Année politique Suisse 1998 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
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Organ- und Blutspenden
Der Ständerat folgte in der Sommersession praktisch diskussionslos den Anträgen von Bundes- und Nationalrat zum Verfassungsartikel über die Transplantationsmedizin, worauf die Vorlage definitiv verabschiedet werden konnte. Damit wird die Grundlage geschaffen, um diesen heiklen Bereich gesamtschweizerisch zu regeln. Der neue Verfassungsartikel gibt dem Bund die Kompetenz, den Umgang mit Organen, Geweben und Zellen zu reglementieren und dabei den Schutz der Menschenwürde, der Persönlichkeit und der Gesundheit sowie eine gerechte Zuteilung der verfügbaren Organe zu gewährleisten [35].
Da ein eigentliches Transplantationsgesetz wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen wird, soll die besonders heikle Frage der Xenotransplantation (Übertragung tierischer Organe auf den Menschen) in einer Übergangslösung geregelt werden, welche die klinische Anwendung verbietet und die Forschung strengen Ausnahmebewilligungen unterstellt. Mitte Jahr leitete der Bundesrat dem Parlament eine entsprechende Botschaft für einen dringlichen Bundesbeschluss zu. In der Frühjahrssession hatte der Ständerat diskussionslos eine diesbezügliche Motion des Nationalrates überwiesen [36].
Das BAG und das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) lehnten ein Massenscreening zur Suche nach Hepatitis-C-Kranken ab, die sich vor 1990 über eine Bluttransfusion mit dem Virus angesteckt haben, obgleich dies möglicherweise für rund 10 000 Personen gilt. Die Infektion führt in vielen Fällen zu einer chronischen Leberentzündung, die wiederum eine Leberzirrhose und schlimmstenfalls Leberkrebs auslösen kann. Wegen des schleichenden Verlaufs der Krankheit wissen viele Betroffene nicht, dass sie HCV-positiv sind. Erst seit 1990 kann man das Virus im Blut nachweisen. Das SRK erklärte sich aber bereit, ab 1999 mit einem neuen, auf Gentechnik beruhenden Test das Übertragungsrisiko bei Bluttransfusionen noch weiter einzuschränken [37]. Das BAG will künftig gespendetes Blut filtrieren, um Möglichkeit einer Ansteckung mit der Creuzfeldt-Jakob-Krankheit auf ein Minimum zu senken. Die Kosten wurden auf rund 12 Mio Fr. pro Jahr geschätzt [38].
Ende November begann in Genf der Strafprozess gegen den ehemaligen Leiter des Zentrallabors des SRK, Alfred Hässig. Ihm wurde von Betroffenen und deren Angehörigen vorgeworfen, erst 1986 ein seit 1984 verfügbares, aber relativ teures Testverfahren eingesetzt zu haben, mit welchem HIV-verseuchte Blutprodukte rechtzeitig hätten erkannt werden können; damit habe er wissentlich das Leben von Tranfusionsempfängern und Patienten, die auf Blutgerinnungsmittel angewiesen sind, aufs Spiel gesetzt. Hässig bestritt seine Schuld und verwies auf die damals ungenügenden Kenntnisse in diesem Bereich. Nicht entkräften konnte er aber die Tatsache, dass die Schweiz eines der letzten Länder Europas war, das den neuen Test einführte. Er wurde wegen eventualvorsätzlicher Gefährdung von Leib und Leben zu zwölf Jahren Gefängnis bedingt verurteilt. Beide Seiten legten Berufung gegen das Urteil ein [39].
 
[35] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 626 ff. und 839; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1633 f. Siehe SPJ 1997, S. 249.
[36] BBl, 1998, S. 3645 ff.; TA, 5.5.98; Presse vom 4.6.98; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 403. Siehe SPJ 1997, S. 250.
[37] Presse vom 21.1.98; NZZ, 24.4.98. Das BAG forderte die Kantone auf, dafür zu sorgen, dass möglichst alle Jugendlichen gegen die vor allem über Sexualkontakte übertragbare Hepatitis B geimpft werden (Presse vom 7.7.98; LT, 20.10.98).
[38] TA, 17.10.98.
[39] LT und 24 Heures, 25.11.-3.12. und 15.12.98; Presse vom 9.12.98.