Année politique Suisse 1998 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
In beiderseitigem Einverständnis und ohne Diskussionen wurde von beiden Kammern im Rahmen der
Verfassungsrevision beim Artikel über die Fortpflanzungsmedizin und die Gentechnologie beim Menschen (Art. 119) zusätzlich ein
Verbot des Klonens aufgenommen. Ein Antrag von Felten (sp, BS) im Nationalrat, der auch ein Verbot der Patentierung von menschlichen Organen, Geweben, Zellen, Genen und Gensequenzen festschreiben wollte, wurde mit 77 zu 60 Stimmen abgelehnt
[43].
In Ausführung des vom Stimmvolk 1992 angenommenen Verfassungsartikels zur Fortpflanzungs- und Gentechnologie (art. 24decies) gab der Bundesrat im September eine Ratifikations- und eine Gesetzesvorlagen in die Vernehmlassung. Mit der vorgeschlagenen Unterzeichnung und Ratifizierung des Europarat-Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin (
Bio-Ethik-Konvention) sowie des Zusatzprotokolls über das Verbot des Klonens menschlicher Lebewesen möchte sich die Landesregierung an den internationalen Bemühungen beteiligen, für den Bereich der Humanmedizin und der medizinischen Forschung verbindliche Richtlinien festzulegen. Gleichzeitig stellte sie ihren Entwurf für ein neues Bundesgesetz über genetische Untersuchungen am Menschen (
Genomanalysengesetz) vor. Der Erlass soll fünf Anwendungsbereiche der Gendiagnostik regeln (Medizin, Arbeit, Versicherung, Haftpflicht und Identifizierung). Grundsätzlich gilt, dass die Untersuchung des Erbgutes bis auf ganz wenige Ausnahmen nur mit Einwilligung der betroffenen Person vorgenommen und keine Person wegen ihres Erbgutes diskriminiert werden darf
[44].
Da er gewillt ist, in diesen heiklen Bereichen aktiv zu werden, war der Bundesrat bereit, entsprechende
Motionen im Nationalrat entgegenzunehmen. Dormann (cvp, LU) wollte ihn verpflichten, möglichst rasch ein Bundesgesetz über die medizinische Forschung am Menschen vorzubereiten, doch wurde der Vorstoss von von Felten (sp, BS) bekämpft und damit vorderhand der Diskussion entzogen. Eine Motion von Felten, welche Gentests vor Abschluss eines Versicherungsvertrags praktisch ausschliessen wollte, wurde von Privatassekuranzvertreter Hochreutener (cvp, BE) bekämpft und deshalb materiell ebenfalls nicht behandelt
[45].
Erste Vorstellungen, wie das von Dormann angeregte Gesetz aussehen könnte, legte eine vom EDI eingesetzte
Studiengruppe “Forschung am Menschen” vor. Die Empfehlungen umfassten wissenschaftlich-medizinische und gesellschaftliche Belange. Grundtenor war, dass sich die gentechnologische Diagnostik auf wichtige Krankheiten beziehen müsse, für die auch eine Aussicht auf Therapie besteht; das Prinzip der Freiwilligkeit sei auf jeden Fall zu wahren. Zudem müssten alle Forschungsprojekte ethisch, rechtlich und gesellschaftlich hinterfragt werden, weshalb eine Bioethikkommission eingesetzt werden sollte, in der auch Laien mitmachen. Als ganz wichtig erachtete die Kommission den Schutz der Menschen vor einer Stigmatisierung durch die allfälligen Ergebnisse einer Untersuchung, weshalb sie anregte, dass in der Bundesverfassung ein Verbot der Diskriminierung von Menschen mit einer Behinderung und ihrer Familien verankert wird
[46]
Nach dem Willen seiner Regierung sollte
Basel-Stadt ein kantonales
Gesetz über die biomedizinische Forschung am Menschen erhalten. Gemäss dem Entwurf sollten alle Versuche mit Menschen bewilligungspflichtig sein und von einer Ethikkommission abgesegnet werden. Damit wollte die Basler Regierung einerseits den Schutz des Menschen verbessern, anderseits den Forschungsstandort Basel stärken, da die Pharmaindustrie, welche ohnehin die strengen Normen der USA, der EU und Japans übernehmen muss, darauf angewiesen ist, dass in der Schweiz durchgeführte Prüfungsverfahren für die ethische Unbedenklichkeit von Forschungsvorhaben möglichst bald auch im Ausland anerkannt werden. Wegen grundsätzlicher Bedenken, sowohl von liberaler wie von grüner Seite, vor allem aber mit Verweis auf die anstehende Gesetzgebungsarbeit des Bundes
trat der grosse Rat aber auf die Vorlage gar
nicht ein
[47].
Obgleich die “
Genschutz-Initiative” (siehe unten, Teil I, 8a, Forschung) ursprünglich in erster Linie den ausserhumanen Bereich anvisierte, wurde sie doch vor allem von den Initiativ-Gegnern im Lauf des Abstimmungskampfes immer weiter in den Bereich der menschlichen Gesundheitsvorsorge und -wiedererhaltung abgedrängt. Als Hauptargument für die Zulassung der Gentechnik in Forschung und Praxis wurden nun nicht mehr die Argumente der Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft, sondern die möglichen Fortschritte in der Medizin betont. Um die Brücken nach der Volksabstimmung zwischen Befürwortern und Gegnern wieder zu schlagen, initiierte Ständerat Plattner als Vertreter der SP und des Chemies-Standortes Basel-Stadt ohnehin ein “Mann zwischen den Fronten” den
“Dialog zur Gendiagnostik” zwischen Laien und Fachleuten. 17 Organisationen aus den Bereichen Medizin, Wissenschaft, Patienten- und Konsumentenschutz, Versicherung und Recht übernahmen die Trägerschaft und die Finanzierung der Organisation
[48].
[43]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 246;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1010 f.
[44] Presse vom 29.9.98. Siehe auch die Ausführungen des BR zu einer die Bioethik-Konvention betreffenden Interpellation Randegger (fdp, BS) in
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1549. Vgl.
SPJ 1992, S. 214.
[45]
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 733 und 1509 f.
[46] Presse vom 5.11.98. Der BR hatte im Frühjahr eine Ethikkommission berufen, welche ethische Aspekte der Gentechnologie bearbeiten soll, in der aber keine Laien vertreten sind.
[47] Presse vom 25.9.98;
BaZ, 12.11.98.
[48] Presse vom 1.7.98. In der Wintersession reichte StR Plattner eine Motion ein, welche den BR beauftragen will, bis 2002 dem Parlament ein Bundesgesetz über die medizinische Forschung an Menschen vorzulgen (
Verhandl. B. vers., 1998, VI, Teil II, S. 165).
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