Année politique Suisse 1997 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires / Regierung
In einem Bericht über die amtliche Informationstätigkeit in Krisenlagen kam die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK) zum Schluss, dass Bundesrat und Bundesverwaltung die Information in Krisensituationen nicht oder nur mit Mühe beherrschten. Vor allem bei departementsübergreifenden Problemen seien Personen und Organisationsstruktur überfordert, und die Früherkennung von Themen mit informationspolitischer Brisanz funktioniere schlecht. Die GPK hatte die behördliche Information in drei konkreten Fällen untersuchen lassen: die Reaktion auf ein vom US-Senator D'Amato veranstaltetes Hearing zu einem Abkommen der Schweiz mit Polen aus dem Jahre 1949 bezüglich nachrichtenloser jüdischer Guthaben, den Fall des der Korruption verdächtigten Generalstabsobersten Nyffenegger und die Mutmassungen über die Übertragbarkeit des sogenannten Rinderwahnsinns auf den Menschen.
Um die Informationstätigkeit zu verbessern, reichte die GPK eine parlamentarische Initiative für ein
Bundesratssprecheramt ein, das gegenüber den Informationsbeauftragten der Departemente weisungsberechtigt wäre. Da es namentlich auch die Aufgabe dieser Stelle wäre, Informationsflüsse innerhalb der Bundesverwaltung zu öffnen, könnte sie zudem als informationspolitisches Frühwarnsystem für den Bundesrat wirken. Eine weitere Aufgabe würde darin bestehen, den Bundesrat informationspolitisch zu beraten und in der Öffentlichkeit zu vertreten. Die GPK anerkennt in ihrem Bericht, dass diese letzte Aufgabe heute in Ansätzen bereits von Vizebundeskanzler Casanova wahrgenommen wird; sie müsste ihrer Meinung nach aber klarer umrissen und der Posten mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden. Mit einer Motion verlangte die GPK ausserdem bis Ende 1998 die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung des
Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung
[22].
Drei weitere in diesem Bericht formulierte Vorstösse der GPK überwies der Nationalrat bereits in der Herbstsession. Es handelte sich dabei um eine Motion und zwei Postulate. Die Motion fordert eine Gesetzesgrundlage, damit in ausserordentlichen Situationen dem
Bundespräsidium die Führung der Information übertragen wird. Das eine Postulat verlangt eine generelle Überprüfung der Informationsstrukturen in der Bundesverwaltung. Das andere fordert den Bundesrat zu mehr Transparenz bezüglich seiner Entscheidfindung auf, um Indiskretionen über abweichende Meinungen künftig zu vermeiden
[23].
In seiner vor der Publikation dieses GPK-Berichts gegebenen Antwort auf eine Dringliche Interpellation der CVP-Fraktion hatte der
Bundesrat die Meinung geäussert, dass ein spezielles Organ zur Bewältigung von Krisen nicht erforderlich sei. Wichtig sei hingegen eine bessere Koordination der entscheidvorbereitenden Handlungen und Informationen. In der Debatte zum Geschäftsbericht während der Sommersession gab Bundespräsident Koller bekannt, dass die Regierung beabsichtige, noch im laufenden Jahr
Sofortmassnahmen zu realisieren. Dazu würde insbesondere ein zentrales Frühwarnsystem gehören, das den Gesamtbundesrat rechtzeitig über auftauchende Krisensituationen informieren könnte. Weiter soll in Lagen, in denen der Bundesrat unter Zeitdruck handeln muss, das übliche Entscheidvorbereitungsverfahren (Ämterkonsultation, Mitberichtsverfahren) gestrafft und die Kommunikation mit der Öffentlichkeit zentralisiert werden. Im September unternahm der Bundesrat den ersten Schritt zur Umsetzung dieser Ideen. Er beschloss, dass die Bundeskanzlei von den Departementen über laufende Ereignisse und Erkenntnisse informiert werden muss, und dass der Bundesrat die Zentralisierung der Informationstätigkeit bei der Bundeskanzlei oder dem Informationsdienst eines Departementes beschliessen kann
[24].
[22]
BBl, 1997, III, S. 1568 ff.; Presse vom 31.5.97.22
[23]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2223 (Motion) und 2242 (Postulate);
Bund, 16.12.97.23
[24]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 337 f. (Interpellation) und 1034 f. (Geschäftsbericht);
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 449 f.;
Bund und
NZZ, 4.9.97 (Konkretisierung).24
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