikt [40].
Der Ständerat nahm den Vorschlag Dick Martys, auf die kantonalen Beschwerdeinstanzen bei internationalen Rechtshilfeentscheiden zu verzichten, mit einer Motion in modifizierter Form auf. Er forderte vom Bundesrat die Schaffung einer besonderen eidgenössischen Instanz, welche über Beschwerden zu erstinstanzlichen Urteilen der Kantons- und Bundesbehörden abschliessend entscheiden soll. Der Nationalrat folgte Bundesrat Koller und lehnte die Motion zugunsten eines Postulats ab, das vorerst eine Prüfung der Zweckmässigkeit dieser Zentralisierung in einer speziellen Bundesinstanz verlangt [41].
Bundesrat Koller und der französische Justizminister Toubon unterzeichneten am 28. Oktober ein bilaterales Abkommen zur Vereinfachung der gegenseitigen Rechtshilfe. Dieses erlaubt es, Rechtshilfegesuche direkt an die beteiligten Behörden zu richten; bisher mussten sie auf diplomatischem Weg über die Ministerien übermittelt werden. Mit Deutschland und Österreich waren analoge Zusatzvereinbarungen zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen bereits früher abgeschlossen worden, mit Italien sollen Verhandlungen über eine entsprechende Regelung 1997 aufgenommen werden [42].
 
[39] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 223 ff. Siehe zu Martys Vorschlag auch TA, 18.3.96. Vgl. SPJ 1995, S. 26 f. Für das Rechtshilfeabkommen mit den USA gilt bereits heute das Bundesgericht als einzige Beschwerdeinstanz.39
[40] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 741 ff., 1322 und 1925 f.; Amtl. Bull. StR, 1996, S. 501 f., 790 und 854; BBl, 1996, IV, S. 821 ff. und 838 ff. Der BR setzte das neue Gesetz auf den 1.2.97 in Kraft (AS, 1997, S. 114 ff.).40
[41] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 502 ff.; Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1323 ff.41
[42] Presse vom 29.10.96.42