Année politique Suisse 1997 : Chronique générale / Finances publiques / Direkte Steuern
In den letzten Jahren hat die Schweiz für Holdinggesellschaften an Attraktivität eingebüsst, und es kam zu diversen Auslagerungen von Holdings in EU-Staaten
[3]. Aber auch für KMU verlor die Schweiz an Attraktivität. Im Vorjahr hatte der Bundesrat deshalb zwei Varianten einer Reform der Unternehmensbesteuerung vorgelegt, die Steuerausfälle von 90 bzw. 210 Mio Fr. zur Folge gehabt hätten; diese stiessen aber im Vernehmlassungsverfahren insbesondere auf linken Widerstand. Die Linke willigte schliesslich aber doch in eine Reform der Unternehmensbesteuerung ein, um im Gegenzug die Unterstützung der Bürgerlichen für ein Investitionsprogramm zu erhalten. Als Teil des Investitionsprogrammes legte der Bundesrat im März ein
neu geschnürtes Reformpaket vor, das einen Einnahmenausfall von geschätzten 170 Mio Fr. (davon 90 Mio für die Kantone) und verschiedene Änderungen des Gesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG), des Steuerharmonisierungsgesetzes (StHG), des Gesetzes über die Stempelabgaben (StG) sowie des Gesetzes über die Verrechnungssteuer (VStG) vorsah. Schwerpunkte waren folgende: 1.) Direkte
Freistellung der Beteiligungsgewinne und Beteiligungserträge. Die bisherige steuerliche Freistellung der Erträge (Dividenden usw.) wird auf die Gewinne (Kapital- und Aufwertungsgewinne zuzüglich Erlöse aus zugehörigen Bezugsrechten) ausgedehnt (-100 Mio Fr.)
[4]. 2.) Einführung einer
proportionalen Gewinnbesteuerung von 8,5% anstelle der renditeabhängigen, progressiven Steuer auf den Reinertrag (+120 Mio) und
Abschaffung der Kapitalsteuer (-320 Mio). 3.)
Senkung der Emissionsabgabe auf Beteiligungen von 2% auf 1%. Zudem gilt ein Freibetrag von 250 000 Fr. für Neugründungen wie auch für Kapitalerhöhungen (-120 Mio). 4.) Differenzierte Neuregelung der Steuerfolgen beim Erwerb eigener Aktien. Die Massnahmen 2 und 3 sollen insbesondere die KMU begünstigen. Die in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagene Verlustverrechnung im Konzern nahm der Bundesrat nicht ins Reformpaket auf, da sich die Kantone geschlossen dagegen gewehrt hatten. Als neues Element schlug er dafür die Wiedereinführung einer
Stempelabgabe auf Lebensversicherungsprämien von 2,5% vor, womit der notleidenden Bundeskasse Kompensationseinnahmen von rund 250 Mio Fr. zufliessen sollten
[5].
Die vorberatende Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrates begrüsste das vom Bundesrat vorgelegte Steuerpaket, kritisierte aber mehrere Punkte in der Holdingbesteuerung, so etwa jenen, dass generell Kapitalverluste aus Beteiligungen nicht berücksichtigt werden sollen. Ausserdem beschränkte sie den Stempel auf die vorab der Kapitalanlage dienenden Versicherungen mit Einmalprämie und beschloss, den Stempelbeschluss von der Unternehmenssteuerreform abzukoppeln. In der April-Sondersession folgte der
Nationalrat seiner Kommission und hiess die vom Bundesrat vorgeschlagenen Steuererleichterungen für Unternehmen von insgesamt 420 Mio Fr. gut. Ein Antrag Blocher (svp, ZH), der einen proportionalen Gewinnsteuersatz von lediglich 8% verlangte, wurde ebenso deutlich abgelehnt wie ein Antrag der Ratslinken, den Satz auf 9,8% anzuheben. Bei der Holdingbesteuerung schuf eine bürgerliche Mehrheit aber eine
Asymmetrie, indem die Kapital- und Aufwertungsgewinne auf Beteiligungen steuerfrei erklärt werden, entsprechende Verluste indes steuerlich abzugsfähig sein sollen. Mit 94 zu 81 Stimmen stimmte eine bürgerliche Mehrheit zudem der
Entkoppelung des Stempels vom übrigen Steuerpaket zu, um bei einem Referendum der Versicherungsbranche, die eine Neubesteuerung heftig bekämpfte, wenigstens die dringliche Reform der Unternehmensbesteuerung zu retten. Die SP kritisierte dieses Vorgehen als Versuch, die Besteuerung der Lebensversicherungen zum Abschuss freizugeben. Mit 99 zu 64 Stimmen folgte eine bürgerliche Mehrheit zudem der WAK und stimmte einer
Stempelabgabe von 2,5%
nur für Lebensversicherungen mit
Einmalprämien zu. Damit reduzierten sich die Kompensationseinnahmen auf rund 100 Mio Fr. Ein Antrag Blocher, auf eine Stempelabgabe für Lebensversicherungen ganz zu verzichten, wurde mit 99 zu 64 Stimmen verworfen. Die SP drohte mit dem Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform, während die Versicherungsgesellschaften ihrerseits ein Referendum gegen den Stempel nicht ausschliessen wollten
[6].
Der
Ständerat zog in der Sommersession die Notbremse. Oppositionslos trat er zwar auf die Vorlage ein, in der Detailberatung kritisierte aber insbesondere Plattner (sp, BS) die vom Nationalrat eingeführte Asymmetrie bei der Holdingbesteuerung und bezeichnete die Reformwirkungen als "Selbstbedienungsladen ohne Kasse". Die vom Nationalrat beschlossenen neuen Steuerfreiheiten würden nicht dazu führen, dass neue Holding-Gesellschaften in die Schweiz kämen, sondern, dass heute in der Schweiz domizilierte Holding-Gesellschaften ihre Gewinne steuerfrei realisierten und ins noch steuergünstigere Ausland transferierten. Die Beratungen im Nationalrat hätten gezeigt, dass kaum jemand verstanden habe, um was es überhaupt geht. Gemperli (cvp, SG) vertrat zusätzlich die Ansicht, dass die Auswirkungen der Reform auf KMU nicht genügend abgeklärt worden seien. Der verunsicherte Rat stimmte schliesslich einem Antrag Danioth (cvp, UR) auf
Rückweisung an die Kommission zu
[7].
Die WAK des Ständerates hörte sich nochmals mehrere Experten an. Schliesslich übernahm sie das Holding-Besteuerungskonzept des Nationalrats, fügte aber einen
Missbrauchsartikel an, mit dem sichergestellt werden soll, dass nicht mit Wertberichtigungen und Abschreibungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften Steuern vermieden werden können. Wertberichtigungen und Abschreibungen sollen vom steuerbaren Gewinn nur soweit in Abzug gebracht werden können, als sie betriebsnotwendig und entsprechend begründet sind. Zudem sollen nur definitive Verluste steuerlich berücksichtigt werden können. Der Ständerat folgte seiner WAK in der Herbstsession und hiess die Steuerreform mit 30 zu 1 Stimme gut. Den vom Nationalrat abgekoppelten Versicherungsstempel auf Einmalprämien baute er wieder ins Paket ein. In der Differenzbereinigung hielten beide Räte an ihrer Position - Entkoppelung bzw. Paketlösung - fest, bis schlussendlich der Nationalrat nachgab. Der
Einnahmenausfall des Steuerpakets wurde vom EFD auf
320 Mio Fr. geschätzt, wobei 90 Mio Fr. die Kantone betreffen. Gemäss EFD-Vorsteher Kaspar Villiger bringt die Vorlage den Schweizer Holdings neben Deutschland dafür die "weltbeste" Besteuerung, was neues Steuersubstrat anziehen sollte. Nachdem das Referendum nicht ergriffen wurde, wird die Unternehmenssteuerreform auf Anfang 1998 in Kraft treten. Die Stempelabgabe auf Einmalprämien wird vom 1. April 98 an wieder erhoben werden
[8].
Eine Motion Jans (sp, ZG), die Erträge aus allen rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen mit
Einmalprämie voll steuerbar machen wollte, wurde vom Nationalrat mit 93 zu 46 Stimmen verworfen. Eine vom Bundesrat eingesetzte Expertenkommission prüft jedoch eine massvolle Besteuerung für Einmalprämienversicherungen, da diese zunehmend ein Steuerspar- anstelle eines Vorsorgeinstruments geworden seien
[9].
Mit 102 zu 64 Stimmen gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Gros (lp, GE) Folge, die verlangt, die
steuerlichen Anreize für ausländische Hilfsgesellschaften (Gesellschaften, die in der Schweiz eine Verwaltungs-, aber keine Geschäftstätigkeit ausüben) auf die direkte Bundessteuer auszudehnen. Bisher kennen nur die Kantone Steuerprivilegien für Hilfsgesellschaften. Vergebens wehrte sich die SP dagegen, nach der Unternehmenssteuerreform den Firmen noch weitere Steuergeschenke zu machen
[10].
[3] Die EU führte 1992 Regelungen ein, die im EU-Raum ungehinderte Kapitalflüsse zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften erlauben. Ausserdem verbesserten verschiedene EU-Staaten ihre Unternehmensbesteuerung.3
[4] Unterschieden wird zwischen Neu- und Alt-Beteiligungen. Um Abwanderungen zu verhindern, müssen bestehende Holdinggesellschaften die auf Alt-Beteiligungen realisierten Gewinne für eine lange Frist weiterhin versteuern, dafür können sie die Verluste auf Altbeteiligungen auch künftig steuerlich zum Abzug bringen.4
[5]
BBl, 1997, II. S. 1164 ff.; Presse vom 27.3.97. Der Stempel auf Lebensversicherungen war 1973 abgeschafft worden. Vgl.
SPJ 1996, S. 143 ff. Zum Investitionsprogramm sowie zu administrativen Entlastungen der KMU siehe auch oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).5
[6]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 770 ff.;
SGT, 25.4.97 (WAK); Presse vom 30.4. und 1.5.97. Vgl.
SPJ 1996, S. 143 ff.6
[7]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 468 ff.; Presse vom 17.5. (WAK), 5.6. und 6.6.97.7
[8]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 828 ff., 923 ff. und 1025.;
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1925 ff., 1972, 2033 f. und 2329;
NZZ, 13.9.97 (WAK StR);
BBl, 1997, IV, S. 802 ff.;
NZZ, 9.12.97.8
[9]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 835.9
[10]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2176 ff.10
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