Année politique Suisse 1998 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires / Regierung
Der Bundesrat kündigte im Nationalrat anlässlich der Beratung der Totalrevision der Bundesverfassung an, dass er noch vor den Sommerferien Grundsatzentscheide zur Regierungsreform fassen werde
[18]. Im Februar gab er bekannt, dass er der von ihm eingesetzten interdepartementalen Arbeitsgruppe den Auftrag erteilt habe, zwei Modelle auszuarbeiten: eines, das die
Stellung des Bundespräsidenten verstärkt und eventuell die Zahl der Bundesräte erhöht, und eines, das die Regierung als
zweistufiges Gremium konzipiert, das aus einem Kollegium von Bundesräten und einem Kabinett aus Fachministern besteht. Im Juni befasste er sich an einer Klausurtagung mit diesen beiden Modellen, konnte sich aber für keines entscheiden. Anfangs November gab er beide in die Vernehmlassung. Das erste Modell sieht einen auf zwei Jahre gewählten Präsidenten vor, der von der Leitung eines Departementes befreit wäre. Seine wichtigsten Aufgaben wären die Sicherstellung der Planung und Koordination sowie die Repräsentation nach aussen, wo er insbesondere im diplomatischen Verkehr als Regierungschef auftreten würde. Ein Weisungsrecht gegenüber seinen Bundesratskollegen hätte er aber im Gegensatz zu ausländischen Ministerpräsidenten nicht, und die Regierungspolitik würde weiterhin vom Kollegialgremium, das eventuell um ein bis zwei Mitglieder aufgestockt würde, mit Mehrheitsbeschlüssen bestimmt. Das zweite Modell sieht ein eventuell auf fünf Mitglieder reduziertes Regierungsgremium vor, das ebenfalls nach denselben Entscheidungsregeln funktioniert (Mehrheitsbeschlüsse und Kollegialprinzip) und bei dem die Bundesräte Departemente führen würden. Ihm wären aber ein gutes Dutzend Fachminister unterstellt, welche vom Bundesrat gewählt und von Parlament bestätigt würden. Diese könnten ohne Stimmrecht an Bundesratssitzungen teilnehmen und die Schweiz als Regierungsmitglieder im Ausland vertreten
[19].
Der
Ständerat beriet unter dem
Sammeltitel Regierungsreform drei parlamentarische Vorstösse: eine parlamentarische Initiative Rhinow (fdp, BL) und zwei im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motionen der Staatspolitischen Kommission resp. des Freisinnigen Bonny (BE). Die Initiative verlangte, die Reform der Staatsleitung als zusätzliches Paket in die laufende Verfassungstotalrevision einzubauen. Dabei soll nicht nur die Struktur der Regierung neu konzipiert werden, sondern auch deren Beziehung zum Parlament. Die für die Ausarbeitung zuständige Parlamentskommission hätte dieses Projekt in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesrat und der von ihm 1997 eingesetzten Expertengruppe voranzutreiben. Die Motion der SPK des Nationalrates sah hingegen vor, diese Arbeit nicht selbst zu leisten, sondern dem Bundesrat einen entsprechenden Auftrag zu erteilen, mit der Auflage, die Vorschläge bis Ende 1998 vorzulegen. Die Motion Bonny schliesslich beschränkte sich auf die Forderung an den Bundesrat, unverzüglich Vorschläge für
eine Verbesserung der Stellung und der Kompetenzen des Bundespräsidenten zu machen. Die SPK des Ständerats empfahl, der Initiative Folge zu geben, allerdings nicht mit der Intention, die vom Bundesrat bereits eingeleitete Arbeit zu konkurrenzieren, sondern sie kritisch zu begleiten. Bei der Motion der SPK-NR beurteilte sie den vorgeschlagenen Termin als unrealistisch und beantragte deshalb die Umwandlung in ein Postulat. Mit dem Wortlaut der Motion Bonny erklärte sie sich einverstanden und empfahl deshalb deren Überweisung. Sie distanzierte sich allerdings von Bonnys Begründung, dieses Vorhaben sei losgelöst von der Staatsleitungsreform als Sofortmassnahme durchzuführen. Nachdem Bundeskanzler Couchepin die weitgehende Übereinstimmung des Bundesrates mit den Argumenten der Kommission erklärt hatte, folgte der Rat einstimmig den Anträgen seiner SPK
[20].
[18]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 79.18
[19]
NZZ, 9.2.98; Presse vom 19.2.98 (Arbeitsgruppe);
NZZ, 8.5.98 (Klausurtagung);
NZZ, 5.11.98 und Presse vom 12.11.98 (Modelle und Vernehmlassung). Vgl. zur Regierungsreform auch
NZZ, 29.5.98.19
[20]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 349 ff. Siehe auch
SPJ 1997, S. 38 (FN9) und 40.20
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