Année politique Suisse 1998 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Grüne Partei (GP)
Die Grüne Partei der Schweiz ergriff zusammen mit weiteren Umweltschutzorganisationen das Referendum gegen die Änderung des Raumplanungsgesetzes, weil ihnen die Öffnung der Landwirtschaftszone für betriebsnahe Nebengewerbe, für bodenunabhängige Produktion und für Wohnzwecke zu weit ging [33].
Der Parteitag der GP vom 15. August in Schaffhausen stand in erster Linie im Zeichen der Verkehrspolitik. Einstimmig wurde die Ja-Parole für die LSVA gefasst. Mehr Anlass zu Diskussionen bot die Vorlage über die Finanzierung der Bahninfrastruktur (Finöv). 1992 hatten die Grünen die Neat-Netzvariante mit einem Referendum bekämpft. Der pragmatischen Haltung von Vorstand und Fraktion, beim Entscheid über die Neat auch staats- und realpolitische Aspekte zu berücksichtigen, erwuchs Widerstand aus der fundamentalistischen Strömung der Partei. Das Ja zur Finöv fiel allerdings klar aus. Ferner verabschiedeten die Delegierten ein verkehrspolitisches Positionspapier. Darin forderten sie ein kinder-, umwelt- und sozialverträgliches Gesamtverkehrskonzept und machten sich für eine Vollkostenrechnung aller Verkehrsträger stark. Für die Beibehaltung der 28-Tonnen-Limite wollen sich die Grünen nicht mehr engagieren. Gleichzeitig bekundete die GP ihre Unterstützung für vier verkehrspolitische Initiativen, so z.B. für die “Verkehrshalbierungsinitiative” oder die Initiative für Tempo 30 innerorts [34].
In der Europapolitik vollzogen die Grünen eine Kehrtwende. Nachdem sich die Partei 1992 gegen einen Beitritt zum EWR ausgesprochen hatte, forderte sie jetzt vom Bundesrat die unverzügliche Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen. Ziel der Grünen ist es, dass die Schweiz bis ins Jahr 2002 Mitglied der EU wird. Damit schlug sie im integrationspolitischen Fahrplan eine schnellere Gangart ein als alle anderen Parteien. Aus grüner Sicht sprechen fünf Gründe für einen baldigen Beitritt: die europäische Zusammenarbeit sei nötig, da Ökologie und Soziales auch grenzüberschreitende Lösungen erforderten; die Schweiz müsse dort mitentscheiden, wo die wesentlichen Entscheide fallen; die wirtschaftliche Globalisierung erfordere eine handlungsfähige internationale Ebene; die Schweiz habe in der EU reiche Erfahrungen in Föderalismus und Demokratie einzubringen; ferner sei die Schweiz Teil Europas, die Integration liege daher auch in ihrem Interesse. Von den heftigen Auseinandersetzungen, in denen sich noch im Vorjahr führende Zürcher Grüne gegen den EU-freundlichen Kurs von Parteipräsident Ruedi Baumann gewehrt hatten, war am Parteitag vom 31. Oktober in Montreux nicht mehr viel zu spüren. Dementsprechend verabschiedeten die Delegierten das Positionspapier mit 62 gegen 12 Stimmen bei 9 Enthaltungen deutlich. Mit dem klaren europapolitischen Positionsbezug erhoffte sich die Partei im Hinblick auf das Wahljahr 1999 die Rückeroberung der sechs bei den letzten Nationalratswahlen verlorenen Sitze [35].
Gleichzeitig verabschiedeten die Grünen nebst der Ja-Parole zur Droleg-Initiative ein Positionspapier zur Drogenpolitik. Um dem illegalen Markt mit all seinen negativen Konsequenzen den Boden zu entziehen, braucht es ihrer Ansicht nach eine kontrollierte Legalisierung des Handels. In einem ersten Schritt strebt die GPS die Entkriminalisierung des Konsums von Betäubungsmitteln und eine Erweiterung der staatlichen Drogenabgabe an, begleitet von verstärkter Prävention. In einem weiteren Schritt soll ein kontrollierter und legalisierter Handel geschaffen werden nach den Regelungen, wie sie die Droleg-Initiative vorsah [36].
Erstmals wählte das Parlament einen grünen Bundesrichter. In einer Kampfwahl liess Thomas Georg Merkli seinen FDP-Gegenkandidaten knapp hinter sich. Merkli wirkte schon seit zwei Jahren als nebenamtlicher Ersatzrichter am Bundesgericht in Lausanne [37]. Als erster grüner Stadtpräsident der Schweiz wurde Martin Graf an die Spitze der Gemeinde Illnau-Effretikon (ZH) gewählt [38].
Bei den kantonalen Wahlen verloren die Grünen in Bern zwar einen Sitz, konnten aber in Glarus mit 2 sowie insbesondere in der Waadt mit 6 Mandaten beträchtlich zulegen. Damit gehörten sie in der Waadt neben der PdA zu den eigentlichen Wahlgewinnerinnen, die trotz Verkleinerung des Parlamentes von der neuen Wahlgeometrie am meisten profitierten. Ferner konnten sie ihren Sitz in der Waadtländer Regierung verteidigen.
 
[33] Presse vom 21.3.98; BaZ, 27.6.98; AZ und 24 Heures, 10.7.98; NZZ, 4.9.98. Siehe auch oben, Teil 1, 6c (Raumplanung).33
[34] Presse vom 17.8.98. Vgl. auch das GPS-Positionspapier, Verkehr zukunftsfähig gestalten, Bern 1998.34
[35] TA und NZZ, 26.9.98; LT, 5.10.98; Presse vom 2.11.98. Vgl. auch das GPS-Positionspapier, EU-Beitrittsverhandlungen jetzt aufnehmen, Bern 1998.35
[36] Presse vom 2.11.98. Vgl. auch das GPS-Positionspapier, Kontrollierte Legalisierung statt Repression und Drogenmafia, Bern 1998.36
[37] Presse vom 17.12.98.37
[38] SN, 20.5.98.38