Année politique Suisse 1997 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Schweizerische Volkspartei (SVP)
In der SVP fand der Kampf zwischen dem liberalen Berner Flügel und dem konservativen Zürcher Flügel unter Christoph Blocher seine Fortsetzung. Insbesondere die Zürcher SVP wehrte sich im Rahmen der Debatte um die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg gegen jegliche Schuldanerkennung und Neuschreibung der Geschichte. Im März hielt Blocher eine "Klarstellungs"-Rede zu diesem Thema, welche die Öffentlichkeit stark polarisierte. Bevor der Bundesrat die Idee einer Solidaritätsstiftung überhaupt konkretisierte, drohte die Zürcher SVP ausserdem bereits mit dem Referendum und lancierte eine weitere ihrer umstrittenen Inserate-Kampagnen mit Titeln wie "Das Schweizer Volk erpressen? Und das Volk soll zahlen? Nie, nie, nie". Berner und Graubündner SVP-Volksvertreter gingen auf Distanz zu den Ausführungen Blochers zur Vergangenheit der Schweiz und zeigten sich offen bis zustimmend gegenüber der Stiftungsidee [21].
Nachdem Blocher in einer weiteren Rede zum "Eizenstat-Bericht" den eigenen Bundesrat Adolf Ogi lächerlich zu machen versuchte und unter anderem den Schriftsteller Adolf Muschg verunglimpfte, übten parteiintern insbesondere die Berner sowie die Graubündner Sektion massive Kritik am politischen Stil Blochers. Dieser brüskierte die Berner Sektion daraufhin mit einem groben Brief. Die Berner kündigten schliesslich einen pointierteren eigenen Kurs an. Der Konflikt machte jedoch deutlich, dass der Zürcher Einfluss auch in den liberalen SVP-Sektionen zunimmt. Insbesondere auch die Junge SVP Bern schien auf einen klaren "Blocher-Kurs" einzuschwenken [22].
Um ihre Präsenz in der Westschweiz, wo sie im Vorjahr ihre beiden letzten Regierungssitze verloren hatte, wieder zu verstärken, lancierte die SVP ein monatliches französischsprachiges Parteiorgan, "Le Pays Romand[23].
An einer Delegiertenversammlung in Herisau verabschiedete die Partei ein Positionspapier mit einer ganzen Reihe von Forderungen, die auf eine härtere Gangart im Asylbereich abzielen. So müsse vor allem die Schweizer Südgrenze durch einen massiven Ausbau des Grenzwachtkorps besser gesichert werden, wenn nötig mit Hilfe der Armee. Gegen Länder, die die Rücknahme ihrer Staatsangehörigen verweigerten, seien diplomatische und handelspolitische Zwangsmassnahmen zu ergreifen, und Gelder aus der Entwicklungshilfe seien nur noch an kooperierende Länder auszubezahlen. Ausserdem forderte die SVP eine Einschränkung der Rechtsmittel im Asylverfahren. Schliesslich schlug sie ein Bundesamt für Migration vor, in welchem das Bundesamt für Flüchtlinge und das Bundesamt für Ausländerfragen aufgehen sollen [24].
Die SVP sprach sich gegen jede Form von Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch aus. Nicht zuletzt dürfte sie dabei auch an die enttäuschten katholisch-konservativen bisherigen CVP-Wähler insbesondere in der Innerschweiz gedacht haben. Die SVP-Frauen, die sich im Verhältnis 3 zu 1 für die Fristenlösung ausgesprochen hatten, wurden innerhalb der Partei einmal mehr marginalisiert.
Bei den kantonalen Wahlen konnte die SVP auf Kosten der Freiheits-Partei 17 Sitze zulegen. Im Aargau wurde sie damit deutlich stärkste bürgerliche Partei, in Solothurn, wo sie bisher nicht vertreten war, erreichte sie auf Anhieb Fraktionsstärke. In Graubünden verlor die sich dem liberalen Flügel zuzählende SVP jedoch einen Sitz.
 
[21] BüZ, 4.3.97; Ww, 10.3.97; BZ, 11.3.97. Zur Debatte um die Schweiz im Zweiten Weltkrieg vgl. oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen) und 4b (Banken).21
[22] BZ, 9.7., 18.7. und 19.7.97; BüZ, 15.7.97; NZZ, 21.7.97; TA, 23.7.97. Zu einer im Berichtsjahr vom Vizepräsidenten der Jungen SVP Bern geplanten Volksinitiative, welche die Todesstrafe wieder einführen wollte, gingen die SVP (Schweiz und Bern) wie auch die nationale Junge SVP allerdings klar auf Distanz (TA und BZ, 25.4.97).2
[23] JdG und Bund, 4.2.97.23
[24] Presse vom 20.10.97. Vgl. das SVP-Positionspapier Asylpolitik. Effektiv und glaubwürdig, Bern 1997.24