Année politique Suisse 1998 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Schweizerische Volkspartei (SVP)
Nach neunjähriger Amtstätigkeit trat der Aargauer Nationalrat Theo Fischer als Präsident der SVP-Bundeshausfraktion zurück, da im Dezember vergangenen Jahres eine Amtszeitbeschränkung für das Fraktionspräsidium statuarisch festgelegt worden war. Als Nachfolger wurde einstimmig der Berner Nationalrat Samuel Schmid gewählt [24].
In der SVP hielten die Kämpfe zwischen dem gemässigten und dem konservativen Flügel weiter an. Insbesondere bei der Berner SVP fielen Blochers Ankündigungen an der traditionellen Albisgüetli-Tagung, eine Initiative zur Volkswahl des Bundesrates zu lancieren sowie die nicht benötigten Reserven der Nationalbank für die Finanzierung der AHV einzusetzen, auf wenig Begeisterung. Während Blocher seine Idee der Volkswahl des Bundesrates wegen Aussichtslosigkeit von sich aus zurückgezogen hatte, drang er mit seinem zweiten Vorschlag durch. An einem Sonderparteitag vom 1. Juni in Aarau hiess eine Mehrheit der Delegierten einen Antrag der Zürcher SVP gut, alle parlamentarischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die überschüssigen Goldreserven der SNB dem AHV-Fonds zufliessen zu lassen. Gleichzeitig wurde der leitende Parteiausschuss beauftragt, eine entsprechende Volksinitiative vorzubereiten, falls der parlamentarische Weg nicht zum Erfolg führe. Mit diesem Antrag sollte der Solidaritätsstiftung des Bundesrates eine Alternative gegenübergestellt werden [25].
Nachdem Parteipräsident Maurer in der Asylpolitik wenig Kompromissbereitschaft gezeigt hatte, mit den drei anderen Regierungsparteien eine “Koalition der Vernunft” einzugehen, kritisierten die beiden SVP-Funktionäre Baltisser (Generalsekretär) und Defago (Pressechef) mit Unterstützung von Fraktionschef Schmid öffentlich die harte Oppositionspolitik des “Zürcher Flügels” und forderten eine parteiinterne Grundsatzdiskussion über die Position der Partei über kurzfristige Wahlerfolge hinaus. Nicht zum ersten Mal gerieten sich dabei auch Bundesrat Ogi und Blocher in die Haare: Ogi warnte einmal mehr vor dem Neinsager-Kurs der Partei und sah in der parteipolitischen Ausrichtung auf Unzufriedene längerfristig keine Erfolgsaussichten. In einem Zeitungsinterview attackierte Blocher seinen eigenen Bundesrat ungemein scharf und warf diesem die Verachtung des Volkes vor. Ein paar Tage später wurde das Interview von einem “Komitee pro Mittelstand”, welchem der Zürcher Nationalrat Hans Fehr beratend zur Seite stand, in rund 20 Zeitungen als ganzseitiges Inserat aufgegeben. In einem parteiinternen Rundschreiben forderte Parteipräsident Maurer alle Mitglieder auf, den öffentlichen Auseinandersetzungen ein Ende zu setzen und kündigte eine Grundsatzdiskussion über die zukünftige Ausrichtung der Partei im Rahmen der angelaufenen Programmdiskussion an [26].
In ihrem Positionspapier zur Wirtschaftspolitik legte die SVP den Hauptakzent auf ein Revitalisierungsprogramm für kleine und mittlere Unternehmungen (KMU), welche ihrer Meinung nach durch Vorschriften behindert und durch Steuern und Abgaben übermässig belastet würden. Die SVP lehnte die Einführung neuer Steuern generell ab und sprach sich einmal mehr für einen dezidierten Sparkurs aus. Bei den Sozialwerken kam für sie unter den Szenarien von IDA-FiSo-2 nur der gezielte Abbau in Frage. Als wichtig erachtete sie die Stärkung des Forschungsplatzes Schweiz, wobei sie der Gentechnologie entscheidende Bedeutung beimass [27].
In ihrem Positionspapier zur Migrationspolitik sprach sie sich für eine erschwerte Zuwanderung von Ausländern aus sowie für die Herabsetzung der Altersgrenze von 18 auf 14 Jahre für den Familiennachzug. Ferner hielt sie die Ausarbeitung eines Gegenvorschlages zur Volksinitiative “für eine Regelung der Zuwanderung”, die den Ausländeranteil auf 18% begrenzen will, im Gegensatz zum Bundesrat für unerlässlich. Bei den Einbürgerungen befürwortete die Partei zwar die erleichterte Einbürgerung von Jugendlichen der zweiten Generation, davon abgesehen soll die Einbürgerungspraxis hingegen restriktiver gehandhabt werden. Im Asylbereich sollen kriminelle, renitente und papierlose Asylsuchende in bewachten Kollektivunterkünften bis zur Ausschaffung untergebracht werden [28].
Im Kanton Uri wurde nach Schwyz (1972), Zug (1991) und Luzern (1992) die vierte SVP-Kantonalsektion in der Innerschweiz gegründet. Die SVP Uri positionierte sich zwischen regierungstreuem und oppositionellem Flügel: zwar wolle sie bei asyl-, ordnungs- und aussenpolitischen Themen wie die Zuger und Luzerner Kantonalpartei einen harten “Zürcher Kurs” einschlagen, darüber hinaus vertrete sie aus Rücksicht auf Urner Befindlichkeiten in den Bereichen Verkehr und Wirtschaft eigene Positionen [29].
Als Ziel für die Nationalratswahlen von 1999 gab die SVP den Erhalt der 1995 eroberten Sitze bekannt. Der Zentralvorstand der SVP Schweiz legte Ende Jahr ein neues Parteiprogramm vor, das an der Delegiertenversammlung vom 23. Januar 1999 verabschiedet werden soll. Nach den Wahlerfolgen der letzten Jahre sah die Parteileitung keinen Grund, ihren prononciert konservativen und mittelständischen Kurs zu ändern. Die Stossrichtung der Wahlplattform 1999 wendet sich energisch gegen neue Steuern und setzt aussenpolitischen Aktivitäten enge Grenzen. Aus neutralitätspolitischen Gründen lehnte die Partei einen UNO- oder NATO-Beitritt ab; auf integrationspolitischer Ebene beharrte sie auf ihrer Forderung, dass der Bundesrat sein EU-Beitritts-Gesuch zurückziehen soll. Statt dessen sah die Partei in guten bilateralen Abkommen eine echte Alternative zur Optimierung der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den europäischen Ländern, unter der Voraussetzung, dass die Abkommen ausgewogen seien. In der Sicherheitspolitik forderte sie ein verstärktes Engagement zur Verbesserung der inneren Sicherheit; ausdrücklich befürwortet wurden subsidiäre Einsätze der Armee im Landesinnern [30].
Bei den kantonalen Wahlen konnte die SVP ihre Wahlerfolge des letzten Jahres nur bedingt wiederholen. Während sie in den Kantonen Bern und Waadt insgesamt 8 Parlamentssitze einbüsste, gewann sie im Kanton Zug, wo sie als klare Oppositionspartei auftrat, zu ihren 3 bisherigen Mandaten deren 6 hinzu. In der Waadt eroberte sie einen Sitz in der Regierung, in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Zug zog sie erstmals zu Lasten der CVP in die Exekutive ein. Bei den Ständeratswahlen in Glarus und Zürich übernahm sie je einen der beiden Sitze von der FDP bzw. vom LdU.
 
[24] Presse vom 14.3. (Fischer) und 30.5.98 (Schmid).24
[25] Bund und BaZ, 31.1.98; SoZ, 1.2.98; Presse vom 2.2.98; Presse vom 2.6.98 (Sonderparteitag zum Thema Goldreserven); Ww, 2.7.98 und Presse vom 4.7.-6.7.98 (Sonderparteitag zum Thema Volkswahl BR).25
[26] Presse vom 14.10.-6.11.98; NZZ, 21.10.99 (Interview Blocher). Nachdem die beiden Parteifunktionäre Baltisser und Defago ihren Rücktritt angedroht hatten, wurde das Arbeitsverhältnis nach einer Aussprache mit Parteipräsident Maurer in gegenseitigem Einvernehmen fortgesetzt (Presse vom 16.10. und 6.11.98).26
[27] AZ, 25.2.98. Vgl. das SVP-Positionspapier “Mit (Auf)schwung ins nächste Jahrtausend”, Bern 1998.27
[28] TA, 28.3.98. Vgl. das SVP-Positionspapier “Migrationspolitik – glaubwürdig und zukunftsorientiert”, Bern 1998.28
[29] NZZ, 7.12.98.29
[30] NZZ und TA, 12.9.98 (Wahlziele); TA, 28.8.98; Bund, 16.9. und 22.9.98; BZ und Blick, 19.9.98; NZZ, 22.10. (Asylpolitik) und 29.12.98 (Wahlplattform).30