Année politique Suisse 1997 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
 
Grundrechte
Das seit anfang 1995 geltende Antirassismusgesetz führt nach Ansicht eines Teils der bürgerlichen Nationalräte bei den Gerichten zu Auslegungsschwierigkeiten und bewirke damit nicht nur Rechtsunsicherheit, sondern bedrohe auch das Recht auf freie Meinungsäusserung. Eine von 17 Freisinnigen und 23 SVP-Politikern mitunterzeichnete Motion von Nationalrat Gusset (fp, TG) forderte deshalb eine Teilrevision. Der Vorstoss verlangt, dass die Bestimmungen namentlich bezüglich "Propagandaaktionen" präziser gefasst werden und die Vorsätzlichkeit stärker gewichtet wird. Der Bundesrat empfahl, die im Berichtsjahr noch nicht behandelte Motion abzulehnen [1].
Das Urteil eines Schaffhauser Gerichtes gegen Emil Rahm wegen Verbreitung eines Buches, welches antisemitische Aussagen enthält, führte zu einer Petition des zu einer Busse von 5000 Fr. Verurteilten an die Bundesversammlung. Er verlangte darin eine Ergänzung des Antirassismusgesetzes für dessen Auslegung bei Klagen gegen Verleger und Buchhändler. Insbesondere forderte er, in diesen Fällen auch die Gesinnung des Angeklagten miteinzubeziehen und - bei nicht rassistischer Gesinnung - diesen für den Vertrieb von gerichtlich nicht verbotenen Büchern nicht zu bestrafen. Der Ständerat sah jedoch keinen Anlass, das Gesetz in diesem Sinne zu präzisieren. Der Schweizerische Buchhändler- und Verlegerverband erkannte allerdings ebenfalls Probleme bei der Auslegung der neuen Strafnorm, welche bereits mehrmals zur Verurteilung von Buchhändlern geführt hatte. Er beschloss deshalb, ein juristisches Gutachten in Auftrag zu geben. In der Westschweiz führte die erstinstanzliche Verurteilung eines Buchhändlers, der ein antisemitische Passagen enthaltendes Buch des französischen Philosophen Garaudy vertrieben hatte, zu einer grundsätzlichen Diskussion über die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch das Antirassismusgesetz [2].
Die 1995 auf der Grundlage des Antirassismusgesetzes eingesetzte Eidgenössische Kommission gegen Rassismus lancierte im Sommer eine breite Inserat- und Plakataktion gegen rassistische und antisemitische Vorurteile und Diskriminierungen [3].
 
[1] Verhandl. B.vers, 1997, IV, Teil II, S. 111; TA, 30.9.97. Für eine Zusammenstellung rassistischer und antisemitischer Vorfälle in der Schweiz im Jahre 1996 (insgesamt 61) siehe WoZ, 7.2.97. Vgl. auch Lit. Stutz.1
[2] Rahm: NZZ, 21.3.97 (Verurteilung); Amtl. Bull. StR, 1997, S. 1372 f. Gutachten: TA, 22.10.97. Westschweiz: NQ, 19.8. und 1.-3.12.97; 24 Heures, 9.12.97; Ww, 11.12.97; JdG, 17.12.97. Zur strafrechtlichen Problematik der Berichterstattung über rassistische Aussagen und deren Zitierung in den Medien siehe Lit. Hänni.2
[3] Presse vom 10.7.97. Zum Antisemitismus siehe auch oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen).3