Année politique Suisse 1996 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires / Verwaltung
Die im Vorjahr auf Verlangen der CVP-Fraktion eingesetzte
parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zur Abklärung von Organisations- und Führungsproblemen bei der
Pensionskasse des Bundespersonals legte im Oktober ihren ausführlichen Bericht vor. Sie hielt darin fest, dass nicht technische Probleme mit dem EDV-System, sondern erhebliche Organisations- und Führungsdefizite die Hauptursachen für die Missstände darstellten. Diese Defizite waren nach Ansicht der PUK nicht bloss auf der Ebene der Pensionskasse angesiedelt, sondern auch bei der Führung des Finanzdepartementes. Der
Hauptverantwortliche für das Debakel ist für die PUK eindeutig der im Herbst 1995 zurückgetretene sozialdemokratische
Bundesrat Stich. Vorgeworfen wurde ihm nicht nur eine verfehlte Personalpolitik bei der Besetzung von Führungsstellen, sondern auch, es versäumt zu haben, rechtzeitig eine Analyse und Reorganisation der Kasse in die Wege zu leiten, und auf Vorhaltungen aus dem Parlament nicht oder abwiegelnd reagiert zu haben. Aber auch der Gesamtbundesrat wurde von der Kritik nicht ausgenommen: aus Rücksicht auf den Chef des EFD habe er seine Rolle als Oberaufsichtsgremium erst spät und auch dann bloss zögerlich wahrgenommen
[16].
Die
SP-Spitze reagierte heftig auf die Anschuldigungen gegen ihren alt Bundesrat und liess am Bericht und seinen Verfassern (darunter auch die SP-Abgeordneten Leemann, ZH und Plattner, BS) kein gutes Haar. Parteipräsident Bodenmann warf dem Bericht vor, dass er nichts Neues an den Tag gebracht habe und nur eine politische Racheaktion an Stich darstelle
[17].
Die beiden Parlamentskammern nahmen
vom Bericht nach ausführlicher Diskussion Kenntnis. Kritik kam wie bereits nach der Veröffentlichung von den Sozialdemokraten, welche die harte Wortwahl gegenüber Stich und die mangelnde Anerkennung seiner Leistungen in anderen Bereichen bemängelten. Immerhin waren auch sie einverstanden, dass das Parlament den Bericht zur Kenntnis nimmt. Die PUK hatte zusätzlich zum Bericht fünf Postulate, drei Motionen und fünf parlamentarische Initiativen formuliert, in welche sie 43 Empfehlungen verpackte. Diese verlangen Änderungen einerseits bei der Struktur der Kasse und andererseits bei der Aufsicht über die Kasse und sollen zudem eine Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle über die Bundesverwaltung insgesamt bringen. Diese Vorschläge fanden im Nationalrat Zustimmung. Der Ständerat überwies sie ebenfalls; die Motion, welche die Einrichtung einer Ombudsstelle für Fragen und Klagen der Versicherten forderte, allerdings nur in Postulatsform
[18].
Die schlechte Finanzlage veranlasste den Bundesrat zu weiteren
Sparmassnahmen bei den Löhnen des Bundespersonals. Er beschloss, für 1997 die aufgelaufene Teuerung von 0,7% nicht auszugleichen, den Lohnabzug von 1-2% für Spitzenbeamte beizubehalten und die automatischen Besoldungserhöhungen um 25% zu kürzen. Zudem gab er die Anweisung, die Anfangslöhne in der allgemeinen Bundesverwaltung durch tiefere Einstufungen konsequent um 10% zu reduzieren
[19].
Der anhaltend schlechte Zustand der öffentlichen Finanzen führte nicht nur zu Sparmassnahmen bei den Löhnen des öffentlichen Dienstes, sondern auch zu
Personalabbau. Beim Bund hat sich der Personalbestand von 1992 bis 1996 von gut 144 000 auf rund 130 500 verringert. PTT, SBB und das EMD (inkl. Rüstungsbetriebe) steuerten mit 6000, 5000 resp. 3000 eingesparten Stellen am meisten dazu bei. Nicht von diesem Abbau betroffen waren das EDA und das EVED mit kleinen Zuwächsen, sowie das EDI (plus 75 Stellen) und das EFD (plus 336). Viele Kantone haben ähnliche Abbaumassnahmen eingeleitet. Am massivsten fallen sie in den tief verschuldeten Kantonen der französischen Schweiz aus, wo in der Vergangenheit die öffentlichen Dienste grosszügig ausgebaut worden waren. Die Delegiertenversammlung des Föderativverbands des Personals der öffentlichen Dienste protestierte gegen den Lohnabbau und verlangte anstelle des Stellenabbaus eine Arbeitszeitverkürzung auf 39 Wochenstunden. An mehreren grossen Kundgebungen gaben die Staatsangestellten ihrer Unzufriedenheit über diese Massnahmen Ausdruck; im Kanton Genf kam es sogar zu zwei halbtägigen Streiks
[20].
[16]
BBl, 1996, V, S. 153 ff.; Presse vom 17.10.96. Siehe auch das Eintretensvotum des PUK-Präsidenten Schiesser (fdp, GL) in
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 1018 ff.16
[17]
TA, 17.10.96 (siehe dort auch das Interview mit Stich). Vgl. auch die Entgegnung von Schiesser in
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 1020 f. sowie die Kritik an der PUK in
DAZ, 17.10.96.17
[18]
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 1018 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 2247 ff.18
[19]
NZZ, 10.12.96. Vgl. auch BR Villiger in
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 2190 f.19
[20] Bund:
SN, 29.2.96. Kantone:
BaZ, 8.5.96;
24 Heures, 27.11.96. Personalverband:
Bund, 19.11.96. Zu den Kundgebungen siehe oben, Teil I, 1b (Politische Manifestationen).20
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