Année politique Suisse 1997 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Hochschulen
Im November 1996 hatte die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) den Entwurf für eine neue interkantonale Hochschulvereinbarung vorgestellt. Basel und Zürich hatten diesen jedoch nicht akzeptiert und Jura und Neuenburg sich der Stimme enthalten, weshalb eine Bereinigung nötig wurde. Im Februar konnte die EDK einstimmig die für 1999 vorgesehene definitive Fassung verabschieden, die als Kompromiss die Erreichung der maximalen Hochschulbeiträge bereits im Jahr 2002 anstatt erst 2003 vorsieht. Die neuen Hochschulbeiträge selbst, die erstmals nach Fachgruppen unterschieden werden, blieben gegenüber dem Entwurf unverändert [36].
Ende Jahr gab das EDI den Entwurf für eine Revision des Hochschulförderungsgesetzes (HFG) in die Vernehmlassung. Diese soll spätestens Anfang 2000 in Kraft treten und den Lehr- und Forschungsplatz Schweiz auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten. Hauptziel ist die verbesserte Koordination zwischen Bund und Kantonen sowie zwischen Universitäten, ETH und zukünftigen Fachhochschulen. Der Entwurf enthält als wichtigste Elemente eine Neuregelung der Führungsstrukturen und der Finanzierungsinstrumente des Bundes. Bund und Kantone sollen ihre hochschulpolitischen Strategien enger aufeinander abstimmen und ihre jeweiligen Kompetenzen im Hochschulbereich vermehrt gemeinsam ausüben. Dies soll über drei Gremien geschehen: Eine zu bildende Regierungskonferenz soll als Aussprachegremium zwischen Bund und Kantonen dienen. Neu geschaffen werden soll ausserdem eine Universitätskonferenz, die als gemeinsames Hochschulorgan funktioniert. Im Unterschied zur heutigen Hochschulkonferenz, die nur Empfehlungen abgeben kann, soll diese in einigen wenigen, klar definierten Bereichen für Bund und Kantone bindende Beschlüsse fassen können. So sollen eine gesamtschweizerische Aufgabenteilung im Hochschulbereich (Bildung von Kompetenzzentren) und gesamtschweizerische Rahmenbedingungen über die Anerkennung von Studiengängen, -abschnitten und -abschlüssen verwirklicht und sichergestellt werden. Als drittes Organ ist die Rektorenkonferenz als interuniversitäres Organ der Hochschulleitungen vorgesehen. Da die Zuständigkeit des Bundes nicht ausreicht, um der Universitätskonferenz die erwähnten Kompetenzen zu übertragen, sehen die Universitätskantone vor, unter sich ein Konkordat abzuschliessen, das der Universitätskonferenz die selben Befugnisse erteilt, wie sie ihr von seiten des Bundes mit dem neuen Hochschulförderungsgesetz übertragen werden.
Bei der Finanzierung durch den Bund soll von der am Aufwand orientierten Subventionierung der kantonalen Hochschulen zur leistungsbezogenen Ausschüttung von Bundesmitteln übergegangen werden. Die Sockelbeiträge sollen volumenbezogen, also nach der Zahl der Studierenden berechnet werden, wobei neu die Fachbereiche gewichtet werden und die anrechenbare Studiendauer 12 Semester betragen soll. Als Bemessungsgrundlagen für die Forschungstätigkeit an den Universitäten werden von einer Arbeitsgruppe des Bundes und der Universitätskantone konkrete Modelle entwickelt. Als Kriterien werden etwa die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die Entwicklung der zugeflossenen Drittmittel oder die Zahl der vom Nationalfonds bewilligten Forschungsmittel geprüft. Als Anreiz für ein gesamtschweizerisches Hochschulsystem sollen neu Beiträge an Projekte für spezifisch nationale Aufgaben ausgerichtet werden. In Abweichung zum geltenden Gesetz schlägt der Entwurf zudem vor, dass nicht mehr alle Investitionsvorhaben der Kantone subventionsberechtigt sind. Verzichtet werden soll insbesondere auf Pauschalbeiträge an Hochschulklinikbauten der Humanmedizin und an die Förderung von Studentenwohnheimen [37].
Die Schweiz sprach sich für die neue europäische Hochschulkonvention aus, die im April an einer Konferenz des Europarates und der Unesco in Lissabon verabschiedet wurde. Das "Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in den europäischen Regionen", das die sechs bisherigen Hochschulkonventionen, denen die Schweiz 1991 beigetreten ist, ersetzen soll, sieht neu die Anerkennung von im Ausland erworbenen Studienleistungen, die Transparenz und Fairness des Anerkennungsentscheides sowie zuverlässige Informationen über die nationalen Bildungssysteme der Teilnehmerstaaten vor [38].
Im Auftrag des Schweizerischen Wissenschaftsrats (SWR) untersuchte eine internationale Expertengruppe die Geisteswissenschaften an Schweizer Universitäten. Ihre Bilanz fiel gemischt aus: Während sie die Vielfalt, Produktivität und Qualität der wissenschaftlichen Arbeiten positiv beurteilte, kritisierte sie, dass es an einer kohärenten Wissenschaftspolitik und an der Koordination der wissenschaftlichen Arbeit fehle. Einen eigentlichen Notstand ortete sie bei den Arbeitsbedingungen des akademischen Mittelbaus. Im Vergleich zum Ausland daure es zu lange, bis Dissertationen oder Habilitationsschriften abgeschlossen sind, weil Assistenten mit zuviel administrativer Arbeit eingedeckt würden. Zwischen Assistenten- und Professorenstellen seien ausserdem mehr Positionen wie befristete Dozenturen zu schaffen, damit Assistenten wegen der langen Wartezeit bis zu einer Berufung nicht ins Ausland abwandern. Das System sei insgesamt zu sehr auf Ordinariate zugespitzt [39].
An den Universitäten Lausanne und Zürich kam es zu Demonstrationen und Streiks. In Lausanne protestierten im April und im Dezember Studierende und Assistenten gegen die Sparpläne der Regierung. In Zürich wehrten sich die Studierenden im Dezember gegen das neue Universitätsgesetz, das eine bürgerliche Mehrheit im Kantonsrat durchgesetzt hatte. Dieses sieht die Möglichkeit eines Numerus clausus - nicht begrenzt auf die Medizin - ebenso vor wie höhere Gebühren und eine Studienzeitbeschränkung. Neu soll Drittmittel-Beschaffung bzw. Sponsoring durch die Privatwirtschaft möglich sein. Nichts wissen wollte der Zürcher Kantonsrat dagegen von einer öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Studentenorganisation sowie von einem expliziten Gleichstellungsartikel [40].
Die Schweizerische Hochschulkonferenz (SHK) sprach sich angesichts im Berichtsjahr erneut fehlender Studienplätze in der Medizin dafür aus, die Vorbereitung für einen Numerus clausus 1998 unverzüglich aufzunehmen [41].
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Kooperation unter Hochschulen
Die Universitäten Bern, Neuenburg und Freiburg, die in der Benefri-Konvention zusammengeschlossen sind, schufen erstmals ein interuniversitäres Departement. Für die Studienrichtung Erdwissenschaften vergeben sie neu ein gemeinsames Diplom; die Studierenden müssen für das Hauptstudium zwischen den drei Universitäten pendeln [42].
Nicht zustande kam eine Zusammenarbeit der Universitäten Bern und Zürich bei den Islamwissenschaften, nachdem Bern, das zu einem Schwerpunkt hätte ausgebaut werden sollen, mit der Besetzung seines zweiten Lehrstuhls auf sich warten liess. Ausserdem bildete sich in Zürich eine starke Lobby für die Beibehaltung der eigenen Islamwissenschaften [43].
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Studierende
Nachdem die Zahl der Studierenden in den letzten zwei Jahren rückläufig war, stieg sie im Wintersemester 1996/97 auf Rekordhöhe an. Mit 91 408 Eingeschriebenen betrug die Zunahme im Vergleich zum Vorjahr 3,6%. Insbesondere die Universitäten St. Gallen (+22,9%) und Zürich (+12%) verzeichneten eine starke Zunahme der Studienanfänger, während Freiburg (-13,2%) und Lausanne (-6,3%) an Popularität einbüssten. Die neugegründete Universität der italienischen Schweiz hatte in ihrem ersten Jahr 322 Studierende. 42,6% (1996: 41,8%) der an Schweizer Hochschulen eingeschriebenen Studierenden waren Frauen [44].
Gemäss einer Studie des BFS wird die Zahl der Studierenden bis zum Jahr 2004 um fast ein Viertel auf rund 110 000 ansteigen. Hauptgründe sind die steigende Zahl von Maturanden, die kürzere Ausbildungsdauer an den Gymnasien sowie neue Studienangebote, namentlich auch durch die neue Tessiner Universität. Diese rechnet bei Vollbelegung ab 2001 mit rund 2000 Immatrikulationen. Im internationalen Vergleich weist die Schweiz aber nach wie vor eine sehr tiefe Studierendenquote auf. Von den OECD-Ländern stand sie 1995 vor der Türkei und Mexiko an drittletzter Stelle [45].
Anlässlich einer Umfrage des BFS zur geographischen Mobilität gaben nur 11% der Studierenden an, während des Studiums einen Gastaufenthalt an einer anderen Hochschule verbracht zu haben. 42% dieser mobilen Studierenden gingen im Rahmen des binnenschweizerischen Mobilitätsprogramms "CH-Unimobil" weg, in 15% der Fälle handelte es sich um ein anderes Austauschprogramm; 43% organisierten ihren Gastaufenthalt selbst. Gemäss der Studie sind Westschweizer Studierende nicht mobiler als Deutschschweizer [46].
 
[36] Presse vom 21.2.97; TA, 22.2.97. Vgl. SPJ 1996, S. 297.36
[37] Presse vom 16.12.97.37
[38] NZZ, 11.3.97.38
[39] Presse vom 17.2.97.39
[40] NQ, 16.4. und 31.10.97; TA, 8.12.97; WoZ, 11.12.97. Über das neue Universitätsgesetz stimmt der Kanton Zürich im März 1998 ab.40
[41] Presse vom 28.2.97.41
[42] NZZ und Lib., 20.6.97. Vgl. SPJ 1996, S. 299.42
[43] BZ, 28.11.97.43
[44] Presse vom 10.5.97.44
[45] Lit. BFS; Presse vom 29.11.97.45
[46] BaZ, 4.2.97.46