Année politique Suisse 2000 : Economie / Politique économique générale
Konjunkturlage
Das starke Wachstum der Weltwirtschaft hielt an. Als Konjunkturlokomotive wirkten weiterhin die USA. Da sich auch in den europäischen Staaten das Wachstum wieder beschleunigte, nahm im Bereich der OECD das reale Bruttoinlandprodukt im Mittel um 4% zu (1999: 3%); damit wurde der langfristige Durchschnitt von 2,6% deutlich übertroffen. Kaum aus der Stagnation lösen konnte sich allerdings Japan. Wieder auf dem Wachstumspfad befanden sich hingegen die meisten südostasiatischen Schwellenländer. Nach dem Einbruch im Vorjahr entwickelten sich die Mehrzahl der Volkswirtschaften der mittel- und osteuropäischen Reformstaaten inkl. Russlands wieder positiv. Mit Ausnahme Argentiniens traf dies auch für die lateinamerikanischen Länder zu.
Die Teuerung verdoppelte sich in den OECD-Staaten beinahe; sie blieb aber mit durchschnittlich 2,8% auf einem im Vergleich zu früheren Hochkonjunkturphasen niedrigen Niveau. Die
Beschäftigung nahm, ausser in Japan, weiterhin zu. Namentlich in der EU wirkte sich dies auch auf die Arbeitslosenquote aus, die auf 8,2% sank; in Frankreich und Deutschland unterschritt sie zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder die 10%-Marke
[4].
Im Einklang mit der weltwirtschaftlichen Entwicklung gewann auch die
schweizerische Konjunktur wieder an Schwung. Begünstigt von den weiterhin tiefen Zinssätzen und dem Kursverlust des Frankens gegenüber dem US-$ verdoppelte sich das Wachstum gegenüber dem Vorjahr: das reale Bruttoinlandprodukt nahm gemäss ersten Schätzungen im Jahresmittel um 3,4% zu (1999: 1,5%). Die wichtigste Komponente des BIP, der private Konsum, stieg um 2% und erreichte damit ungefähr die Wachstumsrate des Vorjahres. Die gute Kapazitätsauslastung der Wirtschaft hatte eine weitere Steigerung der Ausrüstungsinvestitionen zur Folge (+10,3% gegenüber rund 9% im Vorjahr). Dank den in Schwung gekommenen Arbeiten an den grossen Infrastrukturprojekten (v.a. NEAT) nahmen auch die Bauinvestitionen wieder zu. Die Wiederbelebung der Konjunktur in den Industriestaaten führte zu einer massiven Zunahme der Güterexporte: Die Expansionsrate verdoppelte sich auf 7,1%; die Importe nahmen im gleichen Mass zu. Die
Handelsbilanz geriet, wie in Hochkonjunkturphasen typisch, wieder ins Minus (-2,1 Mia Fr.). Der Aktivsaldo der Dienstleistungsbilanz erreichte nach ersten Schätzungen 22,6 Mia Fr. Da die Kapitaleinkommen aus dem Ausland weiterhin stark anwuchsen, nahm der Überschuss in der
Ertragsbilanz noch einmal kräftig zu: Gemäss ersten Schätzungen erreichte er 52 Mia Fr. (1999: 45 Mia Fr.)
[5].
Die Nachfrage nach Arbeitskräften stieg weiter an. Die
Zahl der Beschäftigten nahm um 2,2% zu und übertraf damit die Wachstumsrate des Vorjahres (1,6%) deutlich. Obwohl die Expansion im Dienstleistungsbereich (+2,6%) am stärksten war, nahm erstmals seit zehn Jahren auch die Beschäftigung im Industriesektor wieder zu (+1%). Die Zahl der registrierten Arbeitslosen konnte weiter abgebaut werden: sie betrug im Dezember noch 69 724. Die
Arbeitslosenquote ging im Jahresmittel auf 2,0% zurück (1999: 2,7%); im Dezember betrug sie noch 1,9% (Dezember 1999: 2,5%). In der französischsprachigen Schweiz und im Tessin war sie mit 3,0% allerdings doppelt so hoch wie in der Deutschschweiz (1,5%). In dieser Zahl sind die in Weiterbildungs- und Arbeitsprogrammen integrierten Arbeitslosen nicht enthalten. Die für internationale Vergleiche konzipierte Sake-Erhebung, welche diese Personen auch berücksichtigt, wies für das 2. Quartal 2000 eine Arbeitslosenquote von 2,7% aus
[6].
Die am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene
Teuerung nahm 2000 im Jahresmittel
um 1,6% zu, was die grösste Steigerung seit 1995 bedeutete. Trotz der sehr lebhaften Binnenkonjunktur war daran nicht das Preisniveau der inländischen Güter schuld (+0,7%), sondern die Inflation der Importpreise (+4,1%), und dabei insbesondere der Preise für Erdölprodukte. In einem Spezialbericht wies das Bundesamt für Statistik auf die Bedeutung politischer Entscheide für die Preisentwicklung hin. So haben sich die Konsumentenpreise für Telekommunikationsleistungen seit der Einleitung der Liberalisierung in den 90er Jahren um über 40% reduziert. Der Preisindex der Produzenten- und Importpreise war im Berichtsjahr erneut für beide Kategorien rückläufig (-1,0% resp. -2,2%)
[7].
Die im Vorjahr von der kleinen Kammer überwiesene Motion Cottier (cvp, FR) für einen nach sozialen Gruppen
differenzierten Konsumentenpreisindex fand auch im Nationalrat Zustimmung
[8]. Zu einer Panne bei der Indexberechnung kam es beim Bundesamt für Statistik. Ende November musste dieses bekannt geben, dass wegen zu hoher Gewichtung von Heizöl im Warenkorb, die Teuerung von Juni bis Oktober um einige Promillepunkte zu hoch ausgewiesen worden war (im Oktober 1,9% statt 1,3%). Dieser Fehler hat nach Angabe des Bundesrates weder seine Budget- noch seine Lohnpolitik beeinflusst, welche von einer Jahresteuerung von 2% ausgegangen war. Da der Teuerungsausgleich auch bei anderen öffentlichen und privaten Arbeitgebern in der Regel deutlich unter der 2%-Marke blieb, dürfte der Irrtum des BfS ohne gravierende wirtschaftliche Folgen geblieben sein
[9].
Mit der Überweisung eines Postulats seiner WAK regte der Nationalrat an, das Instrument der
steuerbegünstigten Arbeitsbeschaffungsreserven für Unternehmen attraktiver zu gestalten. Die Erfahrung der letzten Rezession hatte gezeigt, dass die zurückgelegten Gelder weit unter den Erwartungen geblieben waren, und deshalb ihre Freigabe keine nachhaltigen konjunkturbelebenden Impulse hatte auslösen können
[10].
[4] SNB,
Geschäftsbericht, 2000, S. 7 ff.4
[5] SNB,
Geschäftsbericht, 2000, S. 20 ff. Siehe auch Kommission für Konjunkturfragen, „Die Wirtschaftslage: Bericht vom 2. März 2001“, Beilage zu
Die Volkswirtschaft.5
[6]
Die Volkswirtschaft, 2001, Nr. 4, S. 80;
NZZ, 23.9. und 15.11.00 (Sake). Siehe dazu auch unten, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt).6
[7] SNB,
Geschäftsbericht, 2000, S. 20 ff.;
NZZ, 29.12.00; BfS,
Preisstatistik 2000, Neuenburg 2000.7
[8]
AB NR, 2000, S. 368. Vgl.
SPJ 1999, S. 126.8
[9] Presse vom 1.12.00. Vgl. dazu auch die Stellungnahmen des BR in
AB NR, 2000, S. 1453 und 1458 f. sowie Beilagen IV, S. 166 f.9
[10]
AB NR, 2000, S. 452. Vgl.
SPJ 1985,
S. 62 und
1991, S. 115.10
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