Année politique Suisse 1998 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
Strafrecht
Gestützt auf die Kriminalstatistik des Kantons Zürich konstatierte der Soziologe Manuel Eisner eine massive
Zunahme der von Jugendlichen begangenen Gewaltdelikte (Delikte gegen Leib und Leben, Raub, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung), während die Zahl der wegen Eigentumsdelikten Registrierten nahezu stabil blieb. Der Anteil der ausländischen Jugendlichen an den wegen Gewaltdelikten Verdächtigten hat sich bis 1997 auf 71% erhöht, wobei die Zunahme fast ausschliesslich auf des Konto von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus Albanien geht. Aus diesen beiden Ländern stammten 1997 33% aller wegen Gewaltdelikten registrierten Jugendlichen
[26]. Der stark gestiegene
Ausländeranteil in der Kriminalstatistik (1997 machten sie gesamtschweizerisch 51,5% der ermittelten Straftäter aus) führte zu Forderungen nach strengeren Massnahmen gegen kriminelle Asylbewerber und Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung. Die Angehörigen dieser beiden Gruppen sind massgeblich verantwortlich für den Anstieg des Ausländeranteils unter den Straftätern, können aber oft wegen fehlender Papiere oder wegen laufender Asylgesuche nicht ausgewiesen werden. Die schweizerische Vereinigung der Staatsanwälte und Untersuchungsrichter forderte an ihrer Delegiertenversammlung gesetzliche Grundlagen, um diese Personen bis zum Vollzug der Ausweisung zu internieren
[27].
Anfangs Juli stellte der Bundesrat seine Botschaft zu zwei Bundesgesetzen über die Post- und Telefonüberwachung resp. die Tätigkeit von verdeckten Ermittlern vor. Die Vorschläge für die Postüberwachung und Telefonabhörung entsprachen weitgehend dem Vernehmlassungsprojekt. Die Vergehen, bei deren Verfolgung oder Verhinderung eine Überwachung angeordnet werden kann, wurden jedoch präzisiert, indem sie in einem Katalog aufgezählt sind. Dieser ist allerdings keineswegs so restriktiv, wie er von der SP gefordert worden war. Die Bedingungen, unter denen eine richterliche Behörde im Rahmen einer Untersuchung eine Überwachung anordnen darf (die von einem übergeordneten Justizorgan zu genehmigen ist), wurden gegenüber den geltenden Bestimmungen und der bisherigen Praxis etwas verschärft. Anstelle eines blossen muss nun ein konkreter Tatverdacht vorliegen; wie bis anhin soll es dabei um eine gravierende strafbare Handlung gehen, die mit anderen Ermittlungsmethoden ungenügend hat aufgeklärt werden können.
Das
neue Gesetz über verdeckte Ermittler gilt in erster Linie für den Einsatz bei der Bekämpfung des Drogenhandels durch den Bund und die Kantone; es kann zudem auch im Strafverfahren bei den der Bundesgerichtsbarkeit unterstehenden schweren Delikten angewendet werden. Bei den eingesetzten Ermittlern muss es sich in der Regel um ausgebildete Polizisten handeln. Der Einsatz von verdeckten Ermittlern ausserhalb des Drogenhandels durch die Kantone ist nicht ausgeschlossen, bedarf allerdings einer eigenen kantonalen Rechtsgrundlage. Mit richterlicher Genehmigung können diese Ermittler gemäss dem Projekt des Bundesrates mit einer anderen Identität und entsprechenden Papieren ausgestattet werden. Für ihren Einsatz gelten die gleichen Voraussetzungen wie beim Telefonüberwachungsgesetz (Schwere des Delikts, konkreter Tatverdacht und Erfolglosigkeit anderer Ermittlungsmethoden). In der Anwendung wird zwischen zwei Phasen unterschieden. In einer ersten, bei der es um die Infiltration einer Organisation oder Szene geht, wird der Einsatz von der Leitung einer kantonalen oder eidgenössischen Polizei angeordnet, in der zweiten Phase, im Rahmen eines Strafverfahrens, von den Untersuchungsbehörden (in den Kantonen meist Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter). Erst in dieser zweiten Phase soll es den verdeckten Ermittlern
erlaubt sein, den Händlern als Kunden entgegenzutreten und straflos Drogen abzukaufen. Bei anderen im Rahmen ihrer Tätigkeit möglichen Straftaten soll diese Straflosigkeit hingegen nicht bestehen, da eine Beteiligung von Polizeibeamten an Delikten wie Einbrüchen oder Raubüberfällen oder die Begehung der von kriminellen Organisationen von neuen Mitgliedern als Loyalitätsbeweis verlangten Gewalttaten rechtsstaatlich problematisch wäre. Das Gesetz enthält schliesslich auch Schutzbestimmungen für die Ermittler, welche namentlich dazu dienen, während des Gerichtsverfahrens deren Identität nicht preiszugeben
[28].
Die im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung im Paket Justizreform vom Bundesrat beantragte Kompetenz zur
Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen wurde vom Parlament gutgeheissen. Widerstand gab es nur von den Liberalen Leuba (NE) und Sandoz (VD), welche das Projekt aus grundsätzlich föderalistischen Gründen bekämpften. Die Vorlage konnte allerdings im Berichtsjahr infolge von Differenzen zwischen den beiden Räten zu anderen Reformteilen noch nicht verabschiedet werden
[29]. Die
praktische Umsetzung dieser Vereinheitlichung wird freilich noch einige Zeit dauern. Der Fahrplan des EJPD sieht eine Vernehmlassung frühestens im Jahr 2000 und die Inkraftsetzung nicht vor 2005 vor. Eine Expertenkommission präsentierte zu Jahresbeginn einen ersten Grundlagenbericht für ein künftiges Strafprozessgesetz. Dabei fassten die Wissenschafter einige Grundsatzentscheide. So sprach sich eine Mehrheit dafür aus, die Strafuntersuchung nicht durch den Staatsanwalt, sondern durch einen unabhängigen Untersuchungsrichter leiten zu lassen. Diese Regelung gilt heute in allen Kantonen ausser Basel-Stadt und Tessin. Auf in einigen anderen Staaten praktizierte Neuerungen wie etwa das „plea bargaining“, d.h. das Aushandeln von Schuldanerkennung und Strafmass (USA), oder eine Kronzeugenregelung (Italien) soll nach Meinung der Experten verzichtet werden
[30].
Der im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebene Gesetzesvorentwurf für eine Vereinheitlichung der bisher kantonal geregelten Vorschriften über die
Berufsausübung von Anwälten fand ein positives Echo. Einzig die LP hätte aus grundsätzlich föderalistischen Gründen eine Konkordatslösung vorgezogen
[31].
Als Zweitrat ratifizierte auch der Nationalrat einstimmig und diskussionslos das zwischen
Frankreich und der Schweiz ausgehandelte Abkommen über Vereinfachungen beim Vollzug der gegenseitigen Rechtshilfe
[32].
Der Bundesrat legte dem Parlament zwei im Vorjahr mit
Ekuador und
Peru abgeschlossene Verträge über die gegenseitige Rechtshilfe vor. Es handelt sich dabei um die ersten umfassenden Rechtshilfeabkommen mit lateinamerikanischen Staaten. Beide Parlamentskammern vollzogen die Ratifizierung diskussionslos und ohne Gegenstimmen
[33].
Im September publizierte der Bundesrat die Botschaft für eine Revision des Strafgesetzbuchs (Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung). Während den rund zehnjährigen Vorarbeiten hatten sich – ausgelöst von Morden durch rückfällige Gewalttäter – einige Akzentverschiebungen ergeben. Der Entwurf verfolgt zwar immer noch das Ziel, kurze, d.h. nicht länger als sechs Monate dauernde Freiheitsstrafen durch Geldstrafen und gemeinnützige Arbeiten zu ersetzen. Er enthält aber auch Massnahmen zum Schutz vor gemeingefährlichen und nicht resozialisierbaren Gewalttätern. Diese sollen von den Richtern auf über die Freiheitsstrafe hinausgehende Zeit verwahrt werden können. Die Fortführung dieser Verwahrung würde jährlich von den Vollzugsbehörden und alle fünf Jahre durch ein Gericht überprüft. Eine bedingte vorzeitige Entlassung (nach Verbüssen von zwei Dritteln der Strafe) müsste bei gefährlichen Tätern neu von einer interdisziplinären Konsultativkommission beurteilt werden. Als weitere Neuerung schlägt der Gesetzesentwurf eine Verbesserung der strafrechtlichen Mittel für Fälle vor, bei denen es schwierig ist, Einzelpersonen verantwortlich zu machen (z.B. Umweltkatastrophen). Hier soll in Zukunft auch ein ganzes Unternehmen strafrechtlich verfolgt werden können.
Der StGB-Revisionsentwurf sieht im weiteren vor, ein
spezielles Jugendstrafrecht zu schaffen. Dabei soll die Strafmündigkeitsgrenze von sieben auf zehn Jahre erhöht werden. Andererseits sollen Jugendliche über 16 Jahre für schwere Straftaten strenger bestraft werden können als bisher, indem für sie die Maximaldauer des Freiheitsentzugs von einem auf vier Jahre erhöht wird
[34].
Noch strengere Massnahmen gegen rückfallgefährdete Gewalttäter verlangt eine im Oktober lancierte
Volksinitiative mit dem Titel „für
lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewalttäter“. Diese sieht nicht nur den Verzicht auf eine Freilassung nach Verbüssung der Zuchthausstrafe vor, sondern auch die Streichung von Hafturlauben. Falls das Gutachten, das eine Nichttherapierbarkeit konstatiert hat, durch eine spätere Beurteilung revidiert wird, könnten die Behörden die Verwahrung aufheben. Sollte der Verurteilte rückfällig werden, wären allerdings diese Behörden haftbar. Treibende Kraft hinter dieser Initiative sind Mütter von jugendlichen Opfern von brutalen Gewalt- und Sexualdelikten; dem Komitee gehören aber auch Mitglieder der Jungen SVP (Thomas Fuchs, BE) resp. der Freiheits-Partei (Jürg Scherrer, BE) an
[35].
Bei strafbaren Handlungen im Internet (z.B. Angebot von illegaler
Pornographie und Verbreitung von gegen das
Antirassismusgesetz verstossenden Aussagen) bestehen nicht nur Probleme bei der Verfolgung der Täter, da diese ja oft in Staaten tätig sind, wo ihre Aktionen nicht verboten sind (z.B. rassistische Aussagen in den USA). Unklarheit besteht auch in bezug auf die
rechtliche Mitverantwortung der sogenannten Provider, die als Vermittler zwischen den Internetnutzern fungieren. Gemäss dem seit April 1998 geltenden neuen Medienstrafrecht können diese wegen Nichtverhinderung einer strafbaren Publikation zur Verantwortung gezogen werden, wenn es nicht möglich ist, die Autoren selbst in der Schweiz zu belangen. Der Bundesrat beantragte dem Nationalrat erfolgreich die Umwandlung einer Motion von Felten (gp, BS) für einen spezifischen Strafrechtsartikel, der die Verantwortlichkeit der Provider festhält, in ein Postulat. Er riet dabei, die weitere Entwicklung abzuwarten, da sich das Problem ohnehin nur auf internationaler Ebene lösen lasse und zudem auch die Provider selbst versuchten, Standards für eine Selbstregulierung zu entwickeln
[36]. Im Juli hatte die Bundesanwaltschaft einige Provider ersucht, für ihre Abonnenten den Zugang zu Seiten mit in der Schweiz illegalen Inhalten zu sperren. Die Provider wiesen in ihrer Reaktion auf die technischen Probleme solcher Sperren hin, bei denen entweder Tausende von legalen Seiten gleichzeitig gesperrt würden, oder die nutzlos blieben, da die Autoren in kürzester Zeit unter neuen Adressen auftauchen würden
[37].
Nachdem im Vorjahr das Parlament der Verlängerung der Verjährungsfrist bei Sexualdelikten mit Kindern wieder auf zehn Jahre zugestimmt hatte, kam der Bundesrat nun auch dessen 1997 als Postulat überwiesener Forderung nach, die
Verjährungsfrist bei diesen Tatbeständen
erst ab dem 18. Altersjahr des Opfers laufen zu lassen. Im August gab er eine entsprechende Sexualstrafrechtsrevision in die Vernehmlassung. Gleichzeitig unterbreitete er auch eine Verschärfung der Vorschriften gegen die
harte Pornographie und gegen extreme Gewaltdarstellungen. Hier soll zukünftig nicht nur die Herstellung und Verbreitung, sondern auch der
Besitz strafbar werden. Beide Vorschläge wurden in der Vernehmlassung einhellig begrüsst
[38]. Im Rahmen der StGB-Revision (s. oben) beantragte der Bundesrat, dass im Ausland begangener sexueller Missbrauch von Kindern auch dann in der Schweiz verfolgt wird, wenn die Tat im betreffenden Staat nicht strafbar ist
[39].
Der Ständerat überwies in Postulatsform eine Motion Béguin (fdp, NE) für die Schaffung einer Zentralstelle des Bundes für die
Bekämpfung der Pädophilie und einer Datenbank mit Bildern von Opfern und Tätern zwecks Verbesserung der Ermittlung bei Delikten. Zuvor hatte der Bundesrat zugesichert, dass die damit befasste Stelle beim Bundesamt für Polizeiwesen (Fachstelle Menschenhandel) ausgebaut und die Errichtung einer Datenbank abgeklärt wird
[40].
Ende Januar legte der Bundesrat dem Parlament die Botschaft für die Schaffung von zusätzlichen Bundeskompetenzen bei der Ermittlung gegen das organisierte Verbrechen und die Wirtschaftskriminalität vor. Er begründete diese Vorlage mit dem Umstand, dass diese Tatbestände oft sehr komplex sind und in der Regel auch die Kantons- und Landesgrenzen überschreiten. Es sei deshalb notwendig, die Ermittlungen in diesen Fällen effizienter zu koordinieren und namentlich die kleinen Kantone, deren Strafverfolgungsbehörden oft an Kapazitätsschranken stiessen, zu entlasten. Als wichtigste Neuerung schlug der Bundesrat vor, dass die Bundesanwaltschaft in den genannten Bereichen unter bestimmten Umständen (d.h. bei landes- oder kantonsüberschreitenden oder sehr komplexen Fällen) selbst ein Ermittlungsverfahren eröffnen kann. Mit dieser Eröffnung des Ermittlungsverfahrens ist nach dem neuen Art. 340bis StGB die Bundesgerichtsbarkeit begründet, und die Bundesbehörden führen auch die Untersuchung durch. Um diese neuen Aufgaben zu erfüllen, sollen in der Bundesanwaltschaft sukzessive 74 neue Stellen geschaffen werden. Nach abgeschlossenen Ermittlungen kann dann gemäss Vorschlag des Bundesrates die Beurteilung an das nach den üblichen Gerichtsstandbestimmungen zuständige kantonale Gericht delegiert werden. Die Anklage würde allerdings, wie dies anlässlich der Vernehmlassung von den Kantonen verlangt worden war, von der Bundesanwaltschaft vertreten.
Da die Bundesbehörden damit wesentlich weiter gehende Kompetenzen erhalten als heute, sollen nach Ansicht des Bundesrates auch die Rechte der Beschuldigten und ihrer Verteidiger in diesem Verfahren ausgebaut und an die Standards der Voruntersuchung nach Bundesstrafrecht und der kantonalen Prozessordnungen angeglichen werden. Gleichzeitig soll im Rahmen dieses Gesetzgebungspaketes auch die
Aufsicht über die Bundesanwaltschaft verbessert werden und ihre Trennung von der präventiven Polizei klarer zum Ausdruck kommen. Mit diesen Massnahmen könnten die unbestrittenen Elemente der 1993 heftig kritisierten Vorschläge des Bundesrates für eine
Entflechtung der Bundespolizei und der Bundesanwaltschaft und die Ausgestaltung letzterer als völlig unabhängige Staatsanwaltschaft verwirklicht werden. Die Bundesanwältin soll zwar weiterhin vom Bundesrat gewählt werden und diesem administrativ unterstehen, und sie soll auch weiterhin den Vorsteher des EJPD über wichtige Ermittlungen informieren. Die Aufsicht würde aber in Anbetracht der zusätzlichen strafprozessualen Funktionen grundsätzlich von einer richterlichen Behörde (konkret von der Anklagekammer des Bundesgerichts) ausgeübt werden
[41].
Der
Ständerat nahm im Oktober die Beratung der Vorlage auf und schloss sie in der Dezembersession mit der
Annahme des neuen Gesetzes ab. Auf Antrag seiner Kommission beschloss er ohne Gegenstimme Eintreten. In der Detailberatung verschärfte er die Bedingungen, unter welchen die Bundesanwaltschaft bei Fällen von organisiertem Verbrechen und schwerer Wirtschaftskriminalität ein Verfahren eröffnen kann. Dies soll nicht generell bei landes- resp. kantonsüberschreitenden Delikten der Fall sein, sondern nur dann, wenn die strafbaren Handlungen zu einem wesentlichen Teil im Ausland begangen wurden resp. sich keinem Kanton schwerpunktmässig zuordnen lassen. Als Neuerung gegenüber dem Regierungsprojekt kann die Bundesgerichtsbarkeit auch dann begründet werden, wenn eine an sich zuständige kantonale Behörde nicht über die Mittel verfügt, eine wirksame Strafverfolgung durchzuführen. Ein von Rhinow (fdp, BL) und Schiesser (fdp, GL) eingebrachter Antrag, die Strafverfolgung in diesen Fällen obligatorisch den Bundesbehörden zuzuweisen, unterlag allerdings mit 25:11 Stimmen. In der Gesamtabstimmung hiess der Rat die neuen Bestimmungen im Strafgesetzbuch über die zusätzlichen Bundeskompetenzen bei einer Gegenstimme, diejenigen über die Organisation der Bundesrechtspflege oppositionslos gut
[42].
Namentlich bei der internationalen Verfolgung von Geldwäscherei- und Drogenhandelsdelikten kann der Staat oft beträchtliche
Summen deliktisch erworbener Vermögen einziehen. Nicht geregelt ist die
Verteilung dieser Gelder, wenn mehrere Behörden an der Strafermittlung beteiligt waren. So entstand beispielsweise ein Streit zwischen den Kantonen Waadt und Zürich einerseits und dem Bund andererseits bei der Verteilung des schweizerischen Anteils von rund 85 Mio US$ an den im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Drogenhändlerin Arana de Nasser beschlagnahmten Guthaben. Der Bundesrat setzte eine Expertenkommission ein, welche allgemeine Vorschriften für eine lastengerechte Verteilung dieser Gelder zwischen Bund und Kantonen vorschlagen soll. Der Ständerat unterstützte dieses Vorgehen mit der diskussionslosen Überweisung einer Motion seiner Rechtskommission
[43].
Im Juli gab der Bundesrat den
Vorentwurf für eine Reform des Korruptionsstrafrechts in die Vernehmlassung. Das Projekt sieht vor, aktive Bestechung nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen zu ahnden, was eine Erhöhung des Strafmasses und eine Verlängerung der Verjährungsfrist bedeuten würde. Verboten werden soll zusätzlich auch das sogenannte Anfüttern, d. h. Geschenke und Zuwendungen an Amtsträger, die nicht direkt mit dem Vollzug einer Amtshandlung zusammenhängen, sondern eher ein „gutes Klima“ schaffen und das Terrain für spätere Bestechungsversuche vorbereiten sollen. In Übereinstimmung mit der diesbezüglichen OECD-Konvention soll neu auch die Bestechung ausländischer Amtsträger strafbar werden. Die aktive und passive
Bestechung im nichtstaatlichen Bereich soll gemäss dem Entwurf von einem Antragsdelikt im Rahmen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb zu einem strafrechtlichen
Offizialdelikt werden
[44].
In der
Vernehmlassung stiess insbesondere die Aufwertung der Bestechung im Privatbereich zu einem Offizialdelikt auf breite Kritik. Alle vier Bundesratsparteien, aber auch der Vorort und die linke Vereinigung „Demokratische Juristinnen und Juristen“ lehnten diese Gleichbehandlung von staatlicher und privater Sphäre ab. Wenig Zustimmung fanden auch die neuen Vorschriften über das sogenannte Anfüttern. Dieser Tatbestand sei derart unklar, dass die Gefahr von willkürlicher Strafverfolgung bestehe. Mit der Strafbarkeit der Bestechung ausländischer Beamter erklärte sich der Vorort einverstanden, auch wenn er zu bedenken gab, dass damit die Bewerbung um Staatsaufträge in Ländern, wo derartige Zahlungen landesüblich seien, gravierend erschwert würde
[45].
Die vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebene
Verordnung zum neuen Waffengesetz stiess auf massive Kritik: für einige Kantone und auch für die bürgerlichen Parteien war sie zu detailliert und ging über die gesetzlichen Vorgaben hinaus; für die SP andererseits war sie zu lasch ausgefallen. Der Bundesrat liess sich durch diese Reaktionen nicht beirren und setzte Gesetz und Verordnung auf den 1. Januar 1999 in Kraft
[46].
[26] Manuel Eisner, „Warum die Jugendkriminalität stark zunimmt“, in
NZZ, 7.3.98.26
[27] Statistik: Presse vom 28.3.98. Internierung:
TA, 24.10.98.27
[28]
BBl, 1998, S. 4241 ff.;
Bund und
NZZ, 27.6.98. Zu den Vernehmlassungsverfahren siehe
SPJ 1995, S. 26 und
1996, S. 27 f. (Verdeckte Ermittler) sowie
1997, S. 32 (Post- und Telefonüberwachung).28
[29]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 253 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1446 ff. Die in den Vorjahren eingereichten und akzeptierten Standesinitiativen verschiedener Kantone für diese Vereinheitlichung konnten als erfüllt abgeschreiben werden (
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 269 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1481 ff. Vgl.
SPJ 1997, S. 32). Zur Justizreform siehe unten, Teil I, 1c (Gerichte).29
[30] Presse vom 14.2.98. Vgl. auch
Plädoyer, 1998, Nr. 5, S. 6 ff.30
[31]
24 Heures, 14.5.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 32 sowie
Lit. Schiller.31
[32]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 506 ff. Vgl.
SPJ 1997, S. 32 f. Zur Anwendung der internationalen Rechtshilfe bei Finanzdelikten siehe unten, Teil I, 4b (Banken).32
[33]
BBl, 1998, S. 2977 ff.;
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 572 f.;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1803 ff.33
[34]
BBl, 1999, S. 1779 ff.; Presse vom 22.9.98. Vgl.
SPJ 1995, S. 25 und
1996, S. 27. Siehe auch
Lit. Forster.34
[35]
BBl, 1998, S. 4961 f.; Presse vom 5.11.98. Vgl. auch
LT, 8.5.98. Siehe dazu auch
SPJ 1997, S. 33 (Motion Aeppli).35
[36]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2842 f.36
[37]
NZZ, 31.7., 8.8. und 14.8.98;
AT, 4.8.98;
BZ, 5.8.98.37
[38]
BaZ und
AZ, 27.8.98;
24 Heures, 7.12.98 (Ergebnis der Vernehmlassung). Vgl. auch
SPJ 1997, S. 33 f.38
[39]
BBl, 1998, S. 1779 ff.;
Bund, 22.9.98.39
[40]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 168 ff.40
[41]
BBl, 1998, S. 1529 ff.; Presse vom 29.1.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 34. Zur gescheiterten Entflechtungsvorlage von 1993 siehe
SPJ 1993, S. 37.41
[42]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1111 ff. und 1173 ff.42
[43] Arana:
Lib., 12.9.98;
LT, 18.9.98;
NZZ, 18.12.98. Expertenkommission und Motion:
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1184. Vgl. auch NZZ, 12.10.98.43
[44]
NZZ und
SGT, 2.7.98;
TA, 13.7.98 (Interview mit dem Verfasser des Vorentwurfs, Mark Pieth);
NZZ, 6.9.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 35. Siehe auch
Lit. Koller.44
[46]
NZZ, 9.5. und 22.9.98;
Plädoyer, 1998, Nr. 2, S. 34 ff. Vgl.
SPJ 1997, S. 35 f.46
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