Année politique Suisse 1997 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
 
 Wohnungsbau und Wohneigentumsförderung
Der Schweizer Wohnungsmarkt entspannte sich weiter und wies mit Stichtag 1. Juni 1997 einen Leerwohnungsbestand von 1,82% (1996: 1,61%) auf. 62 500 Wohnungen und Einfamilienhäuser standen leer, 8100 oder 15% mehr als ein Jahr zuvor. Wie in den vier vorangegangenen Jahren nahm vor allem die Zahl der leerstehenden kleinen und mittleren Wohnungen zu. Die Zahl leerstehender Neuwohnungen sank um 13%, was das BFS auf die in den letzten zwei Jahren eingeschränkte Bautätigkeit zurückführte. Auch die Zahl der leerstehenden Einfamilienhäuser ging leicht, um 0,7%, zurück. Die höchsten Leerwohnungsziffern wiesen am Stichtag die Kantone Solothurn (3,06%), Thurgau (2,9%) und Glarus (2,69%) aus, die tiefsten Werte zeigten die Kantone Basel-Land (0,57%), Zug (0,92%) und Appenzell Ausserrhoden (1,1%) [15].
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Staatliche Wohnförderung
Gestiegene Leerwohnungsbestände, die andauernde Immobilienkrise und stagnierende Einkommen gingen auch an der Wohnbau- und Wohneigentumsförderung des Bundes nicht spurlos vorüber. Gemäss dem Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) und der Finanzdelegation, die das BWO 1996 inspiziert hatte, muss der Bund kurz- und mittelfristig rund 250 Mio Fr. Verluste für Liegenschaftskäufe und vorsorglichen Landerwerb abschreiben. Weil ausserdem das Einkommen der Liegenschaftsbesitzer und der Wert der Objekte nicht mehr fortlaufend ansteigt, wie dies das Konzept des 1975 in Kraft getretenen Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes (WEG) vorsieht, können viele Nutzniesser die Starthilfe des Bundes nicht zurückzahlen. Die jährlichen Verluste von Bundesengagements wurden vom BWO und der Finanzdelegation mittelfristig (1999-2009) auf jährlich 5 bis 45 Mio Fr. geschätzt. Ab dem Jahr 2010 dürften jährlich 50 bis 100 Mio Fr. für die Nachfinanzierung der Grundverbilligung anfallen [16].
Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates veranlasste eine Studie über die Wirksamkeit der seit 1975 mit rund 14,3 Mia Fr. [17] betriebenen staatlichen Wohnbau- und Eigentumsförderung. Sie kam zum Schluss, dass die sozialpolitischen Ziele im wesentlichen erreicht worden seien, da von den erstellten Mietwohnungen zum guten Teil Familien mit Kindern, Behinderte, Betagte und Bedürftige profitiert haben. Weniger befriedigend war für die GPK die Bilanz bei der Eigentumsförderung. Lediglich die Hälfte der eingesetzten Mittel sei an die erwähnten Zielgruppen gegangen; die andere Hälfte sei an Personen gegangen, die auch ohne diese Mittel Wohneigentum hätten erwerben können. Ob das WEG eine entscheidende Rolle gespielt habe bei der Zunahme der Eigentümerquote der Schweiz von 28,1% (1970) auf 31,3% (1990), vermochte die GPK nicht zu sagen [18].
Angesichts dieser Entwicklungen trat der Bundesrat bei der staatlichen Wohnbau- und Wohneigentumsförderung auf die Bremse. Er beantragte dem Parlament markant geringere Rahmenkredite für die Jahre 1998 bis 2000 von rund 700 Mio Fr., womit jährlich noch 3500 Wohnungen gefördert werden sollen. Das Förderungsvolumen wurde so gegenüber dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre gesamthaft um zwei Drittel, im Bereich der Neuproduktion von Mietwohnungen gar um mehr als 80% gekürzt. Die Mittel sollen vor allem Familien, Betagten und Behinderten zugute kommen. Beide Räte hiessen die Rahmenkredite im Berichtsjahr als Übergangslösung gut, forderten den Bundesrat aber auf, das Konzept der Wohnbau- und Wohneigentumsförderung bis zum Jahr 2000 grundlegend zu überdenken. Mittelfristig ist im Rahmen des neuen Finanzausgleichs geplant, die Wohnbauförderung den Kantonen zu übertragen, eine Absicht, die in der Vernehmlassung überwiegend auf Zustimmung gestossen ist [19].
Eine Motion Baumberger (cvp, ZH), die eine Revision des WEG forderte, wonach die Grundverbilligungen abzubauen, die Zusatzverbilligungen auszubauen und der Mitteleinsatz zugunsten der Eigentumsförderung zu verstärken sei, insbesondere auch zur Unterstützung der Umwandlung von WEG-Mietwohnungen in WEG-Stockwerkeigentum, wurde vom Nationalrat als Postulat überwiesen [20].
Weiter überwies der Nationalrat ein Postulat Carobbio (sp, TI), das den Bundesrat ersuchte, auf dem Dringlichkeitsweg die Mietzinspläne für die nach WEG-System verbilligten Mietwohnungen in der ganzen Schweiz oder wenigstens für wirtschaftlich gebeutelte Regionen und Kantone zu sistieren. Die Mietzinse nach WEG stiegen im Berichtsjahr weiterhin an, weil sie an Mietzinspläne gebunden sind, die unter anderem davon ausgingen, dass die Einkommen jener Personen, die einst von nicht kostendeckenden Zinsen profitierten, mit den Jahren ansteigen, so dass sie sukzessive höhere Zinsen bezahlen können [21].
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"Wohneigentum für alle"
In der Sommersession hatte als Zweitrat der Nationalrat die Volksinitiative "Wohneigentum für alle" des Hauseigentümerverbandes (SHEV) [22] zu behandeln, die Steuererleichterungen zur Förderung des Bausparens und markante Ermässigungen bei den Eigenmietwerten verlangt. Die Linke stemmte sich gegen Steuerprivilegien und propagierte als effizienteste Massnahme zur Förderung des Wohneigentums das Vorkaufsrecht für Mieter. Eine entsprechende Motion von Mieterverbandspräsident Rudolf Strahm (sp, BE) lehnte der Nationalrat mit 75 zu 60 Stimmen aber ab. Bundesrat Kaspar Villiger warnte zusätzlich davor, dass mit der Volksinitiative nicht neues, sondern bestehendes Wohneigentum begünstigt werde. Dagegen forderten die Bürgerlichen Taten statt Worte. Zwar äusserten sie wie der Ständerat Bedenken zu mutmasslichen Steuerausfällen von 1,5 bis 2 Mia Fr. für Bund und Kantone und nahmen die Volksinitiative, der sie wenig Chancen einräumten, ebenfalls nicht an. Sie wiesen sie mit 97 zu 70 Stimmen zurück, beauftragten die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) aber mit der Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlages. Einen solchen hatte im letzten Jahr auch der Ständerat angestrebt, er scheiterte aber am Anspruch der Kostenneutralität. Als Leitplanken für den indirekten Gegenvorschlag überwies eine bürgerliche Mehrheit des Nationalrates zwei Motionen der ständerätlichen WAK, die im letzten Jahr bereits vom Ständerat angenommen worden waren: Die erste verlangt den Verzicht auf die Dumont-Praxis, womit Renovationskosten neu auch in den ersten fünf Jahren nach dem Erwerb einer Liegenschaft steuerlich abgezogen werden könnten. Bund und Kantonen gingen so rund 50 Mio Fr. an jährlichen Steuereinnahmen verloren. Die zweite Motion, die mit 78 zu 55 Stimmen überwiesen wurde, will den Handlungsspielraum der Kantone bei der Festlegung der Eigenmietwerte erweitern. Zusätzlich überwies der Nationalrat mit 69 zu 61 Stimmen eine Motion seiner WAK, wonach der Bund künftig bei der direkten Bundessteuer die kantonalen Eigenmietwerte übernehmen muss, soweit sie nicht mehr als 25% vom schweizerischen Mittel abweichen [23].
Die WAK des Nationalrates legte gleich zwei Konzepte als indirekten Gegenvorschlag zur Hauseigentümer-Initiative vor. Die Mehrheitsvariante übernahm die Forderungen der drei obigen Motionen fast gänzlich. Anstelle der direkten Übernahme der kantonalen Eigenmietwerte schlug sie aus Praktikabilitätsgründen aber die Festlegung eines steuerbaren Eigenmietwerts von 60% des Marktmietwertes im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer vor. Der Bundesrat hatte in seiner Botschaft vom Mai 1995 ein Absenken der Eigenmietwerte unter 70% des Marktwertes abgelehnt, da sonst eine rechtsgleiche Besteuerung im Verhältnis zu den Mietern - die keinen Abzug des Mietzinses geltend machen können - nicht mehr gewährleistet sei. Die Mehrheitsvariante geht aber davon aus, dass je nach Auslegung des geänderten Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern den Kantonen und Gemeinden Einnahmeausfälle von 400 Mio Fr. entstehen. Dem Bund würden jährlich geschätzte 100 Mio Fr. an Steuern verloren gehen. Die Minderheitsvariante der WAK rund um Eugen David (cvp, SG) schlug vor, einen Systemwechsel vorzunehmen und die Eigenmietwertbesteuerung für selbstbewohnte Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen abzuschaffen. Damit verbunden wäre auch die Abschaffung des Unterhaltsabzuges und der Schuldzinsabzüge (insbesondere Hypothekarzinsen). Neuerwerber würden einer gewissen Schonfrist unterliegen und könnten während zehn Jahren die Schuldzinsen abziehen. Mit diesem Modell würden Eigentümer, deren Hypothek ganz oder überwiegend amortisiert ist, profitieren, während Jungeigentümer mit Schulden auf dem Haus, die über dem Mietwert liegen, trotz des zehnjährigen Einführungsrabatts schlechter fahren würden. David wies jedoch darauf hin, dass das heutige System, welches das Schuldenmachen steuerlich interessant mache und damit gezielt fördere, wenig sinnvoll sei. Das Minderheitskonzept wäre haushaltsneutral oder hätte gar zusätzliche Steuereinnahmen zur Folge; die diesbezüglichen Berechnungen varieren aber beträchtlich [24].
In der Herbstsession stimmte der Nationalrat mit 92 zu 79 Stimmen dem Mehrheitskonzept zu, das einen Eigenmietwert von neu nur noch 60% des Marktmietwerts und die Abschaffung der Dumont-Praxis vorsieht. Gegen den Willen von Finanzminister Villiger sprach er sich damit für hohe Steuergeschenke an die Eigenheimbesitzer aus. Das Minderheitskonzept, das einen Systemwechsel vorschlug und das SP, Grüne, LdU/EVP sowie CVP-Exponenten unterstützten, während ihm Villiger "eine gewisse Sympathie" entgegenbrachte, unterlag. Der Nationalrat schickte jedoch beide Vorschläge in eine Vernehmlassung an die Kantone. Die Behandlungsfrist für die Initiative "Wohneigentum für alle" wurde um ein Jahr verschoben [25].
 
[15] Lit. Gurtner; Presse vom 27.8.97.15
[16] BBl, 1997, III, S. 46 ff. (Bericht Finanzdelegation); Presse vom 20.2.97; SZ, 18.6.97; BZ, 7.7.97. Das Total der realisierten Verluste lag per Ende 1997 bei rund 140 Mio Fr. (Lit. Gurtner).16
[17] Von dieser Summe entfielen rund 11,55 Mia (81%) auf Bürgschaften und rückzahlbare Vorschüsse (Grundverbilligung) und 556 Mio Fr. (4%) auf rückzahlbare Darlehen und Beteiligungen. 2,15 Mia Fr. (15%) wurden in Form von à fonds perdu-Beiträgen ausgerichtet. Insgesamt wurden von 1975-1991 rund 10 000 Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen gefördert; das sind 6,7% aller in dieser Zeit gebauten oder in Eigentum übergegangenen Wohneinheiten. Von 1975 bis 1995 wurde für insgesamt rund 120 000 Wohnungen Bundeshilfe zugesichert.17
[18] BBl, 1997, III, S. 1517 ff. (GPK) und IV, S. 90 ff. (Parl. Verwaltungskontrollstelle); SHZ, 27.3.97.18
[19] BBl, 1997, II, S. 769 ff.; Amtl. Bull. StR, 1997, S. 623 ff.; Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2429 ff.; BBl, 1998, S. 113; Presse vom 20.2., 18.6. und 4.12.97. In einer neuen Verordnung über die Erstellungskosten bei Wohnbauvorhaben mit Bundeshilfe senkte das EVD die Kostengrenzen um gegen 8% im Durchschnitt. Damit wird dem Rückgang der Baukosten Rechnung getragen (SGT, 31.12.97).19
[20] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1472 f. und 2441 f.20
[21] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1490 f.21
[22] Zum neuen Präsidenten des SHEV wurde NR Toni Dettling (fdp, SZ) als Nachfolger von Hans Feldmann gewählt (NZZ, 16.6.97). Eine vom SHEV in Auftrag gegebene, nicht unumstrittene Studie von Prof. Tobias Studer kam zum Schluss, dass Wohneigentumsförderung im Sinne der Initiative beschäftigungs- und fiskalpolitisch erhebliche Impulse auslösen würde. Bereits eine jährlich 0,5% höhere Wohneigentumsquote brächte für Bundes- und Kantonssteuern einen positiven MIttelrückfluss von netto 2 Mia Fr. Eine jährliche Steigerung um 0,5% von der heutigen Wohneigentumsquote (33%) auf das deutsche Niveau würde innert 18 Jahren ein Bauvolumen von 86 Mia Fr. auslösen, nötig dazu seien aber starke fiskalische Anreize (BaZ, 22.4.97; NZZ, 11.6.97; Lit. Studer).22
[23] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1180 ff., 1389 ff. und 1399 f. (Strahm); Presse vom 13.6. und 20.6.97. Vgl. SPJ 1996, S. 207 f. Zu parl. Vorstössen, die den Verzicht auf die Dumont-Praxis verlangten, siehe auch oben, Teil I, 5 (Direkte Steuern).23
[24] Presse vom 5.9.97. Das heutige Schweizer System ist in Europa fast einmalig, nachdem etwa auch Deutschland, Österreich und Italien das Eigenmietwertsystem abgeschafft haben.24
[25] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2134 ff.; Presse vom 10.10.97.25