Année politique Suisse 1997 : Chronique générale / Finances publiques / Indirekte Steuern
Zu Beginn des Jahres nahm der Bundesrat Stellung zum
Entwurf für ein
Mehrwertsteuergesetz, den die WAK des Nationalrates auf Antrag einer parlamentarischen Initiative Dettling (fdp, SZ) ausgearbeitet hatte, und der die seit 1995 geltende Verordnung des Bundesrates ersetzen soll. Mit einem Grossteil der Vorschläge erklärte sich der
Bundesrat einverstanden, um das Gesamtwerk nicht in Frage zu stellen, er
sperrte sich aber
gegen
zuviele Partikularinteressen. Die Vorschläge der WAK würden zu Ertragsausfällen von 465 Mio Fr. im ersten Jahr und 375 Mio Fr. in den folgenden Jahren führen, demgegenüber bot der Bundesrat nur Hand zu MWSt-Entlastungen von jährlich maximal 120 Mio Fr. sowie einem einmaligen Ausfall von 90 Mio Fr. bei der Einlageentsteuerung (später korrigierte er diese Zahl auf 215 Mio). Auf Distanz zur WAK ging er
insbesondere bei den zulässigen Abzügen für Geschäftsspesen und beim Optionsrecht (freiwillige MWSt-Unterstellung). So wollte er nichts davon wissen, Verpflegung und Getränke voll - und nicht nur zu 50% - zum Vorsteuerabzug zuzulassen (175 Mio). Ebenso lehnte er einen Vorsteuerabzug auf den Geschäftsspesen für "Vergnügungen" sowie für Motorräder, Boote und Sportflugzeuge ab, sofern diese nicht nachweisbar geschäftlich notwendig sind (25-35 Mio). Weiter wandte er sich gegen einen pauschalen Vorsteuerabzug für nicht belegte Spesen (90 Mio), gegen eine weitere Erhöhung der Umsatz- und Steuerschuld-Limite für die Anwendung eines Saldo-Steuersatzes (30 Mio) und insbesondere gegen die Möglichkeit, bisher nicht anerkannte Vorsteuern rückwirkend geltend zu machen. Nein sagte der Bundesrat auch zum erweiterten Optionsrecht (50 Mio) insbesondere für kulturelle und sportliche Dienstleistungen. Er kam den Sportvereinen und Brockenhäusern, die im letzten Jahr eine Volksinitiative "gegen eine unfaire Mehrwertsteuer im Sport und im Sozialbereich" eingereicht hatten, aber insoweit entgegen, als die Umsätze der Brockenstuben und die Startgelder für Sportveranstaltungen von der MWSt befreit werden sollen. Einverstanden erklärte er sich auch bei der Ausdehnung der unecht befreiten Umsätze bei Spitex und Sozialfürsorge. In einem Punkt ging der Bundesrat sogar weiter als die WAK. Danach sollte das Zollfreigebiet Samnaun - wie bei der Mineralölsteuer - bei der MWSt seinen Sonderstatus behalten (7 Mio)
[23].
Die nationalrätliche WAK hielt an ihren Anträgen fest und verabschiedete den MWSt-Gesetz-Entwurf mit 13 zu 10 Stimmen. Die SP leistete in der Frühjahrssession im Nationalrat jedoch entschlossenen Widerstand gegen die Steuerausfälle und drohte mit dem Referendum. Ein Rückweisungsantrag Marti (sp, GL) mit der Bedingung, dass die neue Vorlage mit Steuerausfällen von höchstens 200 Mio Fr. verbunden sein dürfe, wurde mit 102 zu 61 Stimmen abgelehnt. Nicht zuletzt aufgrund der SP-Referendumsdrohung kam in der Detailberatung aber im besonders umstrittenen Bereich der Geschäftsspesen mit 93 zu 60 Stimmen ein Kompromissvorschlag David (cvp, SG) durch. Danach soll der Bundesrat in einer Verordnung definieren, welche Auslagen als geschäftlich zu gelten haben und zum Vorsteuerabzug berechtigen, wobei er sich an der Praxis der direkten Bundessteuer zu orientieren hat. Ausserdem sollen Verpflegungsspesen zwar zu 100% abgezogen werden können, der Bundesrat soll aber Maximalbeträge festlegen. Gemäss dem Antragssteller würden die Steuerausfälle in diesem Bereich damit auf 30 Mio reduziert. Der Antrag der WAK, den Vorsteuerabzug auf geschäftlich begründeten Spesen auch ohne Nachweis mit Originalbelegen zu gewähren, ging einer Ratsmehrheit zu weit.
Ansonsten hielt sich der Nationalrat weitgehend an die Anträge der WAK. So wehrten sich Bundesrat und Linke vergebens gegen eine Erhöhung der Limite für die pauschale Abrechnung (
Saldosteuersatz) auf einen Umsatz bis 5 Mio Fr. und einen Steuerbetrag von 75 000 Fr. pro Jahr. Der Bundesrat wollte die Limite bei 1,5 Mio Fr. bzw. 40 000 Fr. ansetzen. Eine Ratsmehrheit stimmte auch dem erweiterten Optionsrecht insbesondere bei der Krankenpflege, der Sozialfürsorge und im Sport- und Kulturbereich, sowie der
MWSt-Befreiung für Brockenstuben und Startgelder inkl. Verpflegung und "Nebenleistungen" zu. Zusätzliche Anträge, die auch Prothesen und Heilmittel sowie extern erbrachte Leistungen im Spital- und Heilbereich (z.B. Reinigung und Verpflegung) sowie die Tiermedizin von der Steuer ausnehmen wollten, wurden abgelehnt. Nur Spott erntete ausserdem ein Antrag des Landwirtschaftsvertreters Wyss (svp, BE), der den Empfängern öffentlicher Subventionen den ungekürzten Vorsteuerabzug gewähren wollte, was Ausfälle von 880 Mio Fr. bedeutet hätte. Bei den echten Steuerbefreiten gab vor allem der internationale Luftverkehr zu reden. Der Rat fand sich aber schliesslich damit ab, dass internationale Flüge von der Steuer befreit bleiben müssen, solange auch die EU so verfährt. Ein Antrag von links-grüner Seite, gleich lange Spiesse für den öffentlichen Bahnverkehr zu schaffen und diesen ebenfalls von der Steuer auszunehmen, wurde ebenso abgelehnt wie ein Antrag Wiederkehr (ldu, ZH), der für den
öffentlichen Personenverkehr einen MWSt-Sondersatz von 3% einführen wollte. Ein solcher hätte Ertragsausfälle von jährlich rund 150 Mio Fr. zur Folge. Der Auslandumsatz der Reisebüros soll gemäss Nationalrat auch in Zukunft von der MWSt befreit sein. Dagegen soll Samnaun künftig auch auf Waren MWSt-pflichtig werden. Mit 79 zu 53 Stimmen hiess der Nationalrat das Mehrwertsteuergesetz schliesslich gut. Die SP, welche die beschlossenen
Einnahmenausfälle von jährlich rund 240 Mio Fr. - bei Gesamterträgen von rund 12 Mia Fr. - als "ungerechtfertigtes Steuergeschenk" ablehnte, liess ihre Referendumsdrohung stehen
[24].
Die ständerätliche WAK konnte das Mehrwertsteuergesetz im Berichtsjahr nicht mehr behandeln. Damit kam es zu einer
Verzögerung, und ein Inkrafttreten dürfte erst auf Anfang 2000 möglich sein
[25].
Im Streit um die
Geschäftsspesenabzüge ging die Steuerverwaltung als Siegerin hervor. Das Bundesgericht erklärte die angefochtene Regelung in der MWSt-Verordnung, wonach die Vorsteuer auf Geschäftsspesen für Übernachtungen, Verpflegungen und Getränke sowie Reiseausgaben nur zu 50% abgezogen werden kann, als verfassungskonform. Auch die
Leasing-Branche, die die Mehrwertbesteuerung von Leasingraten für Gebrauchsgüter, auf denen noch die Wust bezahlt worden war, als verfassungswidrig bezeichnet hatte, unterlag vor Bundesgericht. Damit wurden für den Bund Rückerstattungen von weit über einer Milliarde Franken hinfällig
[26].
Die
Lega dei Ticinesi brachte die erforderlichen Unterschriften für ihre Volksinitiative "für eine volksnahe Mehrwertsteuer" nicht zusammen
[27].
[23]
BBl, 1997, II, S. 389 ff.; Presse vom 16.1.97. Vgl.
SPJ 1996, S. 146 f.23
[24] Presse vom 30.1.97 (WAK);
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 175 ff. und 458 ff.; Presse vom 12.-14.3. und 21.3.97. Eine pa.Iv. Spielmann (pda, GE), die einen MWSt-Sondersatz für Leistungen der öffentlichen Transportunternehmen gefordert hatte, wurde zurückgezogen (
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 468 ff.).24
[26] Geschäftsspesen: Presse vom 15.3.97. Die angefochtene Regelung ist nicht mehr gültig. Die revidierte MWSt-Verordnung vom 1.1.96 erlaubt 100%ige Spesenabzüge auf geschäftlich bedingten Übernachtungen und Reisen. Die Vorsteuer auf Verpflegungsspesen ist dagegen weiterhin nur zu 50% abzugsberechtigt. Leasing: Presse vom 22.5.97. Vgl.
SPJ 1996, S. 146 f.26
[27]
BBl, 1997, I, S. 754. Vgl.
SPJ 1995, S. 142 f.27
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