Année politique Suisse 1997 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement / Raumplanung
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Landwirtschaftszonen
Als Erstrat hatte in der Frühlingssession der Ständerat die in der Vernehmlassung umstrittene Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG) zu behandeln. Diese zielt auf eine Lockerung der Bau- und Nutzungsvorschriften in den Landwirtschaftszonen ab. Zu Beginn der Debatte schien sich eine starke Allianz gegen die Revision zu bilden: Willy Loretan (fdp, AG) und Erika Forster (fdp, SG), Vertreter der Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege sowie Pierre Aeby (sp, FR), Vorstandsmitglied der Konferenz kantonaler Baudirektoren, meldeten erhebliche Vorbehalte an. Während Forster und Loretan argumentierten, dass die Revision eine kaum kontrollierbare Bautätigkeit auf Landwirtschaftsland auslösen könne und die zonenplanmässige Zulassung von Produktionsformen wie Hors-sol oder Intensivmast im Widerspruch zu der vom Volk mit dem Landwirtschaftsartikel befürworteten Ökologisierung der Landwirtschaft stehe, warnte Aeby vor der Vermischung von Landwirtschafts- und Gewerbezonen und vor zusätzlichen Vollzugsproblemen der Kantone. Die Landwirtschaftsvertreter behielten aber schliesslich klar die Oberhand. Einen Rückweisungsantrag Aeby lehnte der Rat mit 27 zu 3 Stimmen ab. In der Detailberatung folgte der Ständerat konsequent dem Bundesrat und lehnte Verschärfungen, die von landschaftsschützerischer Seite eingebracht wurden, ab. So verwarf er mit 27 zu 4 Stimmen einen Antrag Loretan, wonach in landwirtschaftlichen Gebäuden nur dann eine neue Wohnung eingerichtet werden darf, wenn dort schon ein Wohnteil vorhanden ist. Mit 24 zu 2 Stimmen hiess der Ständerat die Teilrevision gut [1].
In der Herbstsession kam die Revision des RPG in den Nationalrat. In diesem verlief die Diskussion ungleich heftiger, zumal auch die Lobbies ihre Arbeit auf die grosse Kammer konzentriert hatten. Vorab LdU/EVP, Grüne und SP opponierten der Vorlage, da diese sowohl den Raumplanungszielen als auch der vom Bund postulierten ökologischeren Landwirtschaftspolitik widerspreche. Im Mittelpunkt der Kritik stand dabei die Zulassung der bodenunabhängigen Produktion. Dagegen forderten Gewerbekreise gleich lange Spiesse für Gewerbe und Bauern und damit eine noch weitergehende Liberalisierung in der Landwirtschaftszone. Das Plenum lehnte drei Rückweisungsanträge schliesslich ab und trat mit 102 zu 59 Stimmen auf die Vorlage ein. In der Detailberatung blieb nach dem Ständerat auch der Nationalrat auf der Linie des Bundesrates. Er sanktionierte die Zulassung von bodenunabhängigen Produktionsstätten wie Masthallen und Hors-sol [2] ebenso wie die Angliederung eines gewerblichen Nebenbetriebes eines Landwirts, wenn die Bauernfamilie pro Jahr weniger als 70 000 Fr. Reineinkommen erzielt und der Nebenerwerb "betriebsnah" ist. Der Nebenbetrieb muss vom Bewirtschafter des landwirtschaftlichen Gewerbes selber geleitet werden. Auch der Umnutzung von nicht mehr benutzten landwirtschaftlichen Wohnbauten zu landwirtschaftsfremden Wohnnutzungen [3] stimmte der Nationalrat zu, der Umbau reiner Ökonomiegebäude bleibt dagegen untersagt.
Eine gewichtige Differenz zum Ständerat schuf der Nationalrat, indem er die Umnutzung von Wohnraum nicht auf "gut erhaltene" landwirtschaftliche Wohnbauten jeder Art beschränkte, wie dies Bundesrat und Ständerat vorgeschlagen hatten. Damit würden etwa auch zusammengefallene Rustici im Tessin zum Um- und Wiederaufbau freigegeben. Silva Semadeni (sp, GR) fand mit ihrer Forderung, die bewährte Bündner Praxis für alle Kantone vorzuschreiben, kein Gehör. Im Kanton Graubünden muss die Schutz- und Erhaltenswürdigkeit in einem kantonalen Inventar nachgewiesen sein, damit leerstehende alte Agrarbauten zu Wohnungen oder Ferienhäusern umfunktioniert werden dürfen. Dafür obsiegte mit 84 zu 51 Stimmen ein Antrag der Kommissionsmehrheit, wonach vollständige Zweckänderungen von Bauten zulässig sind, wenn diese vor dem 1. Januar 1980 erstellt worden sind. Damit wären alle vor 1980 erstellten Bauten von den Regeln ausgenommen, welche die Raumplanung (das Raumplanungsgesetz trat am 1.1.1980 in Kraft) dem Bauen und Umbauen auferlegt. Vergeblich wehrte sich die Kommissionsminderheit gegen diese Privilegierung von älteren Gebäuden, und Bundesrat Arnold Koller warnte davor, dass ein vor 1980 gebautes Landwirtschaftsgebäude so vollständig für gewerbliche Zwecke umgenutzt werden könnte, was dem verfassungsrechtlichen Trennungsgrundsatz von Landwirtschaftszone und Wohn- und Gewerbezone widerspreche. Immerhin lehnte der Nationalrat mit 91 zu 76 Stimmen einen Antrag Schmid (svp, BE) ab, der zulassen wollte, dass landwirtschaftsfremde Wohnnutzungen mit einer kleingewerblichen Nutzung verbunden werden können. Auch andere Vorstösse zur Erweiterung der gewerblichen Nebenerwerbsmöglichkeiten der Landwirte kamen nicht durch: Ein Antrag Hasler (svp, AG) auf Streichung des Kriteriums der Betriebsnähe wurde ebenso abgelehnt wie ein Antrag Vallender (fdp, AR), der auf die Festlegung einer Einkommensschwelle verzichten wollte. Auf der Strecke blieben auch Korrekturversuche der Landschaftsschützer: Lili Nabholz (fdp, ZH), Präsidentin der Schweizerischen Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege, kam mit ihrer Forderung, die Bewohner der zweckentfremdeten Bauernbauten wenigstens zur Landschaftspflege des umliegenden Landes zu verpflichten, nicht durch. Ein Minderheitsantrag der Kommission, der mit zusätzlichen Auflagen die bodenunabhängige Produktion weiter einschränken wollte, scheiterte ebenfalls [4].
Die Schlussabstimmung von 80 zu 63 Stimmen bei 10 Enthaltungen zeigte, dass die Unzufriedenheit von Landschaftsschutzkreisen und Kleinbauern sowie Teilen des Gewerbes über das revidierte Raumplanungsgesetz gross ist. Grüne, die Schweizerische Vereinigung zum Schutz der kleinen und mittleren Bauern (VKMB) und Landschaftsschützer kündigten noch vor der Differenzbereinigung das Referendum gegen die RPG-Revision an [5].
Angesichts der breiten Opposition unternahm die ständerätliche Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek) im November einen Versuch zur Rettung der Vorlage. Namentlich schlug sie vor, den vom Nationalrat erteilten Freipass für die Zweckentfremdung alter, das heisst vor 1980 erstellter Gebäude wieder zu streichen. Auch beim sogenannten Rustico-Artikel fasste sie das RPG wieder etwas enger, indem sie daran festhielt, dass nur "gut erhaltene" Bauten landwirtschaftsfremd als Wohnraum umgenutzt werden dürfen. Der Ständerat folgte seiner Kommission in diesen beiden Punkten in der Wintersession. Ein Minderheitsantrag Leumann (fdp, LU), die eine Lanze für das Gewerbe generell brechen und es auch zugezogenen Personen ohne Beziehung zur Landwirtschaft erlauben wollte, in ihren neu erworbenen Bauernhäusern eine kleingewerbliche Tätigkeit auszuüben (etwa ein Photostudio), wurde mit 21 gegen 11 Stimmen abgelehnt [6].
 
[1] Amtl. Bull. StR, 1997, S. 185 ff. und 205 ff; Presse vom 13.3. und 14.3.97. Vgl. SPJ 1996, S. 200 f.1
[2] Im Rahmen der neuen Landwirtschaftspolitik wird die bodenunabhängige Nutzung jedoch nicht subventioniert. Art. 16 Abs. 4 RPG hält die Kantone ausserdem dazu an, bodenunabhängige Produktion nur dort zuzulassen, wo dies sachgerecht erscheint. Den Maststallungen sind auch durch das Gewässerschutzrecht relativ enge Grenzen gesetzt.2
[3] Art. 24 Abs.4 RPG sieht folgende Einschränkungen vor: 1.) Der Bau darf nicht mehr benötigt werden, 2.) Die äussere Erscheinung und die Grundstruktur müssen im wesentlichen unverändert bleiben. Aufstockungen und Erweiterungen sind nicht möglich, 3.) Es darf keine wesentliche Neuerschliessung nötig sein; Infrastrukturkosten liegen beim Eigentümer.3
[4] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1825 ff.; Presse vom 1.10. und 2.10.97.4
[5] NZZ, 13.10.97.5
[6] NZZ, 21.11.97 (Urek); Amtl. Bull. StR, 1997, S. 1178 ff.; Bund, 11.12.97.6