Année politique Suisse 2000 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Freisinnig-Demokratische Partei (FDP)
Die Delegiertenversammlung vom April bestätigte Steinegger mit einer Standing Ovation als Parteipräsidenten. Damit trat der 1989 gewählte Urner seine vierte Amtszeit an. Bereits im März hatte er angekündigt, dass er der Partei nicht für eine ganze Amtsdauer, sondern bloss für ein bis zwei weitere Jahre zur Verfügung stehen werde
[26]. Als
neuer dritter Vizepräsident wurde der Tessiner Nationalrat
Gabriele Gendotti gewählt. In die Parteileitung rückten ausserdem Gerold Bührer (SH), John Dupraz (GE), Christine Egerszegi (AG), George Theiler (LU), Christian Wanner (SO) und die Baselbieterin Fabia Schild nach. Schliesslich bestätigten die Delegierten die bereits im vergangenen November gefasste Ja-Parole zu den bilateralen Verträgen mit der EU fast einstimmig
[27].
Ende August ernannte der Bundesrat FDP-Generalsekretär
Matyassy zum Direktor der neu geschaffenen „Präsenz Schweiz“. Die im Aussenministerium angesiedelte PR-Organisation soll das Image der Schweiz im Ausland pflegen
[28]. Im Oktober wählte die Geschäftsleitung der FDP sowie die Konferenz der FDP-Kantonalpräsidenten den bisherigen Pressechef
Guido Schommer zum Nachfolger von Matyassy als Generalsekretär. Der 28jährige Ausserrhoder Betriebswirt hatte bereits 1995 als Wahlassistent beim damaligen Generalsekretär Kauter gearbeitet. Er war 1992 zur FDP gestossen und zu Beginn seiner politischen Karriere Vorstandsmitglied der Bewegung „Geboren am 7. Dezember“, die sich nach dem EWR-Nein für eine rasche Integration der Schweiz in die EU eingesetzt hatte. Ende Jahr wurde in der Juristin Barbara Perriard auch die Nachfolgerin für Schommer im Amt des Pressechefs gefunden. Sie wird ihr Amt im Frühjahr 2001 antreten
[29].
An der
ersten Delegiertenversammlung des Jahres kritisierte Steinegger den weit verbreiteten Populismus bei der SVP. Deren Protagonisten würden eine fundamentalistische „Freund-Feind-Politik“ betreiben und sich als Retter der Bürgerlichkeit aufschwingen. An der linken politischen Kultur kritisierte Steinegger die kategorische Ablehnung des Neoliberalismus
[30].
Mitte Februar stellten die Bundeshaus-Fraktion und die Geschäftleitung der FDP ihre
Legislaturziele vor. Fraktionschefin Beerli (BE) grenzte sich dabei klar gegen die Zielvorgaben der SP ab: Ihre Fraktion strebe das Wohl der Gemeinschaft ausgehend vom Wohl des Individuums an und nicht umgekehrt. Sie forderte flexiblere Arbeitsbedingungen, eine Liberalisierung der Märkte und den Verzicht auf Mindestlöhne. Die FDP setzte sich ferner Steuererleichterungen für Familien und die Abschaffung des Börsenumsatzstempels zum Ziel. Die überschüssigen Goldreserven der Nationalbank sollten vorwiegend zum Schuldenabbau eingesetzt werden. Bei der Altersvorsorge postulierte die Fraktion das „Modell der sanften Pensionierung 62/68“: Ab den 62. Altersjahr sollte eine gleitende Pensionierung eingeführt werden. Wer über das 65. Altersjahr hinaus arbeiten wolle, soll einen Solidaritätsbeitrag an die frühzeitig Pensionierten leisten. Im Bereich Bildung will die FDP-Fraktion Tagesschulen fördern, Kinderbetreuungskosten als Steuerabzug zulassen, die Einschulung im fünften Altersjahr fördern sowie Englischunterricht in der Grundschule einrichten. Der Zugang zu den Hochschulen soll durch höhere Zulassungshürden erschwert werden
[31].
An einer vorwiegend von Frauen besuchten Tagung in Solothurn präsentierten die Freisinnigen eine
Petition zur Einführung von familienunterstützenden Tagesstrukturen bei der Kinderbetreuung: Tagesschulen und ganztägige Betreuungsangebote seien zu fördern. Die Musterpetition orientiert sich inhaltlich am sogenannten Tessiner Modell und soll in den Kantonsparlamenten eingereicht werden. Für Vizepräsidentin Marianne Kleiner ist die Forderung nach Betreuungsangeboten primär ein wirtschaftliches Argument: Die FDP sei weder gewillt, das wirtschaftliche Potential von Frauen, die Kinder betreuen, brach liegen zu lassen, noch den Verzicht vieler karrierebewusster Frauen auf eigene Kinder hinzunehmen. Die Finanzierung blieb an der Tagung jedoch umstritten. An derselben Tagung wurde auch eine Resolution der Aargauer Nationalrätin Christine Egerszegi verabschiedet, die vom Ständerat verlangt, einer Fristenlösung nicht länger im Weg zu stehen
[32].
Der Verfassungsartikel über eine Energielenkungsabgabe war dereinst als Gegenentwurf zur zurückgezogenen Energie-Umwelt-Initiative unter namhafter Beteiligung der FDP im Parlament zustande gekommen. Im August entschieden sich die Delegierten jedoch
gegen die vor der Volksabstimmung stehenden
Energievorlagen. Sehr deutlich lehnten die Delegierten auch die 18-Prozent-Initiative zur Begrenzung der Einwanderung ab, deren Urheber, der Aargauer Grossrat Philipp Müller, dem Freisinn angehört
[33].
Die im Vorjahr lancierte
Steuerstopp-Initiative der FDP wurde Anfangs Dezember fallen gelassen. In einer Pressemitteilung erklärte die Parteileitung, es seien nur 60 000 Unterschriften zustande gekommen
[34].
Bei den kantonalen Parlamentswahlen fing die FDP die im Vorjahr erlittenen Einbussen teilweise wieder auf. Eine deutliche Avance konnte sie im Kanton Graubünden verbuchen (+7), in St. Gallen (-4) und Schwyz (-3) wurde ihre Sitzzahl jedoch reduziert. In Schaffhausen holte sich die Partei das im vergangenen Jahr verlorene Regierungsmandat zurück und auch in St. Gallen eroberte sie ihren dritten Exekutivsitz zurück. Dagegen wurde Finanzministerin Stéphanie Mörikofer im Aargau abgewählt. In Basel verzichtete die FDP zugunsten ihres bürgerlichen Bündnispartners CVP auf einen Regierungssitz.
[26] Presse vom 28.3.00. 26
[27] Presse vom 28.3., 8.4. und 10.4.00. 27
[28] Presse vom 31.8.00. Zur Präsenz Schweiz siehe oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen). 28
[29] Presse vom 21.10.00 (Schommer);
NZZ, 20.12.00 (Perriard). 29
[30] Presse vom 24.1.00. 30
[31] Presse vom 15.2.00. 31
[32] Presse vom 26.6.00. Zur Diskussion um eine Fristenlösung siehe oben, Teil I, 7c (Familienpolitik). 32
[33] Presse vom 21.8.00. 33
[34]
TA, 5.12.00. Siehe
SPJ 1999, S. 388. 34
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