Année politique Suisse 1996 : Politique sociale / Groupes sociaux / Frauen
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Politische Vertretung
Aus Anlass des 25. Jahrestages seit Einführung des Stimm- und Wahlrechts der Frauen auf Bundesebene untersuchte ein politologisches Forschungsinstitut Unterschiede im Wahl- und Abstimmungsverhalten zwischen Frauen und Männern. Die Auswertung listete 14 Abstimmungen auf, bei denen das Geschlecht den Ausschlag für ein Ja oder ein Nein gab. Die Erfolgsquote ist ausgeglichen: Siebenmal setzten sich die Frauen und siebenmal die Männer durch. Viermal erkämpften die Frauen ein Ja, nämlich beim neuen Ehe- und Erbrecht, dem Kernkraftmoratorium, der Alpeninitiative und dem Antirassismusgesetz. Dreimal gaben Frauenmehrheiten den Ausschlag zu einem Nein: bei der Fristenlösung, der Herabsetzung des Stimm- und Wahlrechtsalters auf 18 Jahre (1979) und der Lockerung der Lex Friedrich (1995). Umgekehrt siegten die neinsagenden Männer beim Ausstieg aus der Atomenergie (1990), bei Atom- und Energieinitiativen (1979 und 1984), beim einem liberaleren Ausländergesetz (1982), der Kleinbauerninitiative, der Waffenplatzinitiative und der Initiative "Weg vom Tierversuch" gegen Ja-Mehrheiten der Frauen. Unterschiede wurden aber auch dort deutlich, wo sie auf das Abstimmungsergebnis keinen Einfluss hatten. Die Rekordabweichung wurde beim Werbeverbot für Tabakwaren erreicht, wo 18% mehr Frauen zustimmten.
Die Autoren der Studie konstatierten seit der Mitte der achtziger Jahre einen Trend der Frauen zu eigenständigerem Stimmverhalten. Frauen hätten den Wertewandel hin zu vermehrter Ökologie und zum Schutze des Menschen schneller und nachhaltiger vollzogen als die Männer. Dies zeige sich insbesondere bei ethischen Forderungen, sowie in der Sicherheits- und Ausländerpolitik. Das Nein der Frauen zur Lockerung der Lex Friedrich erklärten sie weniger mit fremdenfeindlichen denn mit ökologischen Motiven.
Bei den Wahlen liessen sich geringere Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen. Wie eine Auswertung der eidgenössischen Wahlen von 1995 zeigte, wurden nur gerade die Grünen häufiger von Frauen als von Männern gewählt. Interessant waren die geringen Unterschiede bei den Regierungsparteien. 45% der SP-Wählerschaft waren Frauen; 44% waren es auch bei der SVP, obwohl im Parlament weit mehr SP- als SVP-Frauen sitzen. Nach Meinung der Politologen ist dies ebenfalls Ausdruck eines qualitativen Wandels. Im rot-grünen Lager sei es inzwischen mehrheitsfähig geworden, Frauen gleichberechtigten Raum zuzugestehen. Rechtsstehende Parteien zögen hingegen Wählerinnen an, die beim traditionellen Rollenverständnis bleiben wollten [48].
Der Regierungsrat des Kantons Solothurn erachtete die im Vorjahr eingereichte "Initiative 2001", welche eine gleich starke Vertretung der Frauen und Männer in allen Behörden des Kantons verlangte, als verfassungswidrig, da sie mit dem Diskriminierungsverbot kollidiere, die Männer benachteilige, und den Grundsatz des allgemeinen Stimm- und Wahlrechts verletze. Der Kantonsrat folgte dieser Argumentation und erklärte die Initiative für ungültig, worauf die Initiantinnen Beschwerde beim Bundesgericht einreichten [49].
In ihrer Vernehmlassung zur Totalrevision der Bundesverfassung sprach sich die Eidg. Frauenkommission deutlich für die Einführung von Quotenregelungen als Übergangslösung aus. Es genüge nicht, die Gleichstellung rein formal festzuschreiben, dabei aber keine Massnahmen vorzusehen, welche die immer noch real existierende Benachteiligung der Frauen abbauten [50].
Die Medienpräsenz der Kandidatinnen im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen war auch 1995 im Vergleich zu ihren männlichen Konkurrenten unterproportional. Dennoch konnten sich die Frauen im Wahlkampf besser profilieren als noch vier Jahre zuvor. Dies zeigte eine Studie, welche von der Eidg. Frauenkommission in Auftrag gegeben wurde. Untersucht wurden für die Zeit vom 11. September bis 21. Oktober 1995 nach Sprachregionen ausgewählte Printmedien sowie die Sendegefässe von Schweizer Fernsehen und Radio. Bei 5057 Namensnennungen in fünf Deutschschweizer Zeitungen entfielen 27% auf Kandidatinnen und 73% auf Kandidaten, obgleich die Frauen 36% aller Kandidierenden in der Deutschschweiz ausmachten. Parteibezogen erreichten die SP-Kandidatinnen die meisten Nennungen, gefolgt von jenen der FDP. Besser sah es in der Romandie aus, wo rund 34% der Nennungen auf Frauen entfielen.
Quantitativ geschlechtergerecht verhielt sich Radio DRS 1, in dessen Sendungen die Frauen 36% der Redezeit erhielten, wobei hier sogar mit der Berner Ständeratskandidatin Christine Beerli (fdp) eine Frau deutlich am längsten das Wort hatte. Anders verhielt es sich bei der Radio Suisse romande La Première, wo den Frauen nur gerade 25% Antennenpräsenz vergönnt war. Schlecht kamen die Kandidatinnen auch beim Fernsehen weg (23% in der Deutschschweiz und 27% in der Romandie). Insbesondere FS DRS bat mit Vorliebe bestandene männliche Politprominenz vor die Kamera. Hinter Bodenmann rangierten neben dem Zürcher SVP-Mann Blocher die Vorsitzenden der drei bürgerlichen Bundesratsparteien an der Spitze. Erst als sechste folgte Monika Weber, vor Spoerry als achter und der Zürcher Grünen Verena Diener als neunter [51].
Mit 142 von 162 Stimmen wurde die Luzernerin Judith Stamm klar zur Präsidentin des Nationalrates für 1997 gewählt. Als CVP-Vertreterin, die seit 1983 im Nationalrat sitzt, übernimmt sie als vierte Frau das Amt als höchste Schweizerin [52].
Zu den Resultaten der Frauen bei kantonalen Wahlen siehe oben, Teil I, 1e. Für eine Basisbefragung der SVP zur Frauenpolitik vgl. unten, Teil IIIa (SVP).
 
[48] Presse vom 6.2. und 7.7.96.48
[49] NZZ, 6.1.96; SZ, 25.1., 27.1. und 9.2.96; Bund, 12.2.96; Presse vom 14.2.96.49
[50] Presse vom 24.2.96. Für die detaillierte Stellungnahme siehe F-Frauenfragen, 1996, Nr. 1, S. 3 ff.50
[51] Lit. Eidg. Kommission.51
[52] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1960.52