Année politique Suisse 1996 : Economie / Politique économique générale / Konjunkturpolitik
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Ankurbelungsmassnahmen
Als im März die schlechten Wirtschaftszahlen für das letzte Quartal 1995 bekannt gegeben wurden, verstärkten sich die Rufe nach staatlichen Konjunkturförderungsprogrammen. Der SGB und die Linke blieben zwar mit ihrem Ruf nach einem neuen Impulsprogramm vorerst allein, aber immerhin verlangte auch der Vorort ein zeitliches Vorziehen grosser staatlicher Investitionsvorhaben. Dieses Anliegen wurde später auch von der Kommission für Konjunkturfragen aufgenommen und von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen des Baugewerbes an einer gemeinsamen Pressekonferenz vertreten. Bundesrat Villiger warnte allerdings davor, die finanzpolitischen Ziele (Sanierung des Bundeshaushalts bis zum Jahr 2001) zu vernachlässigen. Längerfristig seien die von einer Haushaltsanierung ausgehenden positiven Wirkungen für das Investitionsklima bedeutend höher einzuschätzen als eine vorübergehende Stimulierung der im europäischen Vergleich ohnehin überdimensionierten Bauwirtschaft [12].
Im Dezember trafen sich schliesslich die Bundesräte Delamuraz, Koller und Villiger mit Vertretern der Regierungsparteien und später auch des Vororts und der Gewerkschaften, um über die Idee zu diskutieren, baureife Projekte (namentlich im Bereich des Strassen- und Eisenbahnbaus) zeitlich vorzuziehen. Der Bundesrat stützte sich dabei auf einen Vorschlag einer aus Vertretern der Nationalbank, der Verwaltung, der Sozialpartner und der Wissenschaft gebildeten Expertengruppe. Nach diesen Gesprächen verkündeten die Gewerkschaften, dass sie ein Investitionsprogramm des Bundes in der Höhe von 700 Mio Fr. erwarteten. Der Vorort sprach sich hingegen gegen eine zusätzliche Verschuldung des Bundes aus und konnte sich höchstens mit der beschleunigten Inangriffnahme von Bauprojekten einverstanden erklären, deren Finanzierung bereits gesichert ist. Der Bundesrat kündigte nach diesen Gesprächen mit den Regierungsparteien und den Sozialpartnern an, dass er für die auf Ende April 1997 geplante Sondersession des Parlaments entsprechende Anträge stellen wolle. Das Hauptgewicht werde er dabei einerseits auf vorgezogene Investitionen und andererseits auf Steuererleichterungen für Unternehmen legen [13].
In der Herbstsession fand im Nationalrat eine Debatte über die Wirtschaftslage statt, ausgelöst durch dringliche Interpellationen der SP und der Liberalen. Dabei kam auch wieder die Forderung nach einem Investitionsbonus zur Sprache. Die SP hatte Ende 1995 in beiden Parlamentskammern identische Motionen für eine Neuauflage des Investitionsbonus' (oder als Alternative Zinskostenbeiträge für öffentliche Investitionen) zur Ankurbelung der Wirtschaft eingereicht. Gefördert würden dadurch kommunale und kantonale Vorhaben namentlich in den Bereichen Energiesparen und Agglomerationsverkehr. Dabei soll nach Ansicht der SP die Höhe des Subventionssatzes von der Arbeitslosenrate und der Finanzkraft der Kantone abhängen. Der Bundesrat lehnte diesen Bonus vorwiegend aus finanzpolitischen Gründen ab. Er hoffte aber auch, dass die bereits getroffenen wettbewerbs- und arbeitsmarktpolitischen Massnahmen (insbesondere Kartellrechtsrevision, Binnenmarktgesetz und ALV-Revision) eine spürbare Besserung der wirtschaftlichen Lage bewirken würden. Im Nationalrat drang er mit diesen Argumenten nicht durch. Eine aus der Linken und der CVP gebildete Mehrheit verhalf der SP-Motion mit 80:59 Stimmen zur Annahme. Nach diesem Entscheid lehnte der Nationalrat eine überflüssig gewordene Motion Jeanprêtre (sp, VD) zugunsten eines Impulsprogramms für die von der Krise besonders betroffene französischsprachige Schweiz und das Tessin ab. Der Ständerat, der im Frühjahr einen entsprechenden, von Aeby (sp, FR) eingereichten Vorstoss abgelehnt hatte, wird sich also 1997 noch einmal damit befassen müssen. Der Kanton Genf hatte im November mit einer Standesinitiative ebenfalls eine Neuauflage des Investitionsbonus' verlangt [14].
Gegen Jahresende verfügte der Bundesrat die allgemeine Freigabe der von den Unternehmen freiwillig gebildeten Reserven zur Arbeitsbeschaffung. Es handelt sich dabei um steuerbefreite Rücklagen, welche die Unternehmen in guten Zeiten auf einem Sperrkonto deponieren können. Seit der letzten Freigabe im Dezember 1991 hatten rund 900 Unternehmen Rücklagen von insgesamt 340 Mio Fr. gebildet [15].
Die Geldpolitik der Nationalbank blieb auf dem im Vorjahr eingeleiteten gelockerten Kurs. Statt wie geplant um 1% wuchs die Notenbankgeldmenge zwischen dem vierten Quartal 1995 und dem vierten Quartal 1996 um 5%. Dieser Kurs wurde, zumindest in der ersten Jahreshälfte, von der SP und den Gewerkschaften weiterhin als viel zu restriktiv kritisiert [16]. Nachdem sich im Herbst abzeichnete, dass auch 1996 der lange erwartete Aufschwung nicht eintreten würde, forderte auch der Vorort die Nationalbank auf, ihren geldpolitischen Spielraum noch besser zu nutzen und eine deutlichere Senkung der kurzfristigen Zinssätze (und damit auch eine weitere Abwertung des Schweizerfrankens) anzuvisieren. Kurz darauf senkte die Nationalbank den Diskontsatz auf den historischen Tiefstsatz von 1% [17].
Wie bereits in den Vorjahren scheiterten auch 1996 kantonale Volksinitiativen der Linken und der Gewerkschaften für die Einführung von Sondersteuern für hohe Einkommen zur Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmassnahmen. In Bern, Genf und der Waadt sprach sich das Volk mit Zweidrittel-Mehrheiten dagegen aus, in Neuenburg war die Ablehnung mit 58% Nein-Stimmen etwas schwächer [18].
Mit dem Inkrafttreten des neuen Kartellgesetzes im Juli des Berichtsjahres ist der Tätigkeitsbereich des Preisüberwachers für kartellisierte oder administrierte Märkte massiv eingeschränkt worden. Trotzdem war das Interesse an der Nachfolge des auf Ende Juni zurücktretenden Freiburgers Deiss (cvp) gross. Das Rennen um den 1982 mit einer Volksinitiative geschaffenen Posten machte schliesslich der Glarner Regierungs- und Nationalrat Werner Marti (sp) [19].
 
[12] TA, 13.3.96; NZZ, 24.4.96; Presse vom 27.8.96 (Baugewerbe); BaZ, 18.9.96; AT und TA, 20.9.96 (Kommission und Baugewerbe); Sonntags-Blick, 22.9.96 (Villiger). Für die Position der Gewerkschaften siehe auch S. Gaillard, Dauerkrise: fehlende Konjunkturpolitik oder mangelnde Wettbewerbsfähigkeit?, Bern 1996. Zur Finanzpolitik siehe unten, Teil I, 5 (Sanierungsmassnahmen).12
[13] SHZ, 12.12.96; TA, 16.-18.12.96; BZ und NZZ, 18.12.96; Presse vom 19.12.96 (BR). Der Expertengruppe gehörten Bruno Gehrig (SNB), Hans Sieber (BA für Konjunkturfragen), Bernd Schips (ETH), Serge Gaillard (SGB) und Rudolf Walser (Vorort) an.13
[14] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1384 ff. und 1834 (SP-Motion), S. 1798 ff. (Interpellationen und Debatte) und 1836 ff. (Jeanprêtre); Amtl. Bull. StR, 1996, S. 6 ff. Zur Kehrtwende der CVP-Fraktion siehe auch TA, 4.10.96. GE: Verhandl. B.vers, 1996, IV, Teil I, S. 24). Ein Investitionsbonus war bereits 1993 beschlossen worden (SPJ 1993, S. 102); vgl. dazu Lit. Saurer.14
[15] AS, 1996, S. 2953 f.; NZZ, 1.11.96.15
[16] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 228 ff. und 1271 ff. Vgl. auch unten, Teil I, 4b (Geld- und Währungspolitik).16
[17] NZZ, 18.9.96; Presse vom 27.9.96.17
[18] Bund und JdG, 11.3.96. Siehe auch unten, Teil II, 2b. Vgl. auch SPJ 1994, S. 96.18
[19] Ww, 1.2.96; BZ, 10.2. und 25.5.96; TA, 15.2.96; NZZ, 28.2.96; Bund, 26.6.96.19