Année politique Suisse 1998 : Politique sociale / Population et travail
Löhne
Gemäss den Erhebungen des BFS nahmen die Löhne
1998 real um 0,6% zu. Die Männer profitierten mit einem Zuwachs von 0,7% etwas mehr von der Lohnsteigerung als die Frauen (0,5%). Noch stärker fiel die
Qualifikation ins Gewicht, denn das gelernte Personal verzeichnete einen Anstieg von 0,7%, wogegen sich das an- und ungelernte Personal mit einem Plus von 0,4% zufrieden geben musste. Nach Arbeitsbereichen zeigte sich ein überproportionaler Zuwachs in der Kategorie Büro und Technik (1,1%), während sich das Lohnniveau in den Kategorien Verkauf (0,2%) und Betrieb (0,1%) kaum veränderte. Praktisch gleichauf entwickelten sich die Wirtschaftssektoren: In der Industrie wurde ein Plus von 0,6%, in den Dienstleistungen eines von 0,7% erreicht. Hinter diesen Durchschnittswerten verbergen sich zum Teil gegensätzliche Entwicklungen in den einzelnen Branchen. So konnten die Angestellten in den Bereichen Nachrichtenübermittlung und Chemie einen ansehnlichen Lohnzuwachs von rund 4% verzeichnen, während die Löhne bei den Versicherungen (nach einem 4%igen Wachstum im letzten Jahr) und im Gastgewerbe rückläufig waren
[21].
Die Bundesverwaltung liess in Zusammenarbeit mit dem BFS untersuchen, ob die vielfach vorgebrachte Behauptung,
Beamte würden
mehr verdienen als Angestellte in der Privatwirtschaft, tatsächlich stimmt. Die Untersuchung kam zum Schluss, dass die Differenzen in der globalen Lohnsumme primär auf strukturelle Unterschiede zurückzuführen sind, also auf Ausbildung, Alter, Nationalität, Art der Arbeitsplätze, ausgeführte Tätigkeit sowie Konzentration auf städtische Agglomerationen.
Generell werden die Frauen in der Bundesverwaltung besser entlöhnt als in privaten Betrieben. Im Mittel verdienen sie 21% mehr als in der Privatindustrie. Gegenüber dem privaten Sektor gibt es vor allem Unterschiede bei den verschiedenen Lohnklassen. In der Privatwirtschaft beziehen 11% der Männer und 48% der Frauen einen monatlichen Bruttolohn von weniger als 4000 Fr. Im öffentlichen Sektor sind es nur 1,7% der Männer und 5% der Frauen
[22].
Eine weitere Untersuchung des BFS stützte die seit längerer Zeit gemachte Feststellung, dass die
Gesamtarbeitsverträge für die Lohnanpassungen immer irrelevanter werden. Ausgehend von den Tarifverhandlungen im Herbst 1997 stellte das BFS fest, dass bei der Lohnpolitik dem
Leistungsprinzip eine zusehends stärkere Bedeutung zukommt. Vier Fünftel der im Rahmen von GAV geregelten Erhöhungen des durchschnittlichen nominalen Effektivlohnes wurden in Form individueller Lohnerhöhungen gewährt, und zwar nach dem Mass der erbrachten Leistung. Im Bankensektor und in der chemischen Industrie beobachtete das BFS einen stärker werdenden Trend hin zu Lohnsystemen, die eine Beteiligung der Arbeitnehmenden am Unternehmenserfolg vorsehen. Diese Bonus-Zahlungen sind nicht in jedem Fall Bestandteil des Lohnes und führen nur zum Teil zu Beiträgen an die Sozialversicherungen
[23].
Nachdem Arbeitgeberdirektor Hasler im Sommer hatte verlauten lassen, nach den sieben “mageren Jahren” würden angesichts des Wirtschaftsaufschwungs Reallohnerhöhungen wieder drin liegen, verlangten die Arbeitnehmerverbände
generelle Lohnerhöhungen um 1,5%, für besonders wachstumsintensive Branchen sogar um 2-3%. Eine breit gestreute Anhebung der Löhne lehnten die Arbeitgeber aber ab; sie wollten diese vielmehr von den Branchen, dem Geschäftsgang der einzelnen Betriebe und von den individuellen Leistungen der Lohnempfänger abhängig machen
[24].
An seinem 50. Jahreskongress erklärte der Schweizerische Gewerkschaftsbund, er werde sich für einen
Mindestlohn von 3000 Fr. einsetzen. Um die Berechtigung seiner Forderung zu unterstützen, gab er eine Studie in Auftrag, welche zeigte, dass 3,4% der Erwerbstätigen (rund 60 000 Personen) bei vollem Pensum weniger als 2100 Fr. pro Monat (Hälfte des Medianlohnes) verdienen und demzufolge zu den “working poor” gehören
[25].
[21]
NZZ, 23.3.98; Die
Volkswirtschaft, 1999, Nr. 5, S. 28* f.21
[22] Presse vom 5.12.98.22
[23]
NZZ, 21.7.98. Zur Frage Bonus/Sozialversicherungen vgl. die Antwort des BR auf eine Interpellation Rennwald (sp, JU) in
Amtl. Bull. NR, 1998, S.
797 f.23
[24]
LT, 5.8.98; Presse vom 26.8.98;
TA, 15.10.98.24
[25] Presse vom 6.11.98;
Lib., 24.11.98;
TA, 7.12.98; Presse vom 7.1.99. Zu weiteren Forderungen nach einem gesetzlich festgelegten Mindestlohn siehe unten, Teil I, 7b (Sozialhilfe).25
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