Année politique Suisse 1996 : Eléments du système politique / Elections / Ersatzwahlen
Die Ersatzwahl für den im Zuge einer Finanzaffäre
[31] zurückgetretenen Finanzdirektor Pierre-François Veillon (svp) hätte eigentlich neues Vertrauen in die Waadtländer Kantonsregierung schaffen sollen. Die
Kandidatenwahl verlief aber sowohl bei den Bürgerlichen als auch bei der Linken
chaotisch. Für die Linke bot sich erstmals die Chance, im siebenköpfigen Staatsrat zusammen mit den Grünen die Mehrheit zu stellen. Nachdem sich PdA-Nationalrat Josef Zisyadis noch am Tag des Rücktritts von Veillon selbst als Kandidat ins Gespräch gebracht hatte und die PdA nicht bereit war, einen anderen Kandidaten als den ihren zu akzeptieren, stärkte die Waadtländer SP anfänglich Zisyadis den Rücken. Nachdem aber verschiedene finanzielle Schulden Zisyadis' publik wurden und dieser darüber nur unzureichend Rechenschaft ablegte, entzogen SP und Grüne dem Kandidaten das Vertrauen. Die SP schloss nicht aus, im zweiten Wahlgang mit einer eigenen Kandidatur - zur Diskussion stand insbesondere Nationalrätin Francine Jeanprêtre - anzutreten. Die bürgerlichen Parteien FDP und Liberale ihrerseits zauberten mit dem Ökonomieprofessor Jean-Christian Lambelet (fdp) ein politisch unbeschriebenes Blatt aus dem Ärmel, was parteiintern zu Kritik führte. Für die SVP sollte Jean-Claude Mermoud den einzigen Sitz in der Regierung retten.
Im ersten Wahlgang, zu dem insgesamt neun Kandidaten antraten, erreichte erwartungsgemäss keiner der Kandidaten das absolute Mehr. Zisyadis erzielte mit knapp 32% der Stimmen aber das beste Ergebnis, gefolgt von Lambelet mit gut 30% Wähleranteil. Ein Achtungsresultat verbuchte der SVP-Kandidat Mermoud mit gut 12% der Stimmen. Die schlechte Stimmbeteiligung von 25,4% und gut 10% leer eingelegte Wahlzettel zeigten aber klar, dass die Wähler mit dem Kandidatenangebot unzufrieden waren. Auch für den zweiten Wahlgang vermochten sich FDP, Liberale und SVP jedoch nicht zusammenzuraufen und hielten an ihren eigenen Kandidaten fest.
Lachender Gewinner der bürgerlichen Uneinigkeit war deshalb im zweiten Wahlgang
Joseph
Zisyadis, der mit 42,8% der Stimmen
als
erster Kommunist in die nun erstmals mehrheitlich links-grüne Waadtländer Regierung einziehen konnte. Lambelet, der sich nicht vom Etikett des "ultraliberalen Technokraten" befreien konnte, erzielte 35,5%, der SVP-Kandidat Mermoud 20,7% der Stimmen
[32].
[31] Veillon musste auf Druck seiner Regierungskollegen von seinem Amt zurücktreten, nachdem bekannt geworden war, dass er dem Regierungskollegium einen massiven Buchungsfehler in der Staatsrechnung verschwiegen hatte.31
[32] Ersatzwahl vom 12.5. und 9.6.96: Presse vom 13.5. und 10.6.96;
Hebdo, 20.6.96. Letzte Gesamterneuerungswahlen siehe
SPJ 1994, S. 54 f.32
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