Année politique Suisse 1997 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Fachhochschulen
Bis Ende Februar hätte die erst im letzten November eingesetzte Eidgenössische Fachhochschulkommission (EFHK) unter Leitung von Ascom-Direktor Hansjürg Mey dem Bundesrat eine Auswahlempfehlung zu den Fachhochschulen bekanntmachen sollen, damit dieser im Frühjahr die entsprechenden Anerkennungen hätte erteilen können. Nur so hätten die ersten Studierenden im Schuljahr 1997/98 an den Fachhochschulen ihre Ausbildung beginnen können. Der in einem eher unhelvetischen Tempo geplante Umbau der rund 60 Höheren Fachschulen der Bereiche Wirtschaft, Technik und Gestaltung in "ungefähr zehn" Fachhochschulen bis zum Jahr 2003 geriet jedoch in Verzug: Die EFHK äusserte im Februar aufgrund der bislang eingegangenen Gesuche qualitative und strukturelle Bedenken und bemängelte insbesondere, dass Ansätze zur Schwerpunktbildung und Interdisziplinarität fehlten. Der vielzitierte Aufbruch der Reform erschöpfe sich noch vielerorts im Prinzip der regionalen Besitzstandwahrung. Um zu verhindern, dass über bestehende Strukturen einfach der Titel Fachhochschule gesetzt wird und um ein konkretes Anforderungsprofil für Fachhochschulen erstellen zu können, erwirkte die EFHK beim Bundesrat eine Verschiebung des Anerkennungsverfahrens von Februar auf November 97. Damit wird der Bundesrat erst im Frühjahr 1998 über die Gesuche entscheiden. Um den Start der Hochschulreform aber nicht de facto um ein Jahr verschieben zu müssen, setzte die EFHK eine Übergangsregelung durch, gemäss der die Fachhochschulstudiengänge rückwirkend auf Beginn des Studienjahres 1997/98 (1. Oktober 1997) anerkannt werden. Wer im Herbst 1997 sein Studium in einem Lehrgang aufnahm, der die rückwirkende Genehmigung nicht erhält, kann entweder ein Diplom alter Ordnung mit nachträglicher Aufwertung zu einem Fachhochschuldiplom anstreben oder in einen genehmigten Fachhochschul-Studiengang wechseln, sofern die dafür notwendigen Bedingungen erfüllt werden [47].
Mitte April legte die EFHK das Konzept eines dreistufigen Anerkennungsverfahrens, das zwischen Studiengang, Teilschule und Fachhochschule unterscheidet, und einen entsprechenden Kriterienkatalog vor. Als Fachhochschul-Studiengang gilt eine Lehrveranstaltung, bei der mindestens 15 Studierende unterrichtet oder jährlich wenigstens zehn Diplome ausgestellt werden. Als Teilschule einer Fachhochschule bewerben kann man sich, wenn der rechtlich-politische Einbau in die Fachhochschule gewährleistet ist, mindestens drei anerkannte Studiengänge angeboten werden, 80% der Lehrkräfte über einen Hochschulabschluss verfügen, ein System der Qualitätssicherung fest installiert ist und für Dozierende ein Anreizsystem für die Übernahme von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben besteht. Den Titel Fachhochschule schliesslich erhält nur, wer unter seinem Dach mindestens je eine anerkannte Technikerschule (HTL), Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV) sowie möglichst eine Gestaltungsschule (HFG) vereinigen kann, die über interdisziplinäre Lehrveranstaltungen verbunden sind. Weitere Kriterien sind u.a. die klare Trennung von strategischer und operativer Leitung, die Spezialisierung auf ein Schwerpunktstudium sowie die Sicherstellung von angewandter Forschung und Entwicklung und die Zusammenarbeit mit Hochschul- und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland. Dozierende brauchen in der Regel einen Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss [48].
Weiter gab die EFHK die Empfehlung ab, gesamtschweizerisch nur sieben Fachhochschulen zu schaffen. Nachdem 1996 zehn Gesuche gestellt worden waren, stieg die Zahl bis Mitte Berichtsjahr aber auf insgesamt 14 Gesuche an. Neun kamen aus der Deutschschweiz, je eines aus dem Tessin und der Westschweiz und drei von Privaten (Akad, Fern-FH-Brig sowie die in einem Verein zusammengeschlossenen Feusi Bern, Kaderschule St. Gallen und Regensdorf). Der Anstieg der Gesuche hatte insbesondere damit zu tun, dass der geplante Fachhochschulverbund Zürich - Ostschweiz (SG, TG, SH, GL, GR, AI und AR) im Frühjahr scheiterte. Der Kanton Zürich entschied sich für den Alleingang, weil er mit der Forderung nach mehr Mitspracherecht für Standortkantone von Fachhochschulen nicht durchkam. Die Ostschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz reichte deshalb vier individuelle Gesuche - Zürich, St. Gallen, Rapperswil/Wädenswil (SG/ZH) und Chur/Samedan/Buchs (GR/SG) - ein. Die EFHK empfahl jedoch, in der Ostschweiz lediglich zwei Fachhochschulzentren entstehen zu lassen: eines in der Südostschweiz mit Standorten in Buchs, Chur, Samedan und dem liechtensteinischen Schaan sowie eine in Zürich, der auch die Schulen in Rapperswil und St. Gallen angeschlossen werden sollen. Ausserdem forderte sie in der Nordwestschweiz einen Verbund der Kantone Aargau, Solothurn und der beiden Basel, die drei individuelle Gesuche eingereicht hatten [49].
Die Westschweiz bekundete mit dem Aufruf zur Regionalisierung weniger Mühe. Zu Beginn des Jahres stellten die sechs französisch- oder zweisprachigen Kantone (GE, VD, NE, VS, FR und JU) die Haute école spécialisée de Suisse occidentale vor. Insbesondere aus Genf erhob sich zwar Widerstand gegenüber einer gemeinsamen Westschweizer Fachhochschule. Im Juni lehnten die Genfer Stimmbürger eine Volksinitiative der Linken, die eine eigene Fachhochschule für Genf verlangte, um den Bildungsstandort Genf zu sichern, jedoch ab [50].
Ende November beantragte die EFHK dem Bundesrat definitiv, nur sieben Fachhochschulzentren zu genehmigen: Westschweiz, Südschweiz (Tessin), Bern-Mittelland, Zentralschweiz, Südostschweiz, Nordwestschweiz (BS, BL, AG und SO) sowie Zürich-Nordostschweiz. Rund 30 der heute 240 Studiengänge sollen aufgehoben werden, wobei vor allem das Ingenieurwesen, die Architektur und Raumplanung sowie die Betriebswirtschafts- und Verwaltungslehre betroffen sind. Das Bewilligungsverfahren für die Schulen für Gestaltung verzögerte sich um einige Monate. Im Herbst 98 sollen die Schulen offiziell als Fachhochschulen den Lehrbetrieb weiterführen können. Im kurzen Vernehmlassungsverfahren, das bis zum 15. Dezember dauerte, wehrten sich insbesondere die beiden Basel, Aargau und Solothurn einmal mehr gegen den geplanten "Zwangsverbund" Nordwestschweiz. Die Erziehungsdirektorenkonferenz der Ostschweizer Kantone beantragte, die FHS Südostschweiz in FHS Ostschweiz umzubenennen und das Technikum Rapperswil (ITR), das der FHS Zürich-Nordostschweiz zugeordnet wurde, der FHS Ostschweiz anzugliedern [51].
Nationalrat Randegger (fdp, BS) machte auf die Ungleichbehandlung der Hochschulen und der in Gründung begriffenen Fachhochschulen bezüglich erwirtschafteter Erträge aufmerksam. Indem den Fachhochschulen solche von dem für die Bundesbeiträge anrechenbaren Gesamtaufwand abgezogen werden sollen, bestünden keinerlei Anreize mehr für Wissens- und Technologietransfer in Wirtschaft und Gesellschaft. Der Nationalrat überwies ein Postulat zur Prüfung dieser Frage [52].
 
[47] NZZ, 12.2.97; Presse vom 18.2.97. Vgl. SPJ 1996, S. 303 f.47
[48] NZZ, 26.5.97.48
[49] Presse vom 7.3.97 (Alleingang ZH); SGT, 29.4.97; BüZ, 17.10.97 (Ostschweiz); Presse vom 4.7.97.49
[50] JdG und Lib., 19.1.97; JdG, 15.5. und 9.6.97. Die Genfer nahmen stattdessen den Gegenvorschlag der Regierung an, der die Basis für ein gemeinsames Westschweizer Projekt legt und verspricht, nichts am Status der Lehrkräfte zu ändern und den weiterhin kostenlosen Zutritt zu den Schulen zu garantieren. Vgl. SPJ 1996, S. 303.50
[51] Presse vom 26.11.97. Nordwestschweiz: BaZ, 10.12. und 17.12.97. Ostschweiz: SGT, 12.12.97.51
[52] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2847 f.52