Année politique Suisse 1998 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Suchtmittel
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Tabak
Die Gesundheitsschäden, welche das Rauchen verursacht, kosten die Schweiz jährlich rund 10 Mia Fr. bzw. 2,75% des Bruttoinlandprodukts. Zu diesem Fazit kam eine vom BAG in Auftrag gegebene Studie. Gemäss der Untersuchung ist Zigarettenrauchen die häufigste vermeidbare einzelne Todesursache, da es mehr vorzeitige Todesfälle verursacht als Aids, Heroin, Kokain, Alkohol, Feuersbrünste, Autounfälle, Morde und Selbstmorde zusammen. 8300 Todesfälle (6900 Männer und 1400 Frauen) können in der Schweiz pro Jahr aufs Rauchen zurückgeführt werden, wobei die Todesursache in den meisten Fällen Lungenkrebs ist, gefolgt von chronischen Lungen- und Herzerkrankungen. Die direkten medizinischen Kosten, die 1995 daraus resultierten, bezifferte die Studie auf über 1,2 Mia Fr. Noch wesentlicher ins Gewicht fallen die indirekten Kosten durch den aufgrund von Rauchererkrankungen erzeugten Produktionsausfall, der (wegen Tod oder Invalidität) schweizweit pro Jahr auf rund 50 000 Mannjahre geschätzt wurde. Neben den direkten und indirekten Kosten des Tabakkonsums wurden in der Studie auch die sogenannt immateriellen oder “intangiblen” Kosten berechnet, d.h. das physische und psychische Leiden der Kranken und ihrer Familien; sie sollen noch einmal rund 5 Mia Fr. pro Jahr ausmachen [54].
Angesichts dieser Zahlen kündigte BAG-Direktor Zeltner an, der Bund werde zu härteren Massnahmen bei der Tabakmissbrauchsbekämpfung greifen. Einhaken möchte das BAG bei Werbung, Preis und Prävention. Obgleich das Volk 1993 die sogenannten Zwillingsinitiativen, die ein totales Werbeverbot für Raucherwaren und alkoholische Getränke verlangten, deutlich verworfen hat, glaubt Zeltner, dass es an der Zeit ist, die ziemlich laschen Werbebeschränkungen in der Schweiz zu verschärfen. Zudem beabsichtigt er, Gelder von den gut dotierten Präventionskampagnen gegen Aids und Drogenkonsum abzuzweigen und in die Tabakprävention fliessen zu lassen [55]. Sukkurs erhielt das BAG durch den Beschluss des EU-Parlaments, in nächster Zukunft ein allgemeines Werbeverbot für Tabakwaren zu erlassen [56].
Auch im Parlament fand das BAG Unterstützung. Mit einer Motion wollte Nationalrat Grobet (sp, GE) den Bundesrat verpflichten, die Tabakwerbung an öffentlichen Orten zu verbieten und auf dem Verkauf von Zigaretten eine Abgabe zu erheben, die dazu dienen sollte, eine Dauerkampagne über die Gefahren des Tabakmissbrauchs zu finanzieren und den Krankenkassen Beiträge an die Kosten zu leisten, die ihnen durch Krankheiten infolge von Tabakmissbrauch entstehen. Der Bundesrat zeigte sich zwar durchaus offen für diese Forderungen, wollte sich im Detail aber nicht die Hände binden lassen, weshalb er erfolgreich Umwandlung in ein Postulat beantragte [57].
Der Bundesrat löste die Eidg. Tabakkommission endgültig auf, da sich das aus Verantwortlichen der Tabakindustrie, der Werbe- und Landwirtschaft einerseits und der Gesundheitsprävention andererseits zusammengesetzte Gremium praktisch nie einigen konnte. Das Mandat der Tabakkommission für die Gesundheitsprävention und -promotion übernahm eine Kommission des EDI, welche inskünftig die Kontakte zu den Produzenten und der Werbung pflegen wird [58].
 
[54] Presse vom 21.8.98. Noch bevor die Studie des BAG offiziell vorgestellt wurde, replizierte die Tabakindustrie mit einer eigenen Untersuchung, welche die volkswirtschaftliche Bedeutung der Branche aufzeigte. Nach eigenen Angaben beschäftigt sie über 10 000 Personen und lieferte 1995 über 192 Mio Fr. an Gewinn- und Kapitalsteuern ab; weitere rund 169 Mio Fr. wurden in Form der MWSt entrichtet. Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge sowie Tabaksteuer und -zölle trugen gesamthaft über 1,4 Mia Fr. an die AHV bei (NZZ, 25.6.98).
[55] SoZ, 1.3.98. Siehe SPJ 1993, S. 211 f.
[56] BZ, 13.5.98; Ww, 14.5.98; Lib., 20.5.98.
[57] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2815 f.
[58] Presse vom 19.2.98. Siehe auch die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1152 f. Vgl. SPJ 1997, S. 252 f.