Année politique Suisse 1999 : Politique sociale / Assurances sociales / Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV)
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11. AHV-Revision
Gestützt auf erste Auswertungen der Vernehmlassung zu seinen Vorschlägen für die 11. AHV-Revision setzte der Bundesrat Ende März die Leitlinien für das weitere Vorgehen fest. Er beauftragte das EDI, neue Modelle zum flexiblen Rentenalter mit einem geringeren Kostenrahmen vorzubereiten. Anstatt 900 Mio Fr. pro Jahr soll das vorgezogenen Rentenalter lediglich 400 Mio Fr. kosten dürfen. Das entspricht den Einsparungen, die sich aus der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre ergeben. Der Gesamtbundesrat zeigte sich zudem gewillt, an den vor allem im linken Lager umstrittenen Leistungskürzungen (Angleichung der Witwen- an die Witwerrrente, Teuerungsanpassung der Renten nur noch alle drei Jahre) festzuhalten. Bundespräsidentin Dreifuss verhehlte nicht ihre Enttäuschung über die Beschlüsse ihrer Kollegen und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass damit noch nicht das letzte Wort gesprochen sei, insbesondere weil mit diesem Vorgehen die Frauen die grossen Verliererinnen der Revision wären und die Frühpensionierung nur für bessergestellte Arbeitnehmer in Frage käme [19].
Ende November legte Dreifuss ihren Kollegen eine Kompromissvariante vor, welche zusätzlich zu den 400 durch die Erhöhung des Frauenrentenalters eingesparten AHV-Millionen statt der ursprünglich berechneten 500 Mio Fr. lediglich noch 200 Mio Fr. zusätzliche Mittel vorsah. Für die Abfederung kleiner Einkommen bei einem vorzeitigen Ruhestand stünden damit insgesamt 600 Mio Fr. zur Verfügung. Zur Finanzierung der gesamten 11. AHV-Revision müsste die Mehrwertsteuer 2003 um 0,5% und 2006 noch einmal um 1% erhöht werden. Der Gesamtbundesrat liess die EDI-Chefin aber erneut abblitzen und hielt an der Vorgabe von 400 Mio Fr. fest. Keine Chancen hatten aber auch Vorschläge aus dem bürgerlichen Lager, welche bereits im Rahmen der 11. AHV-Revision das generelle Rentenalter auf 66 Jahre anheben bzw. den Mischindex bei der Teuerungsanpassung der Renten abschaffen wollten. Nach diesem erneuten Treten an Ort verzögerte sich die für Ende 1999 in Aussicht gestellte Verabschiedung der Botschaft über das Jahresende hinaus [20].
Diskussionslos nahm der Ständerat im Rahmen des Stabilisierungsprogramms eine Motion des Nationalrates an, welche den Bundesrat verpflichtet, die Anpassung der AHV-Renten an die Lohn- und Preisentwicklung im Rahmen der 11. AHV-Revision unter Berücksichtigung der finanziellen Lage neu zu regeln [21].
 
[19] Presse vom 7.4.99; SHZ, 2.6.99; CHSS, 1999, S. 145-148 und 286. Siehe SPJ 1998, S. 258 f. Die neuen Vorschläge kamen nicht nur bei der SP und den Gewerkschaften schlecht an, sondern auch bei den Kantonen, welche kritisierten, der Bund setze für Härtefälle, die durch frühzeitige Pensionierung entstehen könnten, allzu leichtfertig auf Ergänzungsleistungen, die zu 75% von den Kantonen bezahlt werden müssen (NZZ, 13.4.99).19
[20] Presse vom 20.11., 24.11. und 25.11.99.20
[21] Amtl. Bull. StR, 1999, S. 62. Siehe SPJ 1998, S. 260.21