Année politique Suisse 1996 : Enseignement, culture et médias / Médias / Radio und Fernsehen
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Privat- und Lokalradios
Der private Volksmusik-Sender Eviva, der bisher nur über Satellit und Kabel empfangbar war, darf seit Oktober auch über Mittelwelle senden. Damit erhielt Eviva als erste private Radioveranstalterin neben der SRG eine terrestrische Konzession auf sprachregionaler Ebene. Das BAKOM hatte die Konzession für ein auf Mittelwelle verbreitetes Spartenradio für die deutschsprachige Schweiz ausgeschrieben. Eviva muss allerdings dem Evangeliums-Rundfunk Schweiz (ERF) ein tägliches Programmfenster einräumen, womit erstmals ein religiös motiviertes Privatunternehmen im Schweizer Äther Programmhoheit erhält. Das Projekt "Opus II" von Roger Schawinski ging leer aus. Ende Jahr beklagte sich Radio Eviva über den schlechten Empfang im Raum Zürich über Mittelwelle und beschuldigte das BAKOM der irreführenden Information. Eviva drohte mit dem Einstellen des Sendebetriebs [45].
Im Mai legte der Bundesrat in einer zweiten Etappe der UKW-Sendernetzplanung die Sendegebiete für die Lokalradios im östlichen Mittelland, der Zentral- und der Ostschweiz fest, wobei die definitiven Konzessionen erst im März 1997 erteilt werden. Insgesamt kann das EVED in dieser zweiten Etappe 22 Konzessionen in 20 Versorgungsgebieten erteilen. 13 Versorgungsgebiete entsprechen Gebieten, in denen bereits heute 15 Lokalradios - mit einer Versuchserlaubnis - auf Sendung sind. Einem weiteren bestehenden Veranstalter wird ein neues Versorgungsgebiet zugewiesen (Region Aargau-Mitte für das schwachkommerzielle Aargauer Regionalradio, das bisher auf den Frequenzen von Radio Argovia sendet). Sechs Versorgungsgebiete sind neu: Emmental/Entlebuch (in dieser Region gab es bisher kein auf die Region ausgerichtetes Lokalradio), Stadt Zürich, Solothurn, Stadt Luzern, Stadt Schaffhausen und Stadt St. Gallen. Mit Ausnahme der Radios für das Emmental/Entlebuch und die Stadt Zürich sollen in den neuen Versorgungsgebieten schwach- oder nichtkommerzielle Kontrastprogramme konzessioniert werden. In der Region Zürich trug der Bundesrat den besonderen Verhältnissen in der grössten Agglomeration Rechnung. Zu den bisherigen drei Lokalradios im Grossraum Zürich, wovon eines ein Kontrastprogramm sendet, kommt ein zusätzliches kommerzielles Kontrastradio für die Stadt Zürich. In einem ersten, von den Betroffenen sowie von der Zürcher Regierung (welcher noch der jetzige, mit dem Dossier betraute Bundesrat Leuenberger angehörte) stark kritisierten Entwurf hatte das BAKOM vorgeschlagen, das Sendegebiet der Lokalsender Radio 24 und Radio Z um die sogenannten Überreichweiten einzuschränken und den Sendern als neuen Sendestandort den tieferen Zürichberg zuzuweisen. Den beiden Sendern wird ihr bisheriger Standort Üetliberg nun aber belassen. Den gewährten "Sonderfall Zürich" begründete der Bundesrat mit den Hörergewohnheiten der Zürcherinnen und Zürcher. Insgesamt hatten sich 34 Lokalradios um eine Sendekonzession beworben, darunter zehn im Raum Zürich (bzw. in der Grossregion Zürich - mit Eulach und Zürisee - zwölf) [46].
Die UKW-Frequenzzuteilung wurde von diversen Lokalradios stark kritisiert und als "Lex Zürich" bezeichnet. Sieben Ostschweizer Lokalradios forderten vom Bundesrat, als Ausgleich für die Ungleichbehandlung gegenüber den Zürchern den Sendestandort Säntis für die Privatradios zu öffnen, die Berner Lokalradios forderten den Zugang zum günstigeren Höhenstandort Bantiger. Verschiedene alternative Radiostationen warfen dem Bundesrat ausserdem vor, die Kontrastprogramme mit kleineren und ungünstigeren Gebieten und Sendestandorten abzuspeisen als die kommerziellen Mitbewerber. Auch der Publikumsrat DRS äusserte sich unzufrieden. Die Lokalradios würden gegenüber Radio DRS stark bevorzugt, urteilte er. So müsse das Programm von DRS 3 in Zürich auf eine neue Frequenz wechseln, während Radio 24 und Radio Z weiterhin vom privilegierten Üetliberg aus senden dürften. Auch der Entscheid, im Fricktal die Frequenz des Regionaljournals Aargau/Solothurn von DRS künftig Radio Argovia zur Verfügung zu stellen, kritisierte der Publikumsrat als medien- und staatspolitisch fragwürdig [47].
Im März gingen in Bern das werbefreie alternative Lokalradio RaBe und in der Region Genf der Jugendsender One FM (ehemals No Radio) auf Sendung. Der Genfer Wirtschaftssender World Radio Geneva begann im Mai zu senden. Die drei Sender waren vom Bundesrat in einer ersten Etappe der UKW-Sendernetzplanung neu konzessioniert worden. Noch nicht auf Sendung gehen konnte im Berichtsjahr Radio Ticino, dem auf Kosten von "90.6 La Voce del Bellinzonese" ebenfalls neu eine definitive Konzession für die nächsten zehn Jahre erteilt worden war. Erst im Oktober wies der Bundesrat den Rekurs von "90.6 La Voce del Bellinzonese" ab [48].
Mit einer Revision der ersten Etappe der UKW-Sendernetzplanung schuf der Bundesrat ausserdem in der Region Basel doch noch die Voraussetzungen für ein drittes Lokalradio neben den beiden bestehenden Stationen Basilisk und Edelweiss und schrieb eine entsprechende Konzession aus. Gute Chancen hat der schwachkommerzielle Jugend- und Kultursender Radio X, dessen Gesuch in einer ersten Phase abgelehnt worden war, worauf dieser erfolglos rekurrierte [49].
Im August übernahm der französische kommerzielle Musiksender Nostalgie das in finanziellen Nöten steckende linksalternative Lausanner Lokalradio AciduL und sendete von da an ein Programm, das jenem der Konzession kaum mehr entsprach. Sowohl der Schweizer Verband der Journalistinnen und Journalisten als auch der Verband Schweizer Privatradios forderten daraufhin die Suspendierung bzw. den Entzug der AciduL-Konzession. Das BAKOM erkannte auf Konzessionsverletzung und gab Nostalgie eine einmonatige Frist, um ein konformes Programm herzustellen; Nostalgie legte Berufung ein. Es handelt sich um die erste Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft an einem Schweizer Lokalradio. Das Rundfunkgesetz verbietet zwar ausländische Beteiligungen nicht generell, doch drängte sich für das BAKOM und den Bundesrat die Klärung dieser Frage auch vor dem Hintergrund der gesetzlich beschränkten, überregionalen Programmzusammenarbeit auf [50].
Nachdem Radio DRS seinen bisherigen Vorzugspreis für DRS-Nachrichten auf Ende 1994 gestrichen hatte, schlossen sich die acht Lokalradios Thurgau, Gonzen, Schwyz, Wil, Munot, Eulach, Aktuell und Zürichsee zu einem Nachrichtenpool (Rana Radionachrichten GmbH) zusammen. Eine ähnliche Zusammenarbeit stellten verschiedene Westschweizer Lokalradios auf die Beine. Einzig Radio Fribourg übernahm die DRS-Nachrichten zu den neuen Konditionen [51].
Die fünf Deutschschweizer Lokalradios Radio 24, Argovia, Sunshine, ExtraBern und Förderband traten aus dem Verband Schweizer Privatradios (VSP) aus und gründeten eine eigene Vereinigung "Pro Privatradio", innerhalb der sie künftig gemeinsame Projekte angehen wollen [52].
 
[45] BBl, 1996, III, S. 1385 ff. (Eviva); BBl, 1997, I, S. 750 ff. (ERF); TA und NZZ, 18.12.96.45
[46] BBl, 1996, II, S. 982 ff. und 1551 ff.; Presse vom 9.5.96. Siehe auch SPJ 1995, S. 308 f.46
[47] SGT, BZ und AT, 9.5.96; AT, 14.5.96; WoZ, 24.5.96. In der Herbstsession reichte NR Loeb (fdp) ein von der ganzen Berner NR-Delegation unterschriebenes Postulat ein, das für den Raum Bern gleiche Sendevoraussetzungen für die Lokalradios fordert wie in anderen städtischen Agglomerationen (Verhandl. B.vers., 1996, IV, S. 117). In Antwort auf eine Frage Bircher (cvp, AG) betonte BR Leuenberger, dass bei Frequenzknappheit die Lokalradios gegenüber regionalen SRG-Programmen Priorität haben (Amtl. Bull. NR, 1996, S. 800 f.).47
[48] RaBe: Bund, 28.2.96; WoZ, 1.3.96. One FM: JdG, 2.2.96. World Radio Geneva: JdG, 25.6.96. Radio Ticino: CdT, 25.10.96. Siehe auch SPJ 1995, S. 308.48
[49] BBl, 1996, V, S. 1044; BaZ, 10.12.96. Vgl. SPJ 1995, S. 309.49
[50] JdG, 27.8. und 25.9.96; Klartext, 1996, Nr. 5, S. 17. Zu ausländischen Beteiligungen an Schweizer Lokalradios siehe auch die Antwort des BR auf ein Postulat Zisyadis (pda, VD), das anschliessend zurückgezogen wurde (Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1514). Im Februar 97 erwarb die französische Gruppe "Radio Nostalgie" auch 20% des Baselbieter Lokalradios "Edelweiss" (BaZ, 26.2.97).50
[51] NLZ, 25.1.96. Vgl. SPJ 1995, S. 309.51
[52] Bund, 27.3.96.52