Année politique Suisse 2000 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
Staatsschutz
Im Nachgang zur Betrugsaffäre Bellasi im VBS hatte die Fraktion der Grünen im Nationalrat die Einsetzung einer PUK zur Abklärung der Funktion und Organisation der
militärischen Nachrichtendienste gefordert. Gegen die Stimmen der Linken lehnte der Nationalrat eine entsprechende parlamentarische Initiative ab. Nicht besser erging es einer Motion Grobet (pda, GE), der gleich die Abschaffung des militärischen Nachrichtendienstes forderte
[24]. Vom Ständerat angenommen wurde hingegen eine Motion seiner GPK, welche eine klare gesetzliche Definition der Aufgaben und der Stellung des strategischen Nachrichtendienstes im Rahmen der Staatsführung fordert
[25]. Im Februar hatte die im Vorjahr von der Regierung eingesetzte und von Edouard Brunner geleitete Expertengruppe ihren Bericht vorgelegt. Die Quintessenz ihrer Analyse war, dass die Schweiz auch in Zukunft auf einen effizienten Nachrichtendienst angewiesen sei, dass dieser aber nicht mehr Teil der militärischen Strukturen sein soll. Gestützt auf diesen Bericht beschloss der Bundesrat im Herbst, den
Strategischen Nachrichtendienst aus der Untergruppe Nachrichtendienst des Generalstabs herauszulösen und
als zivile Verwaltungsstelle unter der Obhut des Generalsekretariats des VBS zu organisieren. Direktor dieser neuen Stelle wurde der Berner Hans Wegmüller. Der Generalstab der Armee soll allerdings, wie auch die Luftwaffe, weiterhin über einen eigenen Nachrichtendienst verfügen
[26]. Auf den im Vorjahr beschlossenen neuen Posten des „Nachrichtenkoordinators“ berief der Bundesrat den Walliser Jacques Pitteloud. Dieser Koordinator leitet die Stabsstelle der „Lenkungsgruppe“ genannten Zusammenfassung der Chefs der verschiedenen mit Nachrichtendiensten befassten Bundesstellen
[27].
Im Gegensatz zum Nationalrat sah der Ständerat keine Veranlassung, die Beziehungen von schweizerischen Personen und Unternehmen zur Staatssicherheitspolizei der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (
Stasi) von Staates wegen wissenschaftlich erforschen zu lassen. Er beschloss mit 23:9 Stimmen, auf einen mit einer parlamentarischen Initiative Frey (svp, ZH) geforderten Bundesbeschluss nicht einzutreten. Mit den Worten des Sprechers der Rechtskommission der kleinen Kammer soll die Politik der historischen Forschung gute Rahmenbedingungen gewähren, sie aber bei der Wahl ihrer Themen selbst gewähren lassen. Die Rechtskommission des Nationalrats gab sich allerdings noch nicht geschlagen und beschloss, ihrer Kammer eine Bestätigung des ursprünglichen Beschlusses zu beantragen
[28].
Die knappen Personalbestände des
Grenzwachtkorps hatten in den letzten Jahren zu einer Reduktion der Überwachungstätigkeit an der Grenze geführt. Die Kontrolle beschränkte sich zunehmend auf Stichproben beim einreisenden Strassenverkehr und auf die Beobachtung von besonders zur illegalen Einreise geeigneten Stellen der sogenannten grünen Grenze. Nach Ansicht der SVP geht von dieser Reduktion eine Gefährdung der inneren Sicherheit aus. Nationalrat Baumann (svp, TG) verlangte als Gegenmassnahme mit einer Motion eine Personalaufstockung oder als Alternative dazu den vermehrten Einsatz der Armee. Nachdem der Bundesrat darauf hingewiesen hatte, dass auch eine massive Personalaufstockung eine lückenlose Grenzüberwachung nicht erlauben würde, dass aber in Zusammenarbeit mit den Kantonen das Kontrollsystem überprüft werde, lehnte der Rat die Motion ab; eine Motion Schmied (svp, BE), welche eine derartige Überprüfung gefordert hatte, war kurz zuvor überwiesen worden
[29].
Auf Anfang 2001 wurde die 1999 von Justizministerin Metzler in Angriff genommene Reorganisation des Polizeibereichs des Bundes abgeschlossen. Im Vorjahr war die Bundespolizei von der Bundesanwaltschaft getrennt worden. Im Berichtsjahr erfolgte die Trennung der beiden bisher bei der Bundespolizei angesiedelten Dienste präventive Informationsbeschaffung und gerichtspolizeilichen Ermittlung. Für erstere wird in Zukunft der Dienst für Analyse und Prävention, für letztere die
Bundeskriminalpolizei zuständig sein
[30].
[24]
AB NR, 2000, S. 819 ff. (pa. Iv.) und 733 f. (Motion). Vgl. auch die Interpellationen Teuscher (gb, BE) und Bühlmann (gp, LU) zu diesem Thema in
AB NR, 2000, S. 734 ff. und 738 ff. Zur Affäre Bellasi siehe
SPJ 1999, S. 26.24
[25]
AB SR, 2000, S. 326.25
[26] Bericht Brunner: Presse vom 14.2.00; vgl. dazu auch
SPJ 1999, S. 26. BR:
NZZ, 7.9. und 26.10.00;
TG, 5.12.00.26
[27]
LT, 21.3.00;
Lib., 3.4.00. Vgl.
SPJ 1999, S. 25 f.27
[28]
AB SR, 2000, S. 508 f.;
NZZ, 24.11.00 (NR-Komm.). Vgl.
SPJ 1999, S. 26 f.28
[29]
AB NR, 2000, S. 1144 f. (Baumann) und 1065 ff. (Schmied). Vgl. auch die Antwort des BR auf diverse Interpellationen Freund (svp, AR) in
AB NR, 2000, S. 1065 ff. und 1145. Siehe auch
TG, 6.4.00.29
[30]
Bund, 4.5.00;
NZZ, 2.12.00. Vgl.
SPJ 1999, S. 32.30
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