Année politique Suisse 1997 : Chronique générale / Finances publiques / Direkte Steuern
Die Bankervereinigung und die Schweizer Börse forderten im Sommer lautstark die
Abschaffung der Umsatzabgabe auf Wertschriftentransaktionen
(Börsenstempel) und warnten, dass durch die Öffnung des Börsengeschäfts für ausländische Händler, die Elektronisierung des Handels und die kommende Einführung des Euro sonst bis zu 10 000 Arbeitsplätze ins Ausland verlegt würden. Das EFD signalisierte, dass es das Problem erkannt habe, verlangte aber, dass die jährlich rund 1 Mia Fr. (1996: 1,01 Mia) an Steuereinnahmen, die verloren gehen, zumindest teilweise kompensiert werden müssten. Diese Forderung stiess auch im bürgerlichen Lager auf Verständnis. Die Zürcher FDP-Ständerätin Vreni Spoerry stellte eine
nationale
Erbschaftssteuer zur Diskussion. Eine solche könnte gemäss Spoerry auch das sich verschärfende Konkurrenzproblem unter den Kantonen lösen, das entstanden ist, weil verschiedene Kantone die Erbschaftssteuer in den letzten Jahren senkten oder abschafften. Nationalrat Georg Stucky (fdp, ZG) schlug als Kompensation für die Stempelabgabe eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,2 bis 0,3% vor
[17].
Dagegen forderten die Sozialdemokraten einmal mehr die Einführung einer
Kapitalgewinnsteuer für Privatpersonen. Die Forderung erhielt durch explodierende Aktienkurse fusionierender Grosskonzerne und die Tatsache, dass in der Schweiz die
Buchgewinne an den Börsen erstmals die Arbeitseinkommen überstiegen, zusätzlichen Auftrieb. Sogar FDP-Exponenten wie Parteipräsident Franz Steinegger sprachen sich für eine Besteuerung von Kapitalgewinnen aus. Nachdem der Bundesrat von einer Kapitalgewinnsteuer noch im letzten Jahr nichts wissen wollte, beauftragte er die im Vorjahr eingesetzte Kommission Behnisch, auch Wege gegen die Abwanderung von Börsengeschäften aufzuzeigen und Kompensationsmöglichkeiten für Steuerausfälle, darunter auch eine Kapitalgewinnsteuer, zu prüfen. Die Frage der Ergiebigkeit ist jedoch umstritten. Auf eine einfache Anfrage Jans (sp, ZG) hin schätzte der Bundesrat die Erträge einer Kapitalgewinnsteuer von durchschnittlich 15% auch in guten Börsenzeiten auf "höchstens 100 bis 400 Mio Fr.". Andere Besteuerungsmodelle zur Kompensation einer allfälligen Abschaffung des Börsenstempels werden geprüft. So reichte Ständerat Schüle (fdp, SH) ein Postulat ein, das vom Bundesrat die Prüfung einer
Vermögenszuwachssteuer verlangt, die auch den Wertzuwachs noch nicht verkaufter Aktien und anderer Wertschriften erfassen würde. Andere Parlamentarier möchten das Wertschriftendepot (Depotabgabe) mit einer Abgabe belasten
[18].
[17]
Bund, 9.7.97;
BaZ, 14.8.97;
SHZ, 4.9.97;
NZZ, 22.10.97. Zu einer Motion Hafner (sp, SH), die eine nationale Erbschafts- und Schenkungssteuer fordert, vgl.
SPJ 1996, S. 145. Die Kantone SG und AR schafften die Erbschaftssteuer für Nachkommen im Berichtsjahr ab, während sich ZH für die Beibehaltung entschied (
NLZ, 9.9.97).17
[18]
NZZ, 27.11.97;
SGT, 10.12.97;
NLZ und
NZZ, 18.12.97;
Verhandl. B.vers., 1997, V, Teil II, S. 139 (Schüle). Eine Motion Rechsteiner (sp, SG) zur Einführung einer Kapitalgewinnsteuer wurde verschoben (
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2213). Als letzter Kanton hatte GR 1996 die Kapitalgewinnsteuer für Privatpersonen aufgehoben, weil der hohe administrative Aufwand die Einnahmen nicht rechtfertige. Zu den steuerpolitischen Forderungen und dem Ruf nach einer Sondersession der SP siehe unten, Teil IIIa (SP).18
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