Année politique Suisse 1998 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Parteiensystem
Für die Parteiparolen zu den eidgenössischen Volksabstimmungen siehe parolen_1998.pdf.
Zu den Sitzanteilen der Parteien auf Exekutiv- und Legislativebene sowie zu den Frauenanteilen vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlen) sowie Anhang (anhang_1998.pdf). Siehe auch die verschiedenen Sachkapitel.
In der nachgeführten Verfassung werden neu die politischen Parteien explizit als Mitwirkende an der Meinungs- und Willensbildung des Volkes erwähnt, womit das Verfassungsrecht mit der gelebten Verfassungswirklichkeit in Einklang gebracht wurde. Die von der nationalrätlichen Kommission beantragte Aufnahme der Parteien in die totalrevidierte Verfassung wurde von der grossen Kammer einstimmig, von der kleinen gegen die Stimme von Carlo Schmid (cvp, AI) gutgeheissen. Der Ständerat hielt zuhanden der Materialien fest, dass der Parteienartikel keine Grundlage für eine spätere Parteienfinanzierung bilde [1].
Das Tessiner Kantonsparlament verabschiedete ein neues Gesetz über die politischen Rechte, das erstmals in der Schweiz Bestimmungen über die Offenlegung von Parteispenden beinhaltet. Darin werden die Parteien verpflichtet, Spenden von über 10 000 Fr. inskünftig bei der Staatskanzlei zu melden, worauf der Betrag und der Name des Spenders im Amtsblatt veröffentlicht werden. Zudem müssen Kandidierende sowie Initiativ- und Referendumskomitees einen Monat vor dem Wahl- bzw. Abstimmungstag Beiträge von über 5000 Fr. offenlegen. Der Gesamtbetrag der Spenden für den Wahlkampf eines Kandidierenden darf 50 000 Fr. nicht überschreiten. Anstoss für das neue Gesetz gaben Forderungen nach mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung, nachdem die Kurgesellschaft von Mendrisio den Regierungsparteien Spenden von je 20 000 Fr. im Hinblick auf den Erhalt einer Spielbanklizenz offeriert hatte. Die Inkraftsetzung der neuen Bestimmungen wurde für das kommende Jahr vorgesehen, womit sie im kantonalen Wahlkampf 1999 zur Anwendung kämen. Die Lega kündigte die Ergreifung des Referendums an, weil sie mit einem Teil des Gesetzes (Erhöhung der Unterschriftenzahl zur Einreichung der Kandidatenliste) nicht einverstanden war [2].
Auch im Berichtsjahr herrschte zwischen den Regierungsparteien in wichtigen Fragen keine Einigkeit, was sich auch bei den eidgenössischen Abstimmungen zeigte. Bei den zehn durchgeführten Volksabstimmungen waren die vier Bundesratsparteien bloss bei der Revision des Arbeitsgesetzes sowie beim befristeten Getreideartikel einer Meinung (1997: 2 von 5). Während die CVP und die FDP bei allen Vorlagen der Empfehlung von Bundesrat und Parlament folgten, scherte die SVP in der Verkehrspolitik (LSVA, Finanzierung der Eisenbahngrossprojekte) aus, die SP beim Haushaltsziel 2001, bei der Gen-Schutz-Initiative, bei der AHV-Auffanginitiative sowie bei den Volksinitiativen “S.o.S. Schweiz ohne Schnüffelpolizei” und “für eine vernünftige Drogenpolitik”. Zusätzlich beschloss sie Stimmfreigabe bei der Kleinbauern-Initiative. Das Volk verhielt sich bei jeder Abstimmung regierungstreu [3].
In der Finanzpolitik einigten sich die Regierungsparteien nach zähem Ringen auf einen Kompromiss zur Verabschiedung des Stabilisierungsprogramms 98, welches zur Sanierung des Bundeshaushalts Einsparungen von 2 Mia Fr. und Mehreinnahmen von 20 Mio Fr. bringen sollte. Umstritten waren von Anfang an die Sparmassnahmen im Sozialbereich sowie die Frage von zusätzlichen Einnahmen. Die SP hatte sich vehement gegen Einsparungen bei der AHV und ALV eingesetzt und gefordert, dass die Haushaltssanierung auch durch Mehreinnahmen, etwa durch die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer erfolgen sollte. Auf bürgerlicher Seite war die Bereitschaft zur Erschliessung weiterer Einnahmequellen klein: FDP und CVP waren zwar mit dem Bundesrat darin einig, das dritte ALV-Lohnprozent weiterzuführen und den Plafond für das zweite Lohnprozent zu erhöhen, darüber hinaus kamen neue Abgaben nur in Frage, wenn der Börsenstempel abgeschafft würde und somit beträchtliche Steuerausfälle kompensiert werden müssten. Die SVP wendete sich ausser beim zusätzlichen Mehrwertsteuerprozent für die Sozialversicherungen generell gegen neue Steuern. Die erste ernsthafte Bewährungsprobe für den Zusammenhalt des runden Tisches erfolgte, als die SP zusammen mit den Gewerkschaften am Nein zum Haushaltsziel 2001 festhielten, was ihnen heftige Kritik von bürgerlicher Seite einbrachte. Umgekehrt stellten zahlreiche bürgerliche Parlamentarier durch ihren Eintritt in das Pro-Komitee der Wohneigentumsinitiative den runden Tisch in Frage, nachdem vorgängig beschlossen worden war, die Volksinitiative “Wohneigentum für alle” des Hauseigentümerverbandes abzulehnen und auf einen Gegenvorschlag bis zum Ausgleich der Bundesfinanzen zu verzichten. Die SVP gab zu dieser Initiative die Ja-Parole aus [4].
Die Regierungsparteien zeigten sich erfreut über den politischen Durchbruch bei den bilateralen Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz. Die FDP verlangte ein rasches Ratifikationsverfahren und eine zügige Umsetzung der Verträge; Diskussionen um einen EU-Beitritt seien mindestens bis zur Inkraftsetzung der Regelungen kontraproduktiv. Die CVP rief die konstruktiven Kräfte des Landes auf, die innenpolitische Umsetzung des Vertragswerkes in Angriff zu nehmen. Dabei seien die bilateralen Verträge emotionslos und sachlich zu prüfen und die daraus resultierenden Vorteile ins Zentrum zu rücken. Die SP wertete das Abkommen als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem EU-Beitritt. Um das Paket innenpolitisch mehrheitsfähig zu machen, forderte sie flankierende Massnahmen gegen Lohndumping im Bereich der Personenfreizügigkeit sowie Begleitmassnahmen im Landverkehr. Zurückhaltender reagierte die SVP, die sich erst nach der innenpolitischen Umsetzung abschliessend äussern will. Für sie stand fest, dass die bilateralen Verhandlungen keine Vorstufe zu einen EU-Beitritt sein dürfen und forderte den Bundesrat auf, das in Brüssel deponierte Beitrittsgesuch zurückzuziehen. Über ein allfälliges Referendum werde sie erst nach den parlamentarischen Beratungen entscheiden. Für die Ergreifung des Referendums sprachen sich die Schweizer Demokraten aus. Unterstützung kündigte die Lega dei Ticinesi an [5].
Um die Wahlchancen von Frauen im Herbst 1999 zu verbessern, stellten sich die Frauen der FDP, CVP, SVP, SP, GPS und EVP hinter das von der Eidgenössischen Frauenkommission (EFK) lancierte 12-Punkte-Manifest “Mehr Frauen ins Parlament!”, das u.a. mehr Unterstützung der Frauen im Wahlkampf, die Förderung von Gleichstellungsbemühungen sowie spezifische Frauenstrukturen und Frauenbeauftragte in den Parteien forderte [6].
 
[1] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 85; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 272 f.1
[2] NZZ, 8.10.98; BaZ, 29.10.98; TA, 13.11.98.2
[3] Vgl. die Tabelle Abstimmungsparolen 1998 am Ende dieses Kapitels; zu den einzelnen Abstimmungen vgl. die verschiedenen Sachkapitel.3
[4] Presse vom 8.4.98 (runder Tisch); Presse vom 8.7.98 (Haushaltsziel); Presse vom 9.12., 11.12. und 14.12.98 (VI “Wohneigentum für alle”). Vgl. auch oben, Teil I, 5 (Sanierungsmassnahmen).4
[5] Presse vom 12.-14.12.98. Vgl. auch oben, Teil I, 2 (Europe: UE).5
[6] BZ, 26.5.98. Vgl. auch oben, Teil I, 1c (Einleitung) und 7d (Frauen).6