Année politique Suisse 1999 : Eléments du système politique / Problèmes politiques fondamentaux et conscience nationale / Grundsatzfragen
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Die Schweiz im 2. Weltkrieg
Die Krise um das Verhalten der Schweiz und speziell ihrer Banken während und nach dem Zweiten Weltkrieg ist im Berichtsjahr weiter abgeflaut. Der im Vorjahr zwischen internationalen jüdischen Organisationen und den beiden grössten schweizerischen Banken abgeschlossene Vergleich, der als sogenannte Globallösung auch alle Ansprüche gegen andere schweizerische Firmen und Institutionen umfasst (mit Ausnahme der Versicherungen, wo analoge Verhandlungen noch laufen), wurde vor dem federführenden New Yorker Gericht besiegelt. Im Frühjahr konnte der Bundesrat die von ihm 1996 eingesetzte und unter der Leitung des Diplomaten Thomas Borer stehende Task Force zur Wahrung der schweizerischen Interessen auflösen [1].
Für eine ausführliche Darstellung der den Finanzplatz betreffenden Fragen siehe unten, Teil I, 4b (Banken).
Am 10. Dezember stellte die Kommission Bergier ihren Bericht über die schweizerische Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg vor. Die Studie konnte zu diesem bereits gut erforschten Thema eigentlich nur im Bereich der finanziellen Aspekte der Flüchtlingspolitik grundlegend neue Erkenntnisse gewinnen. Die aus früheren Forschungen bekannten negativen Aspekte der damaligen schweizerischen Politik (Abweisung insbesondere von jüdischen Flüchtlingen), aber auch deren positive Seiten (Aufnahme von mehr als Hunderttausend Flüchtlingen, darunter mehr als 20 000 Juden) fanden ihre Bestätigung. Dabei wurden auch die früher ermittelten Zahlen über abgewiesene Flüchtlingen nicht nach oben korrigiert. Der Bericht wurde in den Medien breit dargestellt, führte aber nicht zu heftigen Auseinandersetzungen. Kritisiert wurde daran höchstens die leserunfreundliche Darstellung als Sammelwerk von Einzelbeiträgen und der fehlende Bezug zur damaligen internationalen Lage und zur Flüchtlingspolitik anderer Staaten [2].
 
[1] BaZ und NZZ, 1.4.99; vgl. SPJ 1998, S. 14 ff. Zur Einsetzung der Task Force siehe SPJ 1996, S. 119 f.1
[2] Lit. Unabhängige Expertenkommission; Presse vom 11.12.99. Siehe auch die Erklärung des BR dazu in Documenta, 1999, Nr, 4, S. 2. Vgl. SPJ 1998, S. 15. Anlass zu wissenschaftlicher Kritik boten auch zwei Schlussfolgerungen des Berichts: a) dass die Schweiz mit der von ihr geförderten Einführung des J-Stempels die Ausreise der Juden aus Deutschland in andere Länder behindert habe, und b) dass zur Zeit der totalen Grenzschliessung (August 1942) den eidgenössischen Behörden die deutsche Politik der systematischen Vernichtung aller Juden bekannt gewesen sei (vgl. Presse vom 11.12.99 und NZZ, 14.2. und 20.4.00).2