Année politique Suisse 1997 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
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Spitäler
Gemäss neuem KVG hatten die Kantone bis Ende des Berichtsjahres die Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung aufzustellen und Listen jener Spitäler und Pflegeheime zu erlassen, die berechtigt sind, Patientinnen und Patienten zu Lasten der obligatorischen Krankenversicherung zu versorgen. Im Frühjahr gab die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) die von den Kantonen lange erwarteten diesbezüglichen Empfehlungen heraus. Sie unterschied dabei zwischen der Spitalplanung, die als längerfristig angesetzter Prozess definiert wird, und den kurzfristig zu erstellenden Spitallisten. In letzterem Bereich empfahl sie den Kantonen, auch private Spitäler und Pflegeheime angemessen zu berücksichtigen, diese Anerkennung aber nicht an eine Subventionspflicht zu koppeln [12]. Als erste Tendenz der Spitalplanung liess sich erkennen, dass die Kantone unter den einzelnen Spitälern eine Art Opfersymmetrie betreiben und nur in den seltensten Fällen - so etwa im Kanton Zürich - zur Schliessung ganzer Spitäler bereit sind [13].
Der Nationalrat unterstützte gegen den Willen der SP eine parlamentarische Initiative Hochreutener (cvp, BE), welche verlangt, dass bei medizinisch begründeten ausserkantonalen Hospitalisierungen der Kanton sowohl in den öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern als auch in den privaten Kliniken die allfällige Differenz zwischen Kostenbeteiligung der Krankenkassen und den Tarifen der betreffenden Institution zu übernehmen hat. Der Initiant begründete dies unter anderem damit, dass die öffentlichen Spitäler oftmals restlos überfordert seien, während in den Privatkliniken Betten frei wären. Gemäss geltendem KVG sei es den Kantonen praktisch nicht möglich, mit ausserkantonalen Privatspitälern Abkommen über die Tarife zu vereinbaren. Die Gegner der Initiative warnten vor einem neuerlichen Kostenschub und verwiesen darauf, dass auch unter dem geltenden Gesetz die Möglichkeit besteht, dass ein Kanton mit einer ausserkantonalen Privatklinik ein Abkommen trifft, welches die Kostenbeteiligung regelt. Der Initiative wurde mit 71 zu 53 Stimmen Folge gegeben [14].
Der Preisüberwacher meldete Zweifel gegenüber der von den Spitälern geübten und von den Krankenkassen tolerierten Praxis an, den Privat- und Halbprivatversicherten medizinische Leistungen zusätzlich zur Tagespauschale in Rechnung zu stellen. Dies führe zu Missbräuchen und sei Anreiz für eine nicht gerechtfertigte Mengenausweitung. Als Beispiel fügte er die Situation im Kanton Zug an, wo eine Laboranalyse in der Privatabteilung eines Spitals 120% teurer ist als in der ambulanten Behandlung. Für den Preisüberwacher ist es deshalb nicht verwunderlich, dass immer mehr Personen aus den Halbprivat- und Privatversicherungen aussteigen, weil deren Prämien geradezu exorbitant werden [15].
Die Konferenz der kantonalen Sanitätsdirektoren kritisierte den Bundesrat als Beschwerdeinstanz in Tariffragen der öffentlichen Spitäler scharf. Sie warf der Landesregierung vor, ihre Entscheide über umstrittene kantonale Spitaltarife mehr auf politischer denn auf rechtlicher Basis gemäss neuem KVG zu fällen. Der Bundesrat wälze im Bestreben, die Krankenkassenprämien möglichst niedrig zu halten, immer mehr Kosten auf die Kantone und damit die Steuerzahler ab. Insbesondere werde den bis anhin sparsamen Kantonen der neu im KVG festgesetzte Deckungsgrad von 50% bei den Spitalkosten verweigert. Die Sanitätsdirektoren warfen dem Bund zudem vor, die steigenden Belastungen der Kantone durch die Prämienverbilligungen und die Abgeltung für ausserkantonale Hospitalisationen in seine Entscheide nicht einzubeziehen, weshalb in erster Linie die Krankenversicherer und die Versicherten entlastet würden, währenddem die kantonalen Defizite in nicht mehr verkraftbarer Weise anwüchsen [16].
Zukunftsgerichtete Wege in der Spitalplanung geht der Kanton Bern. Mit dem neuen Spitalversorgungsgesetz, welches nach einem Referendum von rund 67% der Stimmenden angenommen wurde, setzt sich der Kanton in die Lage, mit den Spitälern Leistungsvereinbarungen abzuschliessen. Diese sollen nicht für einzelne Leistungen, sondern in der Regel für ganze Leistungspakete gelten. Diese werden durch im voraus festgelegte Pauschalen abgegolten, die sämtliche entstehenden Betriebskosten inklusive Amortisation entschädigen. Die einzelnen Pakete werden im Rahmen öffentlicher Submissionsverfahren ausgeschrieben und dann jene Offerten berücksichtigt, welche das günstigste Verhältnis zwischen Preis und verlangter Leistung aufweist. Im Kanton Bern wird damit gerechnet, dass durch diese Effizienzsteigerung rund zehn Regionalspitäler verschwinden werden [17].
Die Volksinitiative "für eine freie Arzt- und Spitalwahl" kam mit 134 015 gültigen Unterschriften zustande. Interessenvertreter aus Kreisen der Ärzteschaft und der Privatspitäler hatten die Initiative unter anderem aus der Befürchtung heraus lanciert, dass die Kantone private Spital-, Pflege- und Rehabilitationsinstitutionen von ihren Spitallisten verbannen und die Behandlungen in ausserkantonalen Spitälern und Kliniken einschränken könnten. Die Initianten stören sich auch an den Subventionsmechanismen bei den Spitälern. Die heutigen Subventionsflüsse würden zur Finanzierung der Spitaldefizite von öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern eingesetzt, ganz unabhängig von den tatsächlich erbrachten Leistungen und deren nachvollziehbaren Kosten. Diese Regelung verhindere die von allen Seiten geforderte Kostentransparenz. Prominente Mitinitianten des Volksbegehrens, welches die Unterstützung der FMH fand, sind der Chef des privat geführten Paraplegiker-Zentrums in Nottwil (LU) sowie die beiden FDP-Nationalräte Guisan (VD) und Suter (BE). Abgelehnt wurde es hingegen von den Krankenkassen. Diese erklärten, die auf den ersten Blick vernünftige und wettbewerbsfreundliche Forderung entpuppe sich bei vertiefter Analyse als überflüssig, enorm kostentreibend sowie wettbewerbsbehindernd und wecke zudem falsche Erwartungen [18].
Der Detailhandel-Discounter Denner lancierte Ende Jahr eine Volksinitiative "für tiefere Spitalkosten". Demnach soll die obligatorische Krankenversicherung in der heutigen Form aufgehoben und durch eine reine Spitalkostenversicherung ersetzt werden. Ganz gleich, ob ein Patient in der allgemeinen oder privaten Abteilung, im öffentlichen Spital oder in der Privatklinik liegt, sollen die Versicherer pro Tag 250 Fr. (indexiert) an die Kosten bezahlen [19].
 
[12] Presse vom 2.4.97.12
[13] WoZ, 18.12.97; NZZ, 20.12.97; JdG, 27.12.97; TA, 30.12.97; Bund, 31.12.97. Siehe SPJ 1996, S. 261 f.13
[14] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1761 ff.14
[15] Presse vom 5.9.97. Siehe unten (Medizinische Analysen).15
[16] NZZ, 22.11.97.16
[17] Presse vom 24.11.97.17
[18] BBl, 1997, IV, S. 1656 f.; Presse vom 22.3. und 24.6.97; NZZ, 6.6.97 (Suter). Das neue KVG verpflichtet den Wohnkanton bei einer zwingenden ausserkantonalen Hospitalisation nur zur Übernahme der Kosten in öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern (NZZ, 10.3.97; TA, 25.3.97). Siehe SPJ 1996, S. 236.18
[19] BBl, 1997, IV, S. 1344 ff.19