Année politique Suisse 1999 : Politique sociale / Population et travail
 
Arbeitswelt
Basierend auf der Arbeitskräfteerhebung 1997 ermittelte das Bundesamt für Statistik (BFS) erstmals den monetären Wert der in der Schweiz geleisteten unbezahlten Arbeit in Familie, Nachbarschaftshilfe, Ehrenamt etc. Müssten diese Leistungen durch entlöhnte Arbeitskräfte erbracht werden, würde dies rund 215 Mia Fr. pro Jahr kosten; das entspricht 58% des Bruttoinlandproduktes. Zwei Drittel der nicht bezahlten Arbeit wird von Frauen geleistet. Das BFS will diese Zahlen nun jedes Jahr neu erheben und zusammen mit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als „Satellitenkonto“ präsentieren [3].
Die Volksinitiative „Arbeitsverteilung“, welche einerseits ein Recht auf existenzsichernde Arbeit, andererseits eine gerechtere Verteilung der nicht entlöhnten Arbeit auf Männer und Frauen verlangte, kam definitiv nicht zustande  [4].
1997 war der Bundesrat mit zwei vom Nationalrat angenommenen Motionen aufgefordert worden, dezidierter gegen die Schwarzarbeit vorzugehen. Im Berichtsjahr wurde er nun aktiv und lud die Vertreter der Kantone und der Sozialpartner zu einem Hearing ein. Dabei einigten sich die Gesprächspartner auf einen Massnahmenkatalog. Eine Informationskampagne soll die Bevölkerung dafür sensibilisieren, dass Schwarzarbeit kein Kavaliersdelikt ist, sondern die Allgemeinheit Milliarden kostet. Deshalb sollen die kantonalen Kontrollen und die Gerichtspraxis verschärft werden. Der Bund wird zudem nach administrativ einfacheren Wegen suchen, die es Kleinunternehmen und Haushaltungen ohne grossen Aufwand ermöglichen, im Stundenlohn beschäftigte Personen zu deklarieren [5]. Der Nationalrat überwies eine Motion der CVP-Fraktion, welche ähnlichlautende Vorschläge machte, in der Postulatsform [6].
Volkswirtschaftlich gesehen entstehen durch Unfälle und Berufskrankheiten in der Schweiz jährlich gut 12 Mia Fr. Kosten. Darin sind sowohl die Aufwendungen für den Heilungsprozess enthalten als auch die Mehrbelastungen der Unternehmen aufgrund des Ausfalls der Arbeitskraft. Ausgehend von einer in Deutschland durchgeführten Untersuchung eruierte die SUVA durch Befragung von Verantwortlichen mittlerer und kleinerer Betriebe die Höhe der Absenzen in den einzelnen Unternehmen. Sie kam dabei zum gleichen Ergebnis wie die deutsche Studie, dass nämlich Arbeitgeber, welche die Gesundheitsprävention ernst nehmen, ein gutes Arbeitsklima schaffen und sich um die erkrankten Mitarbeiter kümmern, die Absenzen und deren Dauer deutlich verringern und damit Kosteneinsparungen von 10 bis 20% erreichen können. Die SUVA erarbeitete auf dieser Grundlage ein Handbuch für Firmen, das zu einem besseren Absenzenmanagement beitragen soll [7].
Mit der Schaffung eines Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) auf den 1. Juli des Berichtsjahres verlor das bisherige Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (BWA) seine autonome Stellung. Der Bereich „Arbeit“ wurde als eine von neun Direktionen ins seco integriert und umfasst neu die beiden Abteilungen „Arbeitsrecht und Gesundheit“ sowie „Arbeitsmarkt und Arbeitslosenversicherung“. Vertreter der Linken hatten vergebens bei Volkswirtschaftsminister Couchepin dafür geweibelt, ein eigenständiges Bundesamt für Arbeit einzurichten, das den nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch sozialen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes besser gerecht würde als ein ganz auf die Wirtschaft ausgerichtetets Superamt. In der Frühjahrssession war der Bundesrat noch bereit gewesen, ein diesbezügliches Postulat Berberat (sp, NE), das vereinzelt auch von bürgerlichen Abgeordneten mitunterzeichnet worden war, entgegen zu nehmen [8].
 
[3] Lit. Bühlmann / Schmid sowie Lit. Schmid et al.; Presse vom 2.7.99.3
[4] BBl, 1999, S. 2625; NZZ, 15.9.99. Siehe SPJ 1998, S.223.4
[5] Presse vom 9.2. und 15.6.99; SHZ, 14.7.99. Siehe dazu auch die Ausführungen des BR zu einer Interpellation Widmer (sp, LU) sowie zu einer Interpellation Leu (cvp, LU) in Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2241 f. und 2674. Vgl. SPJ 1997, S. 232. Der StR hatte die Motionen nur als Postulat überwiesen (SPJ 1998, S. 223). Nach den Gewerkschaften sagten auch der SGV und der Schweizerische Baumeisterverband dem Bund ihre volle Unterstützung bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit zu (Presse vom 27.5. und 2.7.99). In der Analyse der Ursachen für die Schwarzarbeit gingen die Auffassungen von Gewerkschaften und Gewerbe allerdings weit auseinander: für den SGB liegen die Gründe beim Fehlen von Mindestlohnvorschriften, wodurch viele Arbeitnehmende gezwungen seien, durch eine Zusatzbeschäftigung ihr Existenzminimum zu sichern; für den SGV sind es staatliche Abgaben und Papierkrieg, die viele Arbeitgeber von der Einstellung regulärer Arbeitskräfte abhalten (TA, 8.10.99).5
[6] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2173 ff.6
[7] LT, 28.5.99; TA, 29.7.99; BZ, 29.9.99. Zudem schaltete die SUVA eine Kampagne am Fernsehen, welche krankgeschriebene Arbeitnehmer dazu aufrief, möglichst rasch an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.7
[8] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 505; LT, 15.2.99; Presse vom 6.5. und 7.5.998