Année politique Suisse 1997 : Partis, associations et groupes d'interêt
Partis
Pour la première fois, le PS a élu une présidente en la personne d'Ursula Koch. - Après avoir été soutenu par les femmes démocrates-chrétiennes, l'assouplissement des dispositions relatives à l'interruption de grossesse a également reçu l'approbation de l'ensemble du parti qui s'est ainsi distancé de son électorat chrétien-conservateur. - Au début de l'année, le conflit entre l'aile libérale bernoise de l'UDC et l'aile zurichoise conservatrice dominée par Christoph Blocher a éclaté ouvertement. - Les dissensions qui ont également secoué le parti écologiste quant à la ligne politique à adopter ont tourné à l'avantage des partisans d'une politique pragmatique. - Le parti de la liberté a décidé de recentrer son action sur les questions relatives aux transports individuels et a annoncé à ce titre le lancement de quatre initiatives populaires. - Quatre partis chrétiens-sociaux ont fondé le Parti chrétien-social suisse (PCS).
Parteiensystem
Zu den Sitzanteilen der Parteien auf Exekutiv- und Legislativebene sowie zu den Frauenanteilen vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlen) sowie
anhang_1997.pdf. Siehe auch die verschiedenen Sachkapitel.
Auch im Berichtsjahr herrschte
zwischen den Regierungsparteien in wichtigen Fragen keine Einigkeit, wobei
wechselweise SP und SVP ausscherten. Dies zeigte sich auch bei den Volksabstimmungen: Während sich FDP und CVP in allen Fällen regierungstreu gaben, scherte die SP bei ihrer eigenen Initiative "Für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr" und beim dringlichen Bundesbeschluss zur Arbeitslosenversicherung aus. Die SVP wollte in der Drogenpolitik nichts vom offiziellen Regierungskurs wissen und befürwortete die restriktive Volksinitiative "Jugend ohne Drogen". Ausserdem nahm die SVP als einzige Regierungspartei in der im Berichtsjahr neu aufgelebten Diskussion über eine Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs eine restriktive Position ein. Die SP wiederum wehrte sich als einzige Bundesratspartei gegen Abstriche im Sozialbereich und gegen den vom Bundesrat aufgestellten Fahrplan für die Sanierung der
Bundesfinanzen [1].
Bezüglich der Aufarbeitung der Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs ging zuerst die SP auf Konfrontationskurs: Zu Beginn des Jahres stimmte der SP-Vorstand einer Resolution zu, die den Rücktritt von Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz (fdp) forderte, weil dieser in einem Interview unter anderem Forderungen von jüdischen Kreisen als "Lösegeld-Erpressung" bezeichnet hatte und sich danach nicht ausreichend entschuldigt habe. Die Resolution stiess jedoch nicht nur bei den bürgerlichen Regierungsparteien auf scharfen Protest, sondern auch bei den SP-Sektionen der Westschweiz. Im April kündigte der Bundesrat an, eine Solidaritätsstiftung einrichten zu wollen. Während SP, CVP und FDP die Idee grossmehrheitlich begrüssten, drohte die Zürcher SVP unter Christoph Blocher bereits vor der Konkretisierung des Projekts mit dem Referendum. Später lancierte Blocher ein Gegenprojekt, um die Solidaritätsstiftung zu untergraben.
Insbesondere aufgrund ihrer Haltung im Bereich der bilateralen Verhandlungen warfen SP, CVP und FDP der
SVP vor, "
nicht mehr bündnisfähig" zu sein. Die SVP trug die Verhandlungen im Berichtsjahr offiziell zwar weiterhin mit, gleichzeitig sprach sie sich aber gegen die Aufhebung der 28-Tonnen-Limite bei Lastwagen sowie gegen die Schwerverkehrsabgabe und den freien Personenverkehr aus und drohte mit Referenden. Die FDP mahnte die SVP per Pressedienst, "sich auf ihre einstigen Qualitäten als bürgerliche Partnerin, die Verantwortung übernahm, zu besinnen"
[3].
Sozialdemokratische Partei (SP)
Anfang Februar gab
Peter Bodenmann überraschend seinen
Rücktritt als Parteipräsident bekannt, um für den Walliser Regierungsrat zu kandidieren. In einer selbstkritischen Analyse seiner siebenjährigen Amtszeit bilanzierte Bodenmann, dass die SP zwar zur stärksten Partei geworden sei. Es sei ihr aber nicht gelungen, die Menschen am Rande der Gesellschaft, die Arbeiter und Angestellten mit tiefen Einkommen politisch zu bewegen. Weiter habe sie es verpasst, lebendige Strukturen zu schaffen, in denen die kommende Generation ihre politischen Erfahrungen "im notwendigen Widerspruch zu den herrschenden Zuständen" formen könne; die alt-68er hätten sich von der Parteipolitik weitgehend verabschiedet. Das traditionelle Bündnis zwischen der Linken und den Kulturschaffenden müsse wieder enger geknüpft werden, und das Land benötige dringend ein attraktives linkes Massenblatt
[4].
Nach der Rücktrittsankündigung Bodenmanns begann sich das Kandidatenkarussell rasch zu drehen. Insbesondere die SP-Frauen meldeten ihren Anspruch auf das Parteiamt an, wobei sie ein Kopräsidium forderten. Gleichzeitig führten Parteiexponenten - weitgehend via Medien - eine teils gehässige Diskussion über den Zustand und die künftige Ausrichtung der Partei. Nachdem sich chancenreiche Kandidaten wie Ständerätin Christiane Brunner (GE) oder Nationalrat Franco Cavalli (TI) zurückgezogen hatten, verblieben am Schluss nur der Nationalrat und Biobauer Andrea Hämmerle (GR) und die - erst im letzten Augenblick kandidierende - Zürcher Stadträtin
Ursula Koch. Diese machte Ende Juni an einem Parteitag in Thun als Frau, Städterin und einen neuen Stil versprechende Politikerin klar das Rennen gegen den "Bergler" und Kontinuität garantierenden Hämmerle, obwohl sie keine politische Erfahrung auf nationaler Ebene mitbrachte. Koch kündigte nach ihrer Wahl Grundwertediskussionen in der SP an, versprach der Parteibasis mehr Macht und forderte die Wiederherstellung des Primats der Politik vor der Wirtschaft
[5].
Mit der Wahl Kochs begab sich die
SP fest in Frauenhand; an ihrer Spitze standen neben Koch die Fraktionspräsidentin Ursula Hafner (SH) und die Parteisekretärin Barbara Haering Binder (ZH). Nachdem Haering Binder aber schon bei der Wahl Kochs hatte durchblicken lassen, dass sie Hämmerle bevorzugt hätte, kam es Anfang Dezember zum öffentlichen
Zerwürfnis. Haering Binder gab ihren Rücktritt auf März 1998 bekannt. Der Eklat machte deutlich, dass die SP-Fraktion auch ein halbes Jahr nach der Wahl Kochs noch in ein "Koch"- und ein "Bodenmann/Hämmerle"-Lager gespalten war. Die SP-Frauen Schweiz stellten sich in einer Pressemitteilung hinter ihre Präsidentin
[6].
Neben der Wahl Kochs entschied die SP am Thuner Parteitag, eine Volksinitiative für eine soziale Krankenversicherung zu lancieren. Den Text mit dem Titel "
Gesundheit muss bezahlbar bleiben" verabschiedete sie Ende Oktober zusammen mit dem SGB definitiv. Von der ursprünglichen Idee, die Kopfprämien vollständig durch einen um 8% höheren Mehrwertsteuersatz zu ersetzen, wich sie ab und entschied stattdessen, die Prämien sozial abzustufen, die Kinderprämien ganz abzuschaffen und die Finanzierungslücke durch einen um rund 3,5% erhöhten Mehrwertsteuersatz zu decken. Versicherte mit einem steuerbaren Einkommen von unter 20 000 Fr. sollen keine Prämien mehr bezahlen. Um die Gesundheitskosten zu reduzieren, soll der Bundesrat jährliche Globalbudgets erstellen müssen und die Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung limitieren. Weiter soll er die Spitzenmedizin und die Zulassung der Ärzte beschränken
[7].
Im Juni wurde die von der SP lancierte Volksinitiative "
Für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr" vom Volk mit 77% Nein-Stimmen klar verworfen. Auch der traditionelle SP-Partner, der SGB, hatte die Volksinitiative aus Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen nicht unterstützt. Beim Referendum zum dringlichen Bundesbeschluss über die Arbeitslosenversicherung, das die SP erst spät mitunterstützte, erzielte sie gegenüber den bürgerlichen Parteien jedoch einen Abstimmungserfolg. Um das Thema
"Gen-Schutz-Initiative" - diese wird im Sommer 1998 zur Abstimmung kommen - frühzeitig zu besetzen, fasste der SP-Vorstand bereits im August die Ja-Parole. Die Gesamtpartei ist in dieser Frage aber gespalten. Im Sommer kam ausserdem die von der SP und Friedensorganisationen lancierte Volksinitiative "
Sparen beim Militär und der Gesamtverteidigung - für mehr Frieden und zukunftsgerichtete Arbeitsplätze" zustande, die eine Halbierung des Militärbudgets fordert. Mit Unterstützung der Grünen brachte die SP weiter die Volksinitiative für die Einführung des konstruktiven Referendums zustande
[8].
Angesichts von Unternehmensfusionen, die einerseits explodierende Börsengewinne, andererseits den Abbau von Arbeitsplätzen brachten, aber auch aufgrund von publik gewordenen Steuertricks einiger Reicher forderte die SP im Dezember eine Sondersession für
mehr Steuergerechtigkeit. Weiter verlangte sie die Einführung einer "ergiebigen und griffigen" Kapitalgewinnsteuer per Dringlichkeitsrecht, eine Depotabgabe von 0,1% auf allen verwalteten Vermögen, eine nationale Erbschaftssteuer und eine "echte" Steuerharmonisierung
[9].
Bei den kantonalen Wahlen konnte die SP in allen wählenden Kantonen Sitzgewinne verzeichnen, insgesamt 22, und war damit im Berichtsjahr klare Wahlsiegerin. Im Wallis konnte sie mit Peter Bodenmann ausserdem erstmals in die Regierung einziehen. Im Kanton Genf ist sie nach vierjährigem Unterbruch mit zwei Vertretern erneut in der Regierung vertreten.
Freisinnig-demokratische Partei (FDP)
Parteipräsident Steinegger, aber auch Bundesrat Kaspar Villiger kritisierten im Berichtsjahr offen, dass die FDP auf dem nationalen Parkett nicht als die Kraft erscheine, welche die Schweiz aus ihrer Mehrfachkrise führen könne. Gemäss Villiger tritt die FDP vorwiegend als effiziente Zweckgemeinschaft zur Rettung von Einzelinteressen auf. Steinegger rief zu
mehr Einigkeit und Fraktionsdisziplin auf
[10].
Parteipräsident Franz Steinegger (UR) wurde im August für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt. Die FDP-Frauen wählten anstelle von Franziska Frey-Wettstein (ZH) Sibylle
Burger-Bono (BE) zu ihrer neuen Präsidentin. Zum Nachfolger von FDP-Generalsekretär Christian Kauter wurde der bisherige Delamuraz-Mitarbeiter Johannes
Matyassy gewählt
[11].
Um wirtschaftspolitisch Terrain gutzumachen, präsentierte die FDP 79 Vorschläge zur Verbesserung der
Situation der KMU (kleine und mittlere Unternehmen). Unter anderem will sie sich für weniger Vorschriften, eine unternehmensfreundlichere Bau- und Umweltschutzgesetzgebung und eine vereinfachte Administration der Mehrwertsteuer einsetzen. Eine Zunahme der Lohnnebenkosten als Folge der Sozialleistungen lehnt sie ab. Die FDP bot ausserdem - teilweise gegen den Willen ihres eigenen Bundesrates, Finanzminister Kaspar Villiger - Hand zu Finanzvorlagen, die zusammen
Steuererleichterungen, aber auch Steuerausfälle in Milliardenhöhe bringen könnten. An einer Delegiertenversammlung in Biel sprach sich die FDP im Grundsatz für eine
ökologische Steuerreform bis zum Jahr 2005 aus, namentlich auch, um die Lohnnebenkosten zu senken
[12].
Ausserdem bezog sie
bildungspolitisch Position und plädierte für wieder auf mehr Effizienz und Leistung ausgerichtete Volksschulen, für kürzere Schul- und Studiengänge - so sollen sämtliche Studienrichtungen mit Ausnahme der Medizin nach acht Semestern, die Fachhochschulen nach sechs Semestern abgeschlossen werden - und für arbeitsmarktorientierte Ausbildungen. Schülerinnen und Schüler sollen ab dem zwölften Lebensjahr mit Internet-Anschlüssen versorgt werden. Alle Schulen seien dem Prinzip der wirkungsorientierten Verwaltungsführung zu unterstellen, während die Lehrerschaft privatwirtschaftlich anzustellen und der Leistungslohn einzuführen sei
[13].
Einen "
Umbau statt Abbau der Sozialwerke" postulierte die FDP im Sozialbereich und sprach sich für die Beibehaltung des Drei-Säulen-Prinzips aus. Bei der AHV soll das Rentenalter 65 für Mann und Frau gelten. In der Arbeitslosenversicherung will die Partei das Degressionsmodell, die nach Bezugsdauer abgestuften Leistungen, wieder zum Tragen bringen und eine 30tägige Karenzfrist einführen. Bei der Krankenversicherung soll die Jahresfranchise auf mindestens 600 Fr. angehoben werden. Anstelle der Mutterschaftsversicherung, wie sie der Bundesrat vorsieht, forderte die FDP einen bedürfnisgerechten Mutterschutz, der Frauen bloss eine achtwöchige Lohnfortzahlung nach der Geburt garantiert. Zumindest dieser Punkt war innerhalb der Partei aber umstritten
[14].
Ohne grosse Diskussionen sprachen sich sowohl Gesamtpartei als auch die FDP-Frauen
für den straflosen Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten 14 Wochen aus
[15].
Bei den kantonalen Wahlen büsste die FDP insgesamt sechs Parlamentssitze ein, davon fünf in Neuenburg. In Appenzell Ausserrhoden gab sie ausserdem freiwillig einen Regierungssitz an einen Unabhängigen ab.
Christlichdemokratische Volkspartei (CVP)
Zu Beginn des Jahres wurde Nationalrat
Adalbert Durrer (OW) als Nachfolger von Anton Cottier (FR) erwartungsgemäss und einstimmig zum neuen CVP-Präsidenten gewählt. Rosmarie Zapfl (ZH) wurde als Vizepräsidentin bestätigt und François Lachat (JU) neu zum zweiten Vizepräsidenten gewählt. Neuer Generalsekretär wurde nach dem Rücktritt von Raymond Loretan der Journalist
Hilmar Gernet [16].
An einer Delegiertenversammlung in Luzern stellten die
CVP-Frauen die von der Mutterpartei jahrzehntelang vertretene Ablehnung des Schwangerschafts-abbruchs radikal in Frage, indem sie sich mit 42 zu 4 Stimmen bei 6 Enthaltungen
für eine Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch von 14 Wochen und damit für die parlamentarische Initiative Haering Binder (sp, ZH) aussprachen. Die CVP hatte sich bisher konsequent sogar gegen eine soziale Indikation gewehrt und im Schwerpunktprogramm von 1994 nur die medizinische und juristische Indikation verankert. Die CVP-Frauen kritisierten insbesondere die unterschiedliche Handhabung der Gesetzesbestimmungen in den einzelnen Kantonen und verlangten die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Gleichzeitig forderten sie, dass Verhütungsmittel leicht zugänglich und kassenpflichtig werden müssten. Der Entscheid der innerhalb der Partei zu einer eigenständigen Kraft erstarkten CVP-Frauen stellte die Gesamtpartei vor eine
Zerreissprobe. Sie vertagte die heikle Schwangerschaftsabbruch-Debatte auf eine ausserordentliche Delegiertenversammlung im August und setzte eine von der Solothurner Ständerätin Rosmarie Simmen präsidierte Arbeitsgruppe ein. Diese arbeitete zwei Modelle für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen aus: Während das "Schutzmodell mit Beratungspflicht" den Entscheid nach einer obligatorischen Beratung letztlich der Frau selbst überlassen wollte, hätte das "Indikationenmodell" Abtreibung nur bei einer medizinischen Notlage, nach einer Vergewaltigung oder bei Inzucht erlaubt, wobei eine Fachperson diesen Entscheid getroffen hätte. Nachdem eine Mehrheit der CVP-Bundeshausfraktion das Indikationenmodell unterstützt hatte, entschieden sich die
CVP-Delegierten im August mit 182 zu 91 Stimmen
überraschend für das Schutzmodell. Die CVP-Frauen, deren oberstes Ziel es war, dass der Abtreibungsentscheid letztlich bei der Frau liegt, zeigten sich mit dem Kompromissvorschlag zufrieden. Im November war das CVP-Modell in der vorberatenden Kommission des Nationalrates dann allerdings chancenlos; diese sprach sich für den straflosen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 14 Wochen aus. Damit ist die CVP weiterhin im Dilemma. Immerhin machte der Entscheid der CVP klar, dass sich die Partei
weiter vom konservativ-katholischen Wählersegment löst und die konfessionelle und gesellschaftliche Öffnung, die sie nach den verlorenen Nationalratswahlen 95 ankündigte, ohne Rücksicht auf kurzfristige Wählerverluste auch umsetzen will
[17].
In der zweiten Hälfte des Jahres führte die CVP eine
Befragung zum Thema Europa durch. Die Parteimitglieder sollen sich bis im Januar 1998 zu möglichen Integrationsschritten äussern. Im April 1998 will die CVP an einem Parteitag ihren europapolitischen Kurs festlegen
[18].
Die CVP sprach sich für eine Stabilisierung der Sozialleistungsquote auf dem heutigen Niveau und - wie die FDP - für einen
Umbau des Sozialversicherungssystems aus. Gemäss CVP müssen sich die Sozialwerke künftig auf die Deckung der Grundbedürfnisse ausrichten, dafür könnten noch bestehende Lücken wie die Mutterschaftsversicherung und die Vereinheitlichung der Familienzulagen geschlossen werden. Um soziale Umverteilungen einfacher realisieren zu können, schlug sie die Schaffung eines einzigen Fonds zur Finanzierung aller Sozialversicherungszweige vor, der durch Verbrauchssteuern wie die künftige Spielbankensteuer, eine Energiesteuer oder andere Lenkungsabgaben zusätzlich alimentiert werden soll. Die Erhebung weiterer Lohnprozente lehnte sie ab. Bei der AHV regte die CVP den Übergang zu einer einkommensunabhängigen Einheitsrente an. Für die Arbeitslosenversicherung soll ein Zwei-Säulen-Konzept geprüft werden, das die Grundsicherung (Minimalrente) klar von Ergänzungsleistungen zur Beibehaltung des Lebensstandards trennt
[19].
Eine CVP-Arbeitsgruppe legte ausserdem Massnahmen zur
Senkung der Gesundheitskosten vor, zu deren wichtigsten Forderungen die Plafonierung der Arzthonorare und der Ärztedichte gehören. Die Spitalsubventionen sollen in Fallsubventionen umgewandelt und gemeinwirtschaftliche Leistungen wie Ausbildung oder Notfalldienst über Leistungsaufträge subventioniert werden, womit die automatische Defizitdeckung durch die Kantone wegfallen würde. Im Spitex-Bereich unterstützte die CVP-Arbeitsgruppe einen Leistungsstopp per Notrecht. Als mittel- und langfristige Massnahmen forderte sie mehr Bundeskompetenzen im Bereich Spitalplanung
[20].
Bei den kantonalen Wahlen büsste die CVP insgesamt neun Sitze ein und war damit nach der Freiheits-Partei zweitgrösste Wahlverliererin. Im Wallis und in Genf musste sie ausserdem je einen Regierungssitz an die SP abgeben.
Zur Gründung einer Christlich-sozialen Partei der Schweiz siehe weiter unten (andere Parteien).
Schweizerische Volkspartei (SVP)
In der SVP fand der Kampf zwischen dem liberalen Berner Flügel und dem konservativen Zürcher Flügel unter Christoph Blocher seine Fortsetzung. Insbesondere die Zürcher SVP wehrte sich im Rahmen der Debatte um die
Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg gegen jegliche Schuldanerkennung und Neuschreibung der Geschichte. Im März hielt Blocher eine "Klarstellungs"-Rede zu diesem Thema, welche die Öffentlichkeit stark polarisierte. Bevor der Bundesrat die Idee einer Solidaritätsstiftung überhaupt konkretisierte, drohte die Zürcher SVP ausserdem bereits mit dem Referendum und lancierte eine weitere ihrer umstrittenen Inserate-Kampagnen mit Titeln wie "Das Schweizer Volk erpressen? Und das Volk soll zahlen? Nie, nie, nie". Berner und Graubündner SVP-Volksvertreter gingen auf Distanz zu den Ausführungen Blochers zur Vergangenheit der Schweiz und zeigten sich offen bis zustimmend gegenüber der Stiftungsidee
[21].
Nachdem Blocher in einer weiteren Rede zum "Eizenstat-Bericht" den eigenen Bundesrat Adolf Ogi lächerlich zu machen versuchte und unter anderem den Schriftsteller Adolf Muschg verunglimpfte, übten parteiintern insbesondere die Berner sowie die Graubündner Sektion massive
Kritik am politischen Stil Blochers. Dieser brüskierte die Berner Sektion daraufhin mit einem groben Brief. Die
Berner kündigten schliesslich
einen
pointierteren eigenen Kurs an. Der Konflikt machte jedoch deutlich, dass der Zürcher Einfluss auch in den liberalen SVP-Sektionen zunimmt. Insbesondere auch die Junge SVP Bern schien auf einen klaren "Blocher-Kurs" einzuschwenken
[22].
Um ihre Präsenz in der Westschweiz, wo sie im Vorjahr ihre beiden letzten Regierungssitze verloren hatte, wieder zu verstärken, lancierte die SVP ein monatliches französischsprachiges Parteiorgan, "
Le Pays Romand"
[23].
An einer Delegiertenversammlung in Herisau verabschiedete die Partei ein Positionspapier mit einer ganzen Reihe von Forderungen, die auf eine
härtere Gangart im Asylbereich abzielen. So müsse vor allem die Schweizer Südgrenze durch einen massiven Ausbau des Grenzwachtkorps besser gesichert werden, wenn nötig mit Hilfe der Armee. Gegen Länder, die die Rücknahme ihrer Staatsangehörigen verweigerten, seien diplomatische und handelspolitische Zwangsmassnahmen zu ergreifen, und Gelder aus der Entwicklungshilfe seien nur noch an kooperierende Länder auszubezahlen. Ausserdem forderte die SVP eine Einschränkung der Rechtsmittel im Asylverfahren. Schliesslich schlug sie ein Bundesamt für Migration vor, in welchem das Bundesamt für Flüchtlinge und das Bundesamt für Ausländerfragen aufgehen sollen
[24].
Die SVP sprach sich gegen jede Form von Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch aus. Nicht zuletzt dürfte sie dabei auch an die enttäuschten katholisch-konservativen bisherigen CVP-Wähler insbesondere in der Innerschweiz gedacht haben. Die SVP-Frauen, die sich im Verhältnis 3 zu 1 für die Fristenlösung ausgesprochen hatten, wurden innerhalb der Partei einmal mehr marginalisiert.
Bei den kantonalen Wahlen konnte die SVP auf Kosten der Freiheits-Partei 17 Sitze zulegen. Im Aargau wurde sie damit deutlich stärkste bürgerliche Partei, in Solothurn, wo sie bisher nicht vertreten war, erreichte sie auf Anhieb Fraktionsstärke. In Graubünden verlor die sich dem liberalen Flügel zuzählende SVP jedoch einen Sitz.
Liberale Partei (LP)
François Jeanneret (NE) trat als Präsident der Liberalen Partei zurück. Zu seinem Nachfolger wählte die Partei den Genfer Nationalrat
Jacques-Simon Eggly. Eggly setzt sich für den Beitritt der Schweiz zur EU ein, innenpolitisch vertritt er einen streng föderalistischen Kurs
[26].
Eine im letzten Jahr eingesetzte Arbeitsgruppe "Logos", die Vorschläge zur künftigen liberalen Politik erarbeiten soll, befasste sich in einer ersten Phase mit dem Thema Jugend und verschiedenen Massnahmen im Bildungsbereich. Unter anderem schlug sie die Einführung des Prinzips des
Ausbildungsbonus vor, das Schülerinnen und Schülern den Zugang zu Privatschulen erleichtern soll. Vom Wettbewerb zwischen privaten und staatlichen Bildungsanstalten erhofft sie sich eine Effizienzsteigerung im Bildungsbereich
[27].
Mit 48 zu 35 Stimmen sprach sich die Liberale Partei für die Volksinitiative "Jugend ohne Drogen" und damit für einen
restriktiven Drogenkurs aus. Die Kantonalparteien Basel, Genf und Neuenburg unterlagen damit insbesondere den Waadtländer Vertretern
[28].
Um die bilateralen Verhandlungen zu erleichtern, verlangte die Liberale Fraktion eine Änderung des Verfassungsartikels über den
Alpenschutz (Alpeninitiative), die diesen abschwächen soll
[29].
Bei den kantonalen Wahlen konnten die Liberalen ihre Sitze in Neuenburg und im Wallis verteidigen, verloren aber in Genf vier Parlamentssitze. Ausserdem mussten sie nach einer turbulenten Kandidaten-Ausmarchung gleich zwei ihrer bisher drei Genfer Regierungssitze abgeben.
Grüne Partei (GP)
Hanspeter Thür (AG) gab nach nur zwei Jahren im Amt seinen Rücktritt als Parteipräsident bekannt. Danach brach ein
Disput um die politische Ausrichtung der Partei aus. Exponenten der Zürcher Kantonalpartei warfen der "Realo-Fraktion" um die nationalen Parlamentsmitglieder, zu denen auch Thür gehört, vor, die nur noch "etwas neoliberalere und konservativere Variante der Sozialdemokratie" zu sein. Die Grünen müssten wieder "zur apokalyptischen Kritik der Moderne zurückfinden". Ein ideologischer Bruch zwischen einer Mehrheit der Zürcher und der gesamtschweizerischen Partei hatte sich bereits 1992 abgezeichnet, als die nationale Parteileitung und die Mehrheit der Nationalratsfraktion den EU-Beitritt zu befürworten begann. Auch das Bemühen der nationalen Partei um eine realisierbare Neat schien den Zürchern nach der früheren Neat-Ablehnung unglaubwürdig. Im Juli sistierte die Zürcher Regierungsrätin und frühere GPS-Präsidentin Verena Diener ihre Parteimitgliedschaft bei der Kantonalpartei, um die Frage über Zustand und Stil der Zürcher Sektion aufzuwerfen
[30].
Mit hauchdünner Mehrheit nominierte der Parteivorstand überraschend die auf nationaler Ebene unbekannte Baselbieter Landrätin Esther Maag zur Nachfolgerin Thürs. Der ebenfalls kandidierende Berner Nationalrat und Biobauer Ruedi Baumann, dem insbesondere von der Zürcher Sektion die Etikette des "Berner Establishments" angehängt wurde, und der Tessiner Werner Nussbaumer hatten das Nachsehen. Bei der Delegiertenversammlung Ende Oktober setzten die Grünen dann aber doch auf eine pragmatische Politik und wählten
Ruedi Baumann mit 64 von 108 Stimmen klar zum neuen Präsidenten. Baumann sprach sich für eine bauern- und umweltverträgliche Landwirtschaftspolitik und auch für einen prononciert
proeuropäischen Kurs aus. Der härteste Opponent Baumanns, Felix Müller, trat von seinem Amt als Präsident der Zürcher Grünen zurück, um den Konflikt um die Parteiausrichtung zu entkrampfen
[31].
An einer Delegiertenversammlung zur Zukunft des Sozialstaats wurde der Parteivorstand beauftragt, eine Volksinitiative
für ein existenzsicherndes Grundeinkommen auszuarbeiten. Damit reagierte die GPS einerseits auf eine im Berichtsjahr erschienene Armutsstudie, andererseits auf die zunehmende Überforderung der Städte mit ihren Fürsorgeleistungen. Die Existenzsicherung müsse von der Erwerbsarbeit abgekoppelt und als Bundesaufgabe etabliert werden. Als zusätzliche Finanzierungsquelle wurde eine eidgenössische Schenkungs- und Erbschaftssteuer vorgeschlagen. Die Delegierten beschlossen ferner, die Volksinitiative zur "gerechten Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit" der Gesellschaft für gerechte Arbeitsverteilung aktiv zu unterstützen
[32].
Bezüglich der bilateralen Verhandlungen der Schweiz mit der EU pochten die Grünen auf eine harte Haltung der Schweiz und die konsequente Umsetzung der Alpeninitiative. Andernfalls drohten sie mit dem Referendum. In einer Petition "
gegen die Zulassung von 44-Tönnern in der Schweiz" kritisierten sie den Bundesrat, der auf dem Verordnungsweg die Radialzonen um die Huckepack-Bahnhöfe, in denen die 28-Tonnen-Limite nicht gilt, von 10 auf 30 Kilometer ausgedehnt hatte
[33].
Weiter forderte die Partei in Hinblick auf die Öffnung des Strommarktes in Europa eine
Neuordnung der Elektrizitätswirtschaft und schlug die Einrichtung einer staatlich kontrollierten Strombörse vor, deren Hauptaufgabe die Bündelung der Gesamtnachfrage der Stromverbraucher wäre. Vorrang hätte die umweltfreundliche Stromerzeugung
[34].
Auf Antrag der Freien Grünen Baselbiet verabschiedeten die Grünen eine Resolution gegen
Gentech-Lebensmittel und riefen zum Kaufboykott von Nestlé-Produkten auf, solange diese nicht explizit auf die Lancierung von genmanipulierten Lebensmitteln verzichtet
[35].
Mit Thomas Merkli (BE) wurde erstmals ein Vertreter der Grünen ans
Bundesgericht gewählt
[36].
Bei den kantonalen Wahlen verloren die Grünen in Solothurn zwei Sitze und im Aargau einen Sitz, konnten in Genf aber zwei dazugewinnen. Überraschend konnten sie in Genf mit Robert Cramer ausserdem erstmals in die Regierung einziehen. Damit ist die GP gesamtschweizerisch in drei Exekutiven (GE, VD und ZH) vertreten.
Landesring der Unabhängigen (LdU)
In einem Positionspapier sprach sich der LdU für
lediglich eine Neat-Achse aus. Auf der anderen Achse seien die Bergstrecken zweckmässig auszubauen
[37].
An einem ausserordentlichen Parteitag in Winterthur bekräftigte der LdU seine
europafreundliche Haltung und genehmigte einstimmig ein Positionspapier mit der Forderung, die bilateralen Verträge höchstens als Übergangslösung zu sehen. Nach deren Abschluss seien unverzüglich Beitrittsverhandlungen mit der EU anzustreben
[38].
Bei den kantonalen Wahlen büsste der LdU im Aargau drei Parlamentssitze und damit den Fraktionsstatus ein.
Evangelische Volkspartei (EVP)
Als erste Partei untersuchte die EVP ihre
Rolle während des Zweiten Weltkriegs und rief die anderen Parteien dazu auf, dasselbe zu tun. Für sich selbst zog sie das Fazit, dass sie sich zwar kritisch zum Terror der Nazis geäussert habe, aber doch "staatstreu" geblieben sei insbesondere in bezug auf den Finanzplatz Schweiz
[39].
Weil der Bundesrat nicht zuletzt bei der Diskussion um die Holocaust-Gelder "Führungslosigkeit" an den Tag gelegt habe, forderte die Partei im Rahmen der Bundesverfassungsrevision die Möglichkeit, den Bundesrat durch ein konstruktives
Misstrauensvotum abzuberufen. Desgleichen sollte der Bunderat dem Parlament die Vertrauensfrage stellen können
[40].
Weiter lehnte die EVP Straffreiheit beim
Schwangerschaftsabbruch generell ab und kündigte an, ein allfälliges Referendum gegen eine wie auch immer geartete Fristenlösung zu unterstützen. Das CVP-Schutzmodell mit Beratungspflicht lehnt sie als Etikettenschwindel ab
[41].
Bei den kantonalen Wahlen konnte die EVP im Aargau ihre acht Parlamentssitze verteidigen.
Partei der Arbeit (PdA)
Im Frühjahr lancierte die PdA eine
Volksinitiative "für einkommens- und vermögensabhängige Krankenkassenprämien". Gemäss Text soll der Bund mindestens 50% der jährlichen Versicherungskosten decken; die dafür erforderlichen Finanzen seien mindestens zur Hälfte durch Unternehmen (v.a. Banken) aufzubringen. Ausserdem ergriff die PdA zusammen mit zwei Westschweizer SP-Kantonalsektionen das
Referendum gegen vier Gesetze zur
Liberalisierung und Teilprivatisierung im Post- und Telekommunikationsbereich. Die Partei argumentierte, dass das enorme Vermögen der PTT nicht an Private verscherbelt werden dürfe. Sie brachte die erforderlichen Unterschriften jedoch nicht zusammen
[42].
Die PdA konnte ihre in den letzten Jahren neugewonnene Stärke in der Westschweiz verteidigen. Bei den kantonalen Wahlen gewann sie in Neuenburg zwei Sitze hinzu. In Genf verlor die Linksallianz/Alliance de Gauche, der die PdA zugehört, zwei Sitze.
Freiheits-Partei (FPS)
Spätestens nach massiven Sitzverlusten bei den Wahlen im Kanton Aargau im März besann sich die Freiheits-Partei auf ihr Kerngeschäft, auf das Lobbying für automobile Bürger, zurück. Unter dem Motto "
Kampf dem Stau" beschloss sie an einem Parteitag im Mai, gleich vier verkehrspolitische Volksinitiativen zu lancieren. Mit der ersten Initiative soll die Umsetzung der vom Volk beschlossenen Alpeninitiative verhindert werden. Zwei weitere fordern eine zweite Strassentunnelröhre durch den Gotthard sowie den Ausbau der A1 zwischen Bern und Zürich auf sechs Spuren. Mit einer vierten Initiative soll das Beschwerderecht der Verbände in Sachen Umwelt- und Naturschutz sowie Raumplanung abgeschafft und der Gang vor Bundesgericht nur noch einzelnen Beschwerdeführern ermöglicht werden. Die in den letzten Jahren erfolgte Konzentration auf die Themen Asyl und Ausländer bezeichneten der Gründer der Partei, Nationalrat Michael Dreher (ZH), und Parteipräsident Roland Borer (SO) als Fehler. Mit der
Themenrückkehr auf die drei "A" - Ausgaben, Abgaben und Auto - will sich die Freiheits-Partei auch klarer gegen die Schweizer Demokraten und den Zürcher Flügel der SVP abgrenzen
[43].
Parteipräsident
Roland Borer kündigte Ende Jahr seinen Rücktritt auf Mai 1998 an
[44].
Um die Gesundheitskosten zu senken, sprach sich der Parteiausschuss für eine
Radikalkur im Gesundheitswesen aus. So sollen öffentliche Spitäler und stationäre Pflegeeinrichtungen privatisiert und die Universitätsspitäler sowie die dazugehörigen medizinischen Hochschulfakultäten auf zwei Standorte konzentriert werden. Den Gesetzgeber will sie verpflichten, die kassenpflichtigen Leistungen abzubauen und einen Leistungskatalog für medizinische Behandlungen in Spitälern auszuarbeiten. Die Ärztedichte soll mittels eines Numerus clausus beim Medizinstudium reduziert werden. Weiter verlangte die FPS für Personen mit besonderem Status (Asylsuchende und Flüchtlinge) eine eigene, selbsttragende Bundeskranken- und Unfallversicherung
[45].
Bei den kantonalen Wahlen büsste die FPS neben 15 Sitzen in ihrer einstigen Hochburg Aargau drei Sitze in Solothurn ein und verlor in beiden Kantonen den Fraktionsstatus. Damit fuhr sie wie bereits im Vorjahr die grössten Sitzverluste aller Parteien ein.
Lega dei Ticinesi
Die Volksinitiative "
EU-Beitrittsverhandlungen vors Volk" von Lega und den Schweizer Demokraten wurde im Berichtsjahr vom Volk klar abgelehnt. Die von der Lega lancierte Volksinitiative "für eine volksnahe Mehrwertsteuer" kam gar nicht erst zustande
[46].
Schweizer Demokraten (SD)
Die Schweizer Demokraten brachten ihre vor den Nationalratswahlen 1995 lancierte Volksinitiative "
Masshalten bei der Einwanderung!" nicht zustande. Sie wollten den Grundsatz in die Verfassung schreiben, dass die jährliche Einwanderung das Ausmass der Auswanderung des Vorjahres nicht übersteigen darf
[47].
Bei den kantonalen Wahlen gewannen die Schweizer Demokraten im Aargau überraschend vier Sitze hinzu und erreichten damit wieder Fraktionsstärke.
Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU)
Der einzige Nationalrat und Mitbegründer der EDU, Werner Scherrer (BE), trat aus dem Nationalrat zurück und liess sich durch
Christian Waber ersetzen, der seit 1995 Präsident der EDU Schweiz ist
[48].
Einer 1995 mit 88 000 Unterschriften eingereichten Petition "Für die Förderung gesunder Familien und
gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare" der EDU gab der Ständerat keine Folge. Nur die Forderung, die Grundzellen des Staates (Ehe, Familie und Kinder) seien zu schützen, überwies er dem Bundesrat zur Kenntnisnahme
[49].
Bei den
kantonalen Wahlen konnte die EDU im Aargau mit einem Sitz neu ins Parlament einziehen
[50].
Andere Parteien
Wie im letzten Jahr angekündigt, gründeten die CSP-Kantonalparteien Freiburg und Jura sowie die freie CSP des Kantons Luzern und die freie CSP der Stadt Zürich eine von der CVP unabhängige
Christlich-soziale Partei der Schweiz (CSP). Prominenteste Mitglieder der neuen Partei, die von einem vierköpfigen Gremium geleitet wird, sind der Nationalrat Hugo Fasel (FR) und der Zürcher Stadtrat Willy Küng. Die CSP will sich links von der CVP mit christlichem Hintergrund für sozial und ökologisch ausgerichtete politische Lösungen einsetzen. Die
CVP zeigte sich
verärgert über den Namen der neuen Partei, da es eine CSP bereits innerhalb der CVP gibt, der 14 kantonale Gruppierungen angehören (u.a. auch eine CSP Luzern). Von einer "Abspaltung" mochte sie nicht sprechen, da diese vier Parteien schon bisher ausserhalb der CVP gestanden hätten
[51].
Im Januar löste sich als letzte verbleibende Sektion der Progressiven Organisationen Schweiz (
POCH) die Progressive Organisation Basel (POB) auf. Diese hatte ihre Auflösung zwar bereits 1993 beschlossen, doch wollte die zuletzt noch sechsköpfige Progressive Grossratsfraktion die Legislaturperiode noch zu Ende führen. Entstanden war die anfänglich marxistisch-leninistisch orientierte POB 1970 im Nachgang zu den weltweiten Studentenunruhen. Von Basel aus wurde auch die POCH gegründet (1972) und aufgebaut. 1984 wurde die POB zur drittstärksten Partei in Basel
[52].
Die einzige
FRaP!-Vertreterin (Frauen Macht Politik!) im Nationalrat, Christine Goll, verliess die Frauengruppierung, weil sie ihr auf nationaler Ebene keine Chancen mehr einräumte. Im Nationalrat gehörte Goll bereits bisher der SP-Fraktion an
[53].
Weiterführende Literatur
Armingeon, K., / Freitag, M., Deutschland, Österreich und die Schweiz. Die politischen Systeme im Vergleich, Opladen 1997.
Brändle, M., Ideologien im Wandel? Eine Analyse der Wahlprogramme der Schweizer Parteien FDP, CVP, SVP und SPS 1947-1995, Bern (Institut für Politikwissenschaft) 1997.
Geser, H., "The Persistence of Confessional Political Cultures in Switzerland: Some Puzzling Empirical Evidence from Local Parties", in Schweizerische Zeitschrift für politische Wissenschaft, 3/1997, Nr. 2, S. 1 ff.
Helms, L., "Right-wing populist parties in Austria and Switzerland: A comparative analysis of electoral support and conditions of success", in West European Politics, 20/1997, Nr. 2, S. 37 ff.
Ladner, A., "Die Schweizer Lokalparteien - Eckpfeiler der politischen Stabilität", in Schweizerische Zeitschrift für Soziologie, 23/1997, S. 165 ff.
Ladner, A. / Brändle, M., Does Direct Democracy matter for Political Parties? An Empirical Test in the Swiss Cantons, Bern (Institut für Politikwissenschaft) 1997.
Schloeth, D., The Greens and the Car Party: Switzerland - The Only Political System with a New Party at Both Ends of the Postmaterialist Axis, Paper for the European Consortium for Political Research Joint Sessions of Workshops (ECPR), Oslo 1996.
Grünes Bündnis Bern, 10 Jahre bewegt. Grünes Bündnis 1987-1997, Bern 1997.
Longchamp, C. / Rickenbacher, A., Aktive Werbung: möglich und nötig! Studie über die heutige und zukünftige Mitgliederstruktur von SP-Kantonalparteien, Bern 1997.
Macaluso, P., Storia del Partito socialista autonomo: cultura politica, strategie, strutture, Locarno 1997.
Rauber, A., Histoire du mouvement communiste suisse, du XIXe siècle à 1943, Genève 1997.
, Widerspruch, Nr. 34, Zürich 1997.
[1] Vgl. die Tabelle
Abstimmungsparolen 1997 am Ende dieses Kapitels; Presse vom 9.12.97 (Bundesfinanzen).1
[3]
BZ, 6.6. und 15.7.97.3
[4] Presse vom 3.2. (Rücktritt) und 4.2.97 (Analyse). Vgl. auch ein Interview mit A. Gross zu Bodenmann und dem Zustand der SP, in
Bund, 8.2.97.4
[5] Presse vom 4.2.97;
TA, 22.3.97; Presse vom 21.5.97 (Kandidatensuche);
TA, 12.2.97 (SP-Schlagabtausch); Presse vom 30.6.97 (Wahl Kochs). Die SP-Frauen setzten ihre Forderung nach einem Co-Präsidium auch selbst um: Als Nachfolgerinnen von Margrith von Felten (BS) wählten sie Jacqueline Fehr (ZH) und Véronique Pürro (GE) gemeinsam ins Präsidentinnenamt der SP-Frauen (Presse vom 3.3.97).5
[6] Presse vom 3.12.97;
Ww, 4.12.97;
NZZ, 8.12.97;
SoZ, 14.12.97.6
[7]
TA, 30.6.97; Presse vom 25.10.97. Vgl.
SPJ 1996, S. 359.7
[8] Presse vom 9.6. (Kriegsmaterial), 25.8. (Genschutz) und 29.9.97 (ALV);
NZZ, 17.6.97 (Militär, Volksvorschlag).8
[9]
TA, 18.12.97. Im Januar 1998 hielt das Parlament eine halbtägige Sitzung zum Thema Steuern ab, zur geforderten Sondersession kam es nicht. Zu den steuerpolitischen Vorstellungen anderer Parteien siehe oben, Teil I, 5 (Direkte Steuern).9
[10]
NZZ, 25.3.97;
TA und
Bund, 18.8.97.10
[11] Presse vom 19.4. (Matyassy), 2.6. (Burger) und 16.8.97 (Steinegger).11
[12]
NZZ, 28.2.97;
TA, 18.8.97. Vgl. auch oben, Teil I, 5 (Direkte resp. Indirekte Steuern).12
[13] Presse vom 21.4.97. Vgl. das FDP-Positionspapier
Schwungrad für den Aufschwung, Bern 1997. Im Rahmen des Investitionsprogrammes des Bundes forderte die FDP 100 Mio Fr. für Sofortmassnahmen im Bildungsbereich, drang damit aber nur teilweise durch.13
[14] Presse vom 18.8.97. Vgl. das FDP-Positionspapier
Rettung der Sozialwerke, Bern 1997.14
[15]
NZZ, 2.6. und 20.8.97.15
[16] Presse vom 18.1., 20.1. (Präsidium) und 30.6.97 (Gernet).16
[17] Presse vom 14.4., 21.4. und 25.8.97;
NZZ, 17.4.97;
BZ, 19.11.97. Vgl. dazu auch oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik).17
[18] Vgl. auch den Artikel des abtretenden CVP-Generalsekretärs Raymond Loretan, "Die CVP am 'point of no return' - Für eine konsequente Öffnung in Richtung Europa", in
NZZ, 8.9.97.18
[19]
NZZ und
SGT, 5.7.97. Vgl. das CVP-Positionspapier
Zukunft der sozialen Sicherheit in der Schweiz, Bern 1997. Zu einer Motion der CVP-Fraktion für eine generelle Familienverträglichkeitsprüfung bei Rechtsetzung und staatlichem Handeln siehe oben, Teil I, 7d (Familienpolitik).19
[20] Presse vom 27.5.97.20
[21]
BüZ, 4.3.97;
Ww, 10.3.97;
BZ, 11.3.97. Zur Debatte um die Schweiz im Zweiten Weltkrieg vgl. oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen) und 4b (Banken).21
[22]
BZ, 9.7., 18.7. und 19.7.97;
BüZ, 15.7.97;
NZZ, 21.7.97;
TA, 23.7.97. Zu einer im Berichtsjahr vom Vizepräsidenten der Jungen SVP Bern geplanten Volksinitiative, welche die Todesstrafe wieder einführen wollte, gingen die SVP (Schweiz und Bern) wie auch die nationale Junge SVP allerdings klar auf Distanz (
TA und
BZ, 25.4.97).2
[23]
JdG und
Bund, 4.2.97.23
[24] Presse vom 20.10.97. Vgl. das SVP-Positionspapier
Asylpolitik. Effektiv und glaubwürdig, Bern 1997.24
[26] Presse vom 28.4.97. Zu Vizepräsidenten für die Amtszeit 1997-2001 wurde für die Deutschschweiz Elisabeth Simonius (BS) und für die Westschweiz Staatsrat Claude Ruey (VD) gewählt.26
[27] Presse vom 28.4.97.27
[28]
24 Heures und
NZZ, 11.9.97.28
[30] Rücktritt: Presse vom 26.5.97. Zum Parteidisput:
TA, 7.6.97;
SoZ, 6.7.97;
NZZ, 7.7.97;
TW, 4.9. und 5.9.97.30
[31] Presse vom 15.9. (Nomination) und 27.10.97 (Wahl);
NZZ, 28.10.97 (Müller).31
[32] Presse vom 3.2.97.32
[33] Presse vom 1.9.97.33
[34] Presse vom 22.10.97. Vgl. das GPS-Positionspapier,
Die Öffnung des Strommarktes in der Schweiz, Bern 1997.34
[35] Presse vom 3.2.97.35
[38] Presse vom 27.10.97.38
[42]
SGT, 23.4.97 (Initiative);
TW, 16.5.97;
NZZ, 24.7.97.42
[43]
TA, 3.5.97;
SoZ, 4.5.97; Presse vom 5.5.97;
AZ, 29.7.97.43
[44]
AZ und
NZZ, 24.12.97.44
[46] Presse vom 9.6.97.46
[49]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 702 f.49
[50] Erstmals konnte die EDU bzw. Union démocratique fédérale (UDF), die in der Westschweiz in den Kantonen FR, GE und NE mit Sektionen vertreten ist, in zwei kommunalen Parlamenten (Yverdon und Vallée de Joux, beide VD) Einsitz nehmen (
NQ, 29.10.97).50
[51] Presse vom 23.6.97. Vgl.
SPJ 1996, S. 367. Im Wallis trat der welsche christlich-soziale Flügel der CVP aus der Kantonalpartei aus und formierte sich als Parti chrétien-social du Valais romand (PaCS). Er beantragte Mitgliedschaft sowohl bei der CVP als auch der CSP Schweiz (
24 Heures und
NF, 18.10.97).51
[52]
NZZ, 16.1.97;
Bund, 17.1.97;
TA, 18.1.97. Vgl.
SPJ 1993, S. 324.52
[53]
NZZ, 27.2.97;
WoZ, 28.2.97.53
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