Année politique Suisse 1997 : Politique sociale / Groupes sociaux / Frauen
print
Politische Vertretung
Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Statistik verbessert sich die Stellung der Frauen in der Politik langsam aber kontinuierlich. So nahm der Anteil in den kantonalen Parlamenten von 22% im Jahr 1995 auf 23% im April 1997 zu. Bemerkenswert war namentlich die Steigerung bei den Regierungsrätinnen, deren Anzahl im gleichen Zeitraum von 19 auf 25 anstieg, womit sich der Anteil der Frauen in den Kantonsregierungen auf 15% erhöhte. Aufgrund einer schriftlichen Umfrage bei rund 115 Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern wurde auch die Situation der Frauen in den Gemeindeexekutiven untersucht. Wie auf eidgenössischer und kantonaler Ebene erwies sich auch hier, dass die Frauen von linken und grünen Parteien relativ grössere Wahlchancen haben als die Frauen der bürgerlichen Parteien. So betrug der Frauenanteil bei der SP 32% und bei den Grünen 44%, während sich ihr Anteil bei den bürgerlichen Bundesratsparteien lediglich zwischen 15% und 22% bewegte. Es zeigte sich auch, dass die Wahlchancen der Frauen für die Gemeindeexekutive in der deutschsprachigen Schweiz grösser sind als in der Romandie oder im Tessin [50].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament, die Volksinitiative "für eine gerechte Verteilung der Frauen in den Bundesbehörden (Initiative 3. März)" abzulehnen sowie auf einen Gegenvorschlag zu verzichten. Er befand, die Initiative sei zu rigide, unverhältnismässig und ein allzu offensichtlicher Verstoss gegen die Wahlfreiheit. Die Situation der Frauen in den Behörden der Schweiz sei nicht so unbefriedigend, dass dermassen starre und absolute Quoten notwendig wären. Mit seiner Einschätzung stellte er sich gegen das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann. Dieses beurteilte die Initiative als einen wichtigen Vorschlag. Quoten seien ein Mittel, um die Gleichstellung der Frauen innert nützlicher Frist zu realisieren [51].
Nur wenige Tage später erhielt der Bundesrat vom Bundesgericht Sukkurs. Die Richter in Lausanne stützten einen Entscheid des Solothurner Kantonsrates, der im Vorjahr eine Initiative, welche Quoten in den kantonalen Behörden verlangte, für ungültig erklärt hatte. Sie wiesen die Stimmrechtsbeschwerde der Initiantinnen mit der Begründung ab, starre Quoten bedeuteten faktisch eine Sperre für Kandidaten des anderen Geschlechts und seien deshalb unverhältnismässig. Männer würden einzig ihres Geschlechtes wegen diskriminiert; sie könnten über längere Zeit nicht mehr für Ämter kandidieren. Dies sei ein schwerer Eingriff in die verfassungsmässige Garantie des Wahl- und Stimmrechts. Zwar zeigten einige der sieben Bundesrichter durchaus Sympathien für die Quote als spezielle Form der Frauenförderung. Es überwog aber das Argument, das öffentliche Interesse an frei wählbaren Personen sei grösser.
Das Urner Kantonalparlament erklärte Anfang Juni die von der Grünen Bewegung Uri eingereichte kantonale Volksinitiative "für gleiche Wahlchancen" für ungültig, weil sie Bundesrecht verletze. Die Initiative verlangte, dass alle Behörden und Kommissionen, die vom Volk gewählt oder durch gewählte Organe bestimmt werden, annähernd zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt sein müssen. Jedes Geschlecht sollte jedoch mindestens zu einem Drittel vertreten sein [53].
Zwei Interpellationen (Langenberger, fdp, VD und Vermot, sp. BE) zur nach wie vor unterproportionalen Vertretung der Frauen in den Expertenkommissionen des Bundes sowie den internen Arbeitsgruppen der Bundesverwaltung wurden vom Bundesrat etwas ausweichend mit dem Argument der relativ wenigen zur Verfügung stehenden Frauen beantwortet. Immerhin habe sich der Anteil der Frauen in Expertenkommissionen in den letzten zehn Jahren von 8% auf 28% gesteigert [54].
Anfang November beschloss das Zuger Stadtparlament, im Geschäftsreglement des Grossen Gemeinderates alle Bezeichnungen für die öffentliche Ämter der Stadt allein in der weiblichen Form aufzuführen, wobei in einer Fussnote vermerkt wurde, dass damit die Männer mitgemeint seien [55].
Zu den Wahlerfolgen der Frauen in den kantonalen Exekutiven sowie zu ihrer Stellung innerhalb der Parteien siehe oben, Teil I, 1d und unten, Teil IIIa.
 
[50] Lit. Bundesamt. Siehe dazu auch oben, Teil I, 1e (Wahlen). Vgl. SPJ 1996, S. 237 f.50
[51] BBl, 1997, III, S. 537 ff.; Presse vom 18.3.97; TA, 4.3.97; Ww, 3.4.97. Vgl. SPJ 1995, S. 265. Im Hinblick auf die anstehende parlamentarische Beratung der Initiative liesen die Initiantinnen Modelle für deren praktische Umsetzung ausarbeiten (Presse vom 23.8.97).51
[53] TA, 5.6.97.53
[54] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1529 f. und 1581 f. Vgl. SPJ 1993, S. 235.54
[55] NLZ, 5.11.97.55