Année politique Suisse 1997 : Economie / Politique économique générale / Strukturpolitik
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Tourismus
Das Parlament verabschiedete einen auf fünf Jahre befristeten Bundesbeschluss über die Förderung von Innovation und Zusammenarbeit im Tourismus. Im Ständerat blieben die beiden Freisinnigen Büttiker (SO) und Schoch (AR) mit ihrer ordnungspolitischen Kritik an dieser Staatsintervention allein. Der Rat hiess den Beschluss mit einigen Detailkorrekturen gut. Die nationalrätliche Kommission beantragte zwar ebenfalls Zustimmung, drückte aber doch gewisse Vorbehalte ordnungspolitischer Natur sowie Skepsis gegenüber der Wirksamkeit der Massnahmen angesichts der geringen zur Verfügung stehenden Mittel (18 Mio Fr. verteilt auf fünf Jahre) aus. Ihr aus dieser Skepsis heraus formulierter Antrag, den grössten Teil des Kredits auf die Unterstützung einiger weniger Projekte zu konzentrieren, wurde mit 88 zu 51 Stimmen angenommen und fand in der Differenzbereinigung auch die Zustimmung der kleinen Kammer [28].
Ende Februar legte der Bundesrat seine Botschaft zu einem Gesetz über das Glücksspiel und über die Spielbanken vor. Als oberstes Ziel dieser Gesetzgebung werden in dieser Botschaft die Verhinderung von Kriminalität und sozial schädlichen Auswirkungen in Zusammenhang mit Geldspielen bezeichnet. Die Belebung des Tourismus und die Erschliessung neuer Einnahmequellen für den Bund zugunsten der AHV/IV - welche gemäss Vox-Analyse für die Stimmbürger die Hauptargumente für die 1993 erfolgte Aufhebung des Spielbankenverbots waren - werden nur als zweitrangige Ziele bezeichnet. Das neue Gesetz regelt generell das Glücksspiel (soweit es nicht vom Bundesgesetz über Lotterien und gewerbsmässige Wetten erfasst ist). Es formuliert dazu insbesondere Vorschriften über die Konzessionierung, den Betrieb und die Besteuerung von Spielbanken sowie die Zulassung von Geldspielautomaten. Wie im Vernehmlassungsentwurf vom Herbst 1996 vorgesehen, möchte der Bundesrat zwischen zwei Kategorien von Spielbanken unterscheiden: solchen mit einem umfassenden Angebot an Tischspielen und Spielautomaten mit hohen Einsätzen (Kategorie A) und solchen, welche wie die heutigen Kursäle nur Boule- und Roulettespiele sowie Spielautomaten mit niedrigen Einsätzen und Gewinnmöglichkeiten anbieten (Kategorie B). Ausserhalb von Spielbanken sollen die Glücksspiele um Geld verboten sein. In der Kompetenz der Kantone blieben demnach nur noch Spielautomaten, bei denen die Gewinnmöglichkeiten nicht vom Glück, sondern von der Geschicklichkeit der Spieler abhängen.
Die Standort- und Betriebskonzession für Spielbanken beider Kategorien wird laut Botschaft vom Bundesrat erteilt, wobei für die Kategorie A im Gesetz eine Höchstzahl festgelegt wird. Für eine Konzessionserteilung müssen bestimmte Vorschriften erfüllt werden. So muss insbesondere Transparenz in bezug auf Trägerschaft und Herkunft der investierten Mittel herrschen. Im weiteren haben die Betreiber ein Sicherheits- und Sozialkonzept zur Bekämpfung von Kriminalität und von sozial schädlichen Auswirkungen auf die Spieler vorzulegen und zu realisieren.
Der Entwurf sieht vor, dass der Bundesrat die für die AHV/IV zweckgebundene Spielbankensteuer zwischen minimal 60% und der verfassungsmässigen Höchstgrenze von 80% des Bruttoertrags (Differenz zwischen den Spieleinsätzen und den ausbezahlten Gewinnen) selbst festlegen kann. Für neue Spielbanken soll während vier Jahren ein auf 40% reduzierter Satz möglich sein. Falls die Standortkantone für Spielbanken der Kategorie B selbst eine Bruttospielabgabe einziehen, reduziert sich die eidgenössische Abgabe um maximal 30%. Für diese Betriebe soll der vom Bundesrat festgelegte Steuersatz auch reduziert werden können, wenn ihr Ertrag zu einem guten Teil entweder gemeinnützigen oder öffentlichen Zwecken zukommt, oder wenn die Standortregion stark von saisonalem Tourismus geprägt ist [29].
Damit war der Bundesrat in einigen Punkten auf die Kritik der Kantone in der Vernehmlassung von 1996 eingegangen. So hat er insbesondere darauf verzichtet, bei der Besteuerung den Maximalsatz von 80% - der von einigen Kantonen als prohibitiv bezeichnet worden war - automatisch in Anwendung zu bringen; zudem beteiligte er die Kantone an den Abgaben der Spielbanken der Kategorie B. Diese letztere Konzession bildete politisch gesehen den Preis für die Unterstellung der bisher in die Kompetenz der Kantone fallenden Glücksspielautomaten unter das neue Gesetz [30]. Zum Entwurf selbst fielen erste Reaktionen der FDP und der SVP negativ aus; sie kritisierten neben der zu detaillierten Regulierung namentlich die Absicht, die Zahl der Spielbanken der Kategorie A auf sieben zu beschränken. Während Tourismuskantone die vorgeschlagenen Steuersätze immer noch als zu hoch empfanden, verlangte die SP, dass diese möglichst nahe beim verfassungsmässigen Höchstsatz von 80% liegen sollten [31].
Als Erstrat befasste sich der Ständerat in der Wintersession mit dem Geschäft. In der Eintretensdebatte wiesen mehrere Kommissionsmitglieder darauf hin, dass die Fassung des Bundesrates mit den Abänderungsanträgen der Kommission das Optimum sei, was sich im Rahmen des 1993 vom Volk gutgeheissenen Verfassungsartikels realisieren lasse. In der Detailberatung nahm der Rat eine Namensänderung vor, indem er im Gesetz die technischen Bezeichnungen "Spielbanken der Kategorien A und B" ersetzte durch die Namen "Grands Casinos" und "Kursäle". In materieller Hinsicht beschloss er auf Antrag seiner Kommission, die in den Kursälen erlaubten Tischspiele nicht wörtlich zu nennen (Boule und Roulette), sondern maximal drei zuzulassen. Er strich ferner die vom Bundesrat vorgeschlagene Höchstzahl von sieben Konzessionen für "Grands Casinos", allerdings nicht, weil er vom Bundesrat mehr Konzessionen erwartet, sondern auch, um ihn vom Druck zu entlasten, diese Höchstzahl voll auszuschöpfen. Bei den sozialen Schutzbestimmungen beschloss der Ständerat strengere Regeln. Er erhöhte die Alterslimite für die Zutrittsberechtigung von 18 auf 20 Jahre und schrieb vor, dass eine Identitätsüberprüfung auch bei Spielern an räumlich von den Tischspielen getrennten Spielautomaten vorzunehmen ist. Bei den Massnahmen zum Schutz vor kriminellen Aktivitäten strich er die Vorschrift, dass die Spielbanken nur Schweizer Währung annehmen dürfen mit dem Argument, dass dies eine unnötige Schikane sei, da die Spielbanken ja ohnehin der neuen Gesetzgebung über die Geldwäscherei im Finanzbereich unterstehen würden.
Bei der Besteuerung der Spielbanken erweiterte der Ständerat den Spielraum der Regierung, indem er den normalen Minimalsatz von 60% auf 40% und den für das erste Betriebsjahr möglichen reduzierten Sondersatz von 40% auf 20% senkte. Ein Antrag Maissen (cvp, GR), dass der Bundesrat die Abgabesätze für Kursäle in stark von saisonalem Tourismus abhängigen Regionen nicht nur um 30%, sondern um die Hälfte kürzen kann, unterlag mit 19 zu 10 Stimmen. Hingegen setzte sich ein Antrag durch, der es den Kantonen mit einer eigenen Spielbankenabgabe erlaubt, von den Kursälen maximal 40% und nicht bloss 30% des Bruttospielertrags einzuziehen und den Bundesertrag entsprechend zu schmälern. Auch bei den Bestimmungen über die vom Bundesrat als Aufsichtsgremium einzusetzende Spielbankenkommission verstärkte der Ständerat die Position der Kantone, indem er explizit festhielt, dass eines der fünf bis sieben Mitglieder auf Vorschlag der Kantone ernannt wird. Schliesslich beschloss er auch noch eine Übergangsbestimmung für die mit dem neuen Gesetz lediglich in konzessionierten Spielbanken zugelassenen Glücksspielautomaten, die in einigen Kantonen heute in Restaurants und anderen Lokalen aufgestellt sind. Sofern diese vor dem 31. Dezember 1997 in Betrieb waren, sollen die Kantone sie bis zu einer Höchstzahl von fünf Automaten je Etablissement während weiteren fünf Jahren zulassen dürfen. In der Gesamtabstimmung passierte das neue Gesetz mit 23 zu einer Stimme [32].
 
[28] Amtl. Bull. StR, 1997, S. 162 ff., 728 und 1025; Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1120 ff. und 2329 f.; BBl, 1997, IV, S. 812 ff.; Presse vom 12.3. und 12.6.97; BüZ, 17.5. und 24.9.97; Siehe SPJ 1996, S. 112. Siehe auch P. Keller / K. Koch, "Neue Tourismuspolitik", in Die Volkswirtschaft, 70/1997, Nr. 8, S. 12 ff.28
[29] BBl, 1997, III, S. 145 ff. Vgl. SPJ 1996, S. 112. Zur Volksabstimmung siehe Vox, Analyse der eidgenössischen Volksabstimmungen vom 7. März 1993, Zürich 1993 sowie SPJ 1993, S. 103 f.29
[30] Zur Vernehmlassung siehe NZZ, 18.1.97.30
[31] Presse vom 28.2.98. Vgl. auch die Kritik an der "Überregulierung" von NR Bosshard (fdp, ZH) in AZ, 15.8.97.31
[32] Amtl. Bull. StR, 1997, S. 1295 ff. und 1308 ff. Der StR beschloss, einer im Vorjahr vom Kanton Tessin vorgelegten Standesinitiative für die rasche Vorlage eines Spielbankengesetzes keine Folge zu geben, da sie gegenstandslos geworden war (Amtl. Bull. StR, 1997, S. 1309 f.).32