Année politique Suisse 1998 : Politique sociale / Assurances sociales
 
Erwerbsersatzordnung
Der Bundesrat leitete dem Parlament seine Botschaft für eine Revision des Bundesgesetzes über die Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in Armee, Zivildienst und Zivilschutz zu. Mit der Gesetzesänderung sollen die seit längerer Zeit sich manifestierenden Anliegen sozial-, familien- und gleichstellungspolitischer Art erfüllt werden. Insbesondere schlug die Landesregierung eine zivilstandsunabhängige Vereinheitlichung der Entschädigungsgrundsätze bei 60% des vordienstlichen Einkommens vor, die Erhöhung der Ansätze für Rekruten sowie eine Erziehungszulage für Dienstleistende mit Betreuungspflichten. Nicht aufgenommen wurde wegen der angespannten Lage in anderen Bereichen der Sozialwerke die in der Vernehmlassung noch vorgesehene Einführung einer Langzeitzulage für lange Dienstleistungen [28].
Als Erstrat behandelte die kleine Kammer die Vorlage. Obgleich der Rat die Vorschläge des Bundesrates generell begrüsste, fielen in der Eintretensdebatte doch Voten, wonach das System der EO grundsätzlich überdacht werden müsse, insbesondere deren Finanzierung durch Lohnprozente. Zudem sei eine Vereinfachung und Harmonisierung notwendig. Dies bestätigte auch Bundesrätin Dreifuss, meinte aber, wegen der Dringlichkeit der angestrebten Verbesserungen sei diese Überprüfung auf später zu verschieben. Im Detail wurde beschlossen, dass der Anspruch auf Erziehungszulagen nur bestehen soll, wenn tatsächliche Mehrkosten nachgewiesen werden können. Die Diskussionen drehten sich vor allem um die Höhe der Grundentschädigung. Bei Beförderungsdiensten wurde der Entschädigungssatz diskussionslos auf 65% des durchschnittlichen vordienstlichen Erwerbseinkommens angehoben (Bundesrat 60%). Damit sollte sichergestellt werden, dass die EO-Entschädigungen in jedem Fall mindestens das Niveau der Arbeitslosenversicherung erreichen. Ein Minderheitsantrag Seiler (svp, SH), den Ansatz für die Rekruten von 20 auf 25% des Höchstbetrages der Gesamtentschädigung anzuheben, wurde hingegen knapp mit 19 zu 18 Stimmen abgelehnt [29].
Eintreten auf die Vorlage war auch im Nationalrat unbestritten. Einzelne Redner aus dem rechtsbürgerlichen Lager meinten allerdings sowohl hier wie in der Detailberatung, die Erhöhung der Ansätze hätte durchaus substantieller ausfallen dürfen. Der EO-Fonds sei für die IV geplündert worden und werde nun erneut für die vorläufige Finanzierung der Mutterschaftsversicherung (siehe unten) zur Kasse gebeten. Es sei empörend, dass man im Gegenzug bei den wirklich Berechtigten sparen wolle. Die vom Ständerat vorgenommene Erhöhung des Maximalansatzes für Beförderungsdienste auf 65% des vordienstlichen Einkommens passierte ohne Widerspruch; ein Antrag Borer (svp, SO), auf eine weitere Anhebung auf 70% wurde angesichts der hohen Kosten ganz knapp abgelehnt. Darüber hinaus stellte Borer eine Reihe von Minderheitsanträgen für die Heraufsetzung weiterer Entschädigungssätze. Der Antrag auf eine Erhöhung der Grundentschädigung für Rekruten von 20 auf 25% wurde abgelehnt, jene auf eine Anhebung der Mindestsätze für Beförderungsdienste auf 45% und für die übrigen Dienste auf 25% hingegen angenommen. Verworfen mit 89 zu 36 Stimmen wurde ein Antrag Bortoluzzi (svp, ZH), die neuen Betreuungszulagen seien aus allgemeinen Bundesmitteln zu finanzieren; er begründete sein Ansinnen damit, dass es dem Grundgedanken der EO widerspreche, den Verzicht auf einen Erwerb zu finanzieren [30].
Im Ständerat beantragte die Kommission Festhalten an den ursprünglichen Beschlüssen. Bei der Untergrenze der Entschädigung für allgemeine Dienste setzte sie sich diskussionslos durch. Beim Mindestsatz für Beförderungsdienste obsiegte hingegen mit 23 zu 10 Stimmen der Antrag einzelner Vertreter von LP, FDP und CVP, in diesem Punkt dem Nationalrat zu folgen. Als Sprecher der Minderheit argumentierte Rochat (lp, VD), hier handle es sich vor allem um junge Leute am Ende ihrer Ausbildung, die fürs ”Weitermachen” möglicherweise auf eine erste Arbeitsstelle verzichten, weshalb sie nicht für ihr Engagement zugunsten der Armee bestraft werden dürften. Angesichts des klaren Votums der kleinen Kammer kam auch der Nationalrat auf die zuvor beschlossene Anhebung des Mindestsatzes für allgemeine Dienste zurück und stimmte dem Ständerat zu [31].
Nachdem der Nationalrat ein Postulat seiner SGK überwiesen hatte, welches den Bundesrat ersucht, eine Finanzierung der EO über allgemeine Bundesmittel zu prüfen, zog Hafner (sp, SH) ihre Motion zurück, welche verlangte, die EO sei aus dem EMD-Budget zu bezahlen [32].
 
[28] BBl,1998, S. 3418 ff. Siehe SPJ 1997, S. 267.28
[29] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 880 ff.29
[30] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2697 ff.30
[31] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1385 ff. und 1403; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2760 und 2954 f.; CHSS, 1998, S. 40-41 (Zusammenfassung der Neuerungen).31
[32] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2710. Die Motion Hafner war 1997 im Rat bekämpft worden (Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2205).32