Année politique Suisse 1997 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Freisinnig-demokratische Partei (FDP)
Parteipräsident Steinegger, aber auch Bundesrat Kaspar Villiger kritisierten im Berichtsjahr offen, dass die FDP auf dem nationalen Parkett nicht als die Kraft erscheine, welche die Schweiz aus ihrer Mehrfachkrise führen könne. Gemäss Villiger tritt die FDP vorwiegend als effiziente Zweckgemeinschaft zur Rettung von Einzelinteressen auf. Steinegger rief zu mehr Einigkeit und Fraktionsdisziplin auf [10].
Parteipräsident Franz Steinegger (UR) wurde im August für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt. Die FDP-Frauen wählten anstelle von Franziska Frey-Wettstein (ZH) Sibylle Burger-Bono (BE) zu ihrer neuen Präsidentin. Zum Nachfolger von FDP-Generalsekretär Christian Kauter wurde der bisherige Delamuraz-Mitarbeiter Johannes Matyassy gewählt [11].
Um wirtschaftspolitisch Terrain gutzumachen, präsentierte die FDP 79 Vorschläge zur Verbesserung der Situation der KMU (kleine und mittlere Unternehmen). Unter anderem will sie sich für weniger Vorschriften, eine unternehmensfreundlichere Bau- und Umweltschutzgesetzgebung und eine vereinfachte Administration der Mehrwertsteuer einsetzen. Eine Zunahme der Lohnnebenkosten als Folge der Sozialleistungen lehnt sie ab. Die FDP bot ausserdem - teilweise gegen den Willen ihres eigenen Bundesrates, Finanzminister Kaspar Villiger - Hand zu Finanzvorlagen, die zusammen Steuererleichterungen, aber auch Steuerausfälle in Milliardenhöhe bringen könnten. An einer Delegiertenversammlung in Biel sprach sich die FDP im Grundsatz für eine ökologische Steuerreform bis zum Jahr 2005 aus, namentlich auch, um die Lohnnebenkosten zu senken [12].
Ausserdem bezog sie bildungspolitisch Position und plädierte für wieder auf mehr Effizienz und Leistung ausgerichtete Volksschulen, für kürzere Schul- und Studiengänge - so sollen sämtliche Studienrichtungen mit Ausnahme der Medizin nach acht Semestern, die Fachhochschulen nach sechs Semestern abgeschlossen werden - und für arbeitsmarktorientierte Ausbildungen. Schülerinnen und Schüler sollen ab dem zwölften Lebensjahr mit Internet-Anschlüssen versorgt werden. Alle Schulen seien dem Prinzip der wirkungsorientierten Verwaltungsführung zu unterstellen, während die Lehrerschaft privatwirtschaftlich anzustellen und der Leistungslohn einzuführen sei [13].
Einen "Umbau statt Abbau der Sozialwerke" postulierte die FDP im Sozialbereich und sprach sich für die Beibehaltung des Drei-Säulen-Prinzips aus. Bei der AHV soll das Rentenalter 65 für Mann und Frau gelten. In der Arbeitslosenversicherung will die Partei das Degressionsmodell, die nach Bezugsdauer abgestuften Leistungen, wieder zum Tragen bringen und eine 30tägige Karenzfrist einführen. Bei der Krankenversicherung soll die Jahresfranchise auf mindestens 600 Fr. angehoben werden. Anstelle der Mutterschaftsversicherung, wie sie der Bundesrat vorsieht, forderte die FDP einen bedürfnisgerechten Mutterschutz, der Frauen bloss eine achtwöchige Lohnfortzahlung nach der Geburt garantiert. Zumindest dieser Punkt war innerhalb der Partei aber umstritten [14].
Ohne grosse Diskussionen sprachen sich sowohl Gesamtpartei als auch die FDP-Frauen für den straflosen Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten 14 Wochen aus [15].
Bei den kantonalen Wahlen büsste die FDP insgesamt sechs Parlamentssitze ein, davon fünf in Neuenburg. In Appenzell Ausserrhoden gab sie ausserdem freiwillig einen Regierungssitz an einen Unabhängigen ab.
 
[10] NZZ, 25.3.97; TA und Bund, 18.8.97.10
[11] Presse vom 19.4. (Matyassy), 2.6. (Burger) und 16.8.97 (Steinegger).11
[12] NZZ, 28.2.97; TA, 18.8.97. Vgl. auch oben, Teil I, 5 (Direkte resp. Indirekte Steuern).12
[13] Presse vom 21.4.97. Vgl. das FDP-Positionspapier Schwungrad für den Aufschwung, Bern 1997. Im Rahmen des Investitionsprogrammes des Bundes forderte die FDP 100 Mio Fr. für Sofortmassnahmen im Bildungsbereich, drang damit aber nur teilweise durch.13
[14] Presse vom 18.8.97. Vgl. das FDP-Positionspapier Rettung der Sozialwerke, Bern 1997.14
[15] NZZ, 2.6. und 20.8.97.15