Année politique Suisse 1996 : Politique sociale / Assurances sociales
 
Berufliche Vorsorge
Angesichts der steigenden Zahl der Konkurse von Vorsorge-Einrichtungen wird die Frage der Haftung immer wichtiger. Der Nationalrat verabschiedete deshalb diskussionslos eine entsprechende (in ein Postulat umgewandelte) Motion und ein Postulat Rechsteiner Rudolf (sp, BS) sowie ein Postulat Rechsteiner Paul (sp, SG). Der Ständerat übernahm seinerseits eine im Vorjahr vom Nationalrat verabschiedete parlamentarische Initiative Rechsteiner (sp, SG), welche die Ausdehnung des Insolvenzschutzes auf den ausserobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge verlangt. Abweichend vom Nationalrat bezog er zudem die Ansprüche der Selbständigerwerbenden in die Deckung mit ein. Eine ebenfalls zusätzlich eingefügte Bestimmung erlaubt es nicht nur den Sammelstiftungen, sondern in besonderen Fällen auch Gemeinschaftseinrichtungen, die Insolvenzdeckung zu beanspruchen. Der Nationalrat stimmte diesen Änderungsvorschlägen diskussionslos und einstimmig zu [28]. Der Nationalrat überwies zudem ein Postulat Keller (sd, BL), welches erreichen möchte, dass die Arbeitgeber keine Darlehen mehr aus den firmeneigenen Pensionskassen entnehmen können [29]. Der Bundesrat nahm seinerseits eine Verschärfung der Verordnung vor, mit welcher mehr Transparenz und Sicherheit bei der Vermögensanlage der Pensionskassen erreicht werden soll. Insbesondere müssen inskünftig die Risiken von Finanzderivaten in der Bilanzierung besser zum Ausdruck kommen [30].
Im Rahmen der Diskussionen des PUK-Berichts über die Pensionskasse des Bundes nahmen beide Kammern eine Motion der PUK an, welche verlangt, dass die heute gemäss Gesetzgebung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge dem Bundesrat zustehende und teilweise an das BSV delegierte Oberaufsicht über die Aufsichtsorgane BVG einer Behörde übertragen wird, die eine wirksame Ausübung dieser Kontrolle zu garantieren vermag [31].
Gegen den Willen einer rot-grünen Minderheit, welche argwöhnte, hier gehe es um ein verkapptes Steuergeschenk an die Vermögenden, beschloss die sozialpolitische Kommission des Nationalrates, einer parlamentarischen Initiative Nabholz (fdp, ZH) Folge zu geben, welche beantragt, die steuerlich privilegierte Säule 3a sei auch für Nichtberufstätige zu öffnen. Nabholz hatte dabei vor allem die Frauen im Visier, welche zugunsten von Erziehungs- und Betreuungsarbeiten auf eine Erwerbstätigkeit verzichten, aber auch Arbeitslose und Invalide. Eine analoge Empfehlung der Rechtskommission des Ständerates wurde diskussionslos verabschiedet [32].
Einstimmig genehmigte der Nationalrat eine 1995 vom Ständerat gutgeheissene Motion Frick (cvp, SZ) zur Einführung der Witwerrente im BVG. Der Rat nahm zudem ein Postulat Seiler (svp, BE) an, welches den Bundesrat einlädt zu prüfen, welche Anpassungen und Entscheide zu treffen sind, damit diese Witwerrente schnellstmöglich eingeführt wird [33].
Der Bundesrat beschloss, dass ab 1.1.97 Arbeitslose während der Dauer ihres Taggeldbezugs dem BVG unterstellt bleiben und somit minimal gegen Tod und Invalidität versichert sind. Noch offen blieb aber, wie die Last auf die Arbeitslosen und die Kasse aufgeteilt werden soll [34].
Ein Postulat Thür (gp, AG), welches den Bundesrat einladen wollte, einen Bericht zu erstellen, der die Vor- und Nachteile einer freien Wahl der Pensionskasse unter Aufrechterhaltung des Obligatoriums aufzeigt, wurde von Loeb (fdp, BE) bekämpft und deshalb vorderhand der Diskussion entzogen [35].
Zu den Vorstellungen der Grünen Partei zur Weiterentwicklung der beruflichen Vorsorge siehe unten, Teil IIIa, (GPS).
 
[28] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 662 f., 1185, 1205, 1207 f. und 1275 f.; BBl, 1996, I, S. 564 (BR und SGK-NR zur pa. Iv. Rechsteiner); Amtl. Bull. StR, 1996, S. 206 ff. und 587; BBl, 1996, III, S. 48 ff. Vgl. SPJ 1995, S. 248 f. Siehe dazu auch J.-P. Landry, "Mehr Transparenz und Sicherheit bei der Vermögensanlage von Pensionskassen", in CHSS, 1996, Nr. 3, S. 130 ff.28
[29] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1859.29
[30] SZ, 24.4.96; BZ, 29.4.96; NZZ, 29.6.96.30
[31] BBl, 1996, V, S. 462; Amtl. Bull. StR, S. 1041; Amtl. Bull. NR, 1996, S. 2270. Zum PUK-Bericht siehe oben, Teil I, 1c (Verwaltung).31
[32] Verhandl. B.vers., 1996, IV, Teil I, S. 37; Presse vom 31.8.96; Amtl. Bull. StR, 1996, S. 777 f. Eine Motion Hochreutener (cvp, BE) des gleichen Inhalts wurde von Goll (frap, ZH) bekämpft und deren Behandlung deshalb verschoben (Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1183 ff.).32
[33] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1117 und 583. Vgl. SPJ 1995, S. 249.33
[34] Presse vom 28.9.96.34
[35] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1860. Die freie Wahl der Pensionskassen war bisher eine neoliberale Forderung. Angesichts mehrerer Finanzdebakel von firmeneigenen Pensionskassen tendieren aber auch immer mehr Vertreter der Linken zur Wahlfreiheit; das Postulat Thür wurde von Rechsteiner (sp, SG) und Zbinden (sp, AG) mitunterzeichnet, wodurch sie sich die Kritik des SGB zuzogen (SGT, 5.11.96).35