Année politique Suisse 1998 : Economie / Crédit et monnaie
 
Versicherungen
Bundesrat Koller beauftragte das Bundesamt für Privatversicherungen, eine umfassende Revision der versicherungsrechtlichen Bestimmungen in die Wege zu leiten. Angestrebt wird eine Anpassung an das EU-Recht und damit eine weitere Deregulierung dieses Wirtschaftsbereichs. So soll unter anderem die im Krankenzusatz- und Lebensversicherungsmarkt noch bestehende Genehmigungspflicht für Produkte und Tarife abgeschafft werden. Generell soll die staatliche Aufsicht von der Kontrolle der Angebote und Preise der Versicherer auf eine Überprüfung ihrer finanziellen Verhältnisse verlagert werden. Im September ging ein entsprechendes Vorprojekt in die Vernehmlassung. Dieses enthält neben den erwähnten Neuerungen auch eine Verbesserung der Stellung der Kunden. Diese sollen in Zukunft vor Vertragsabschluss vollständig und schriftlich über die Vertragsbestimmungen orientiert werden. Damit wäre der telefonische Abschluss von Verträgen nicht mehr zugelassen [39].
Analog zur Situation bei den Banken steuerte der Konflikt zwischen jüdischen Organisationen und amerikanischen Versicherungsaufsichtsbehörden einerseits und europäischen Versicherungskonzernen (darunter auch drei schweizerische) andererseits über allfällige nach dem zweiten Weltkrieg nicht honorierte Versicherungspolicen von Holocaust-Opfern auf eine Globallösung zu. Im April einigten sich einige Versicherungen (darunter die Zürich-Versicherung) mit der Gegenseite auf eine Absichtserklärung, nach dem Vorbild der Volcker-Kommission ein internationales Expertengremium zur Kontrolle der Suche der Versicherungen nach nicht eingelösten Policen und Anspruchsberechtigten zu schaffen und einen Fonds zur globalen Entschädigung der Opfer zu bilden. Im August schlossen sich weitere europäische Versicherungsgesellschaften (darunter auch die Bâloise und Winterthur) diesem Vorgehen an. Anfangs Jahr waren diese beiden schweizerischen Gesellschaften in den USA massiv kritisiert worden, weil sie sich geweigert hatten, ihre Archive für die amerikanischen Aufsichtsbehörden zu öffnen und diese auf den Rechtsweg via schweizerische Aufsichtsorgane verwiesen hatten. Zum Vorsitzenden der 13köpfigen Kommission wurde im Oktober der ehemalige amerikanische Aussenminister Lawrence Eagleburger bestimmt. Kurz darauf gab das Komitee bekannt, dass sich sechs Versicherungen (darunter die drei schweizerischen) verpflichtet hatten, in den in der Absichtserklärung enthaltenen Hilfsfonds einen Betrag von 90 Mio US$ einzuzahlen. Analog zum Geschehen bei den Banken hatten auch hier amerikanische Bundesstaaten die Kläger mit Sanktionsdrohungen gegen die europäischen Versicherungen unterstützt. So hatten die Staaten New York und Florida Gesetze verabschiedet, die ihren Versicherungsaufsichtsbehörden Strafmassnahmen gegen nicht kooperationswillige Firmen erlaubt [40].
 
[39] SHZ, 27.5.98; NZZ und LT, 17.9.98.39
[40] TA, 11.4. , 15.8., 27.8. und 17.9.98; NZZ, 27.8. und 22.10. (Absichtserklärung und Komitee) sowie 13.11.98 (Fonds); Bund, 17.2.98 und TA, 18.2.98 (Kritik an Gesellschaften); TA und NZZ, 10.7.98 (Sanktionen). Vgl. SPJ 1997, S. 129.40