Année politique Suisse 1998 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
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Alternativmedizin
In der Abstimmungskampagne zum neuen KVG hatte Bundesrätin Dreifuss zugesagt, die Komplementärmedizin vermehrt in den Grundleistungskatalog der Krankenkassen einzubeziehen. Dieses Versprechen löste sie nun ein und verfügte, dass ab Juli 1999 anthroposophische und chinesische Medizin, Homöopathie, Neuraltherapie sowie Phytotherapie für eine erste Versuchsdauer von sechs Jahren in den Pflichtleistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen werden, sofern sie von ausgebildeten Ärzten angewendet werden. Anbieter und Krankenversicherer gehen davon aus, dass die neuen Leistungen jährliche Zusatzkosten von rund 110 Mio Fr. verursachen. Der Entscheid des EDI erleichterte der FMH einen Schritt, der in Insider-Kreisen fast schon als “revolutionär” bezeichnet wurde: Erstmals anerkannte die Verbindung der Schweizer Ärzte eine alternative Zusatzausbildung, nämlich jene in Homöopathie, chinesischer Medizin und Akupunktur [33].
Recht viel Wirbel verursachte eine vom Nationalfonds unterstützte Studie, welche die Behauptung aufstellte, die Alternativmedizin verteuere das Gesundheitswesen und sei zudem sehr oft nutzlos, da sie in den meisten Fällen zusätzlich zur Schulmedizin konsumiert werde. Daher sei der Entscheid von Bundesrätin Dreifuss zumindest aus finanziellen Überlegungen bedenklich. Die Komplementärmediziner konterten, diese Schlussfolgerung gehe von falschen Voraussetzungen aus. In der Studie seien sämtliche alternativen Heilmethoden, auch jene von Naturärzten miteinbezogen, wogegen sich die Liste der kassenpflichtigen Leistungen auf nachweislich wirksame Therapien beschränke. Der Bericht erwecke zudem den Eindruck, dass sich die Versicherten die Alternativmedizin ausserhalb der Praxis des Hausarztes holten, was nicht der Realität entspreche, da immer mehr Schulmediziner auch komplementärmedizinische Verfahren anwendeten. Sie unterschlage schliesslich, dass es eine ganze Reihe von Untersuchungen gebe, die nicht einen kostensteigernden, sondern einen kostendämpfenden Effekt der Komplementärmedizin festgestellt hätten [34].
 
[33] Presse vom 14.7.98; NLZ, 31.8.98; LT, 24.10.98.
[34] Presse vom 13.11.98.