Année politique Suisse 1998 : Politique sociale / Groupes sociaux / Frauen
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Arbeitswelt
Für eine vergleichende Lohnstrukturanalyse zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, der auch die Frauen betrifft, siehe oben, Teil I, 7a (Löhne).
Eine Motion Hubmann (sp, ZH) verlangte, bei Lohngleichheitsklagen sei das öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnis dem privatrechtlichen gleichzustellen. Heute kann öffentliches Personal erst dann eine Schlichtungsstelle anrufen, wenn es bereits Beschwerde eingereicht hat. Nach Ansicht der Motionärin verstösst dies gegen den Sinn des Gesetzes, wonach die Streitigkeiten möglichst ausserhalb formeller Beschwerdeverfahren geregelt werden sollen, um das künftige Arbeitsverhältnis nicht unnötig zu belasten. Auf Antrag des Bundesrates, der sich einen gewissen Handlungsspielraum erhalten möchte, um diese Frage im Rahmen des neuen Bundespersonalgesetzes und der mit dem Schlichtungsverfahren gesammelten Erfahrungen zu überprüfen, wurde die Motion als Postulat überwiesen [61].
Anfangs Oktober hiess erstmals ein Schweizer Arbeitsgericht eine Klage wegen sexueller Belästigung nach dem 1996 in Kraft getretenen Gleichstellungsgesetz gut. Die Besitzerin eines Hotels in Zürich musste zwei Praktikantinnen eine Entschädigung bezahlen, weil sie es unterlassen hatte, für ein belästigungsfreies Arbeitsklima zu sorgen [62].
Im Basler Kindergärtnerinnen-Lohnstreit entschied das Bundesgricht, dass der Kanton sämtlichen Kindergärtnerinnen, Textil- und Hauswirtschaftslehrerinnen den von einer kleinen Gruppe von Klägerinnen erstrittenen höheren Lohn rückwirkend auf fünf Jahre ausbezahlen muss. Damit fand eine der ersten in der Schweiz aufgrund des Gleichstellungsartikels in der Bundesverfassung eingereichten Lohnklagen ein definitives Ende [63].
Der Ständerat lehnte eine Motion des Nationalrates, wonach ausländischen Cabaret-Tänzerinnen, die sich bereits in der Schweiz aufhalten, die Möglichkeit zu geben sei, auch in anderen Berufen Arbeit zu finden, als zu weitgehend ab. Insbesondere würde dies zu einer Bevorzugung dieser Frauen führen, da andere Ausländerinnen mit begrenzter Aufenthaltsbewilligung keinen Anspruch auf Berufswechsel haben. Hingegen nahm er eine Empfehlung seiner staatspolitischen Kommission an, die den Bundesrat einlädt, die Aufnahme einer anderen Tätigkeit zumindest in Härtefällen zuzulassen [64].
 
[61] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2827 f. Siehe dazu C. Boss, ”Schlichtungsstellen wenig genutzt”, in Plädoyer, 1998, Nr. 4, S. 9 f.61
[62] TA, 10.10. und 26.10.98.62
[63] Presse vom 16.12.98. Siehe SPJ 1997, S. 294 (FN 57).63
[64] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 331 ff. In SPJ 1997, S. 295 wurde irrtümlicherweise geschrieben, die Motion sei vom NR mit 59:55 Stimmen abgelehnt worden; in Wirklichkeit wurde sie mit diesem Stimmenverhältnis angenommen.64