Année politique Suisse 2000 : Economie / Crédit et monnaie
 
Banken
Die dem Bund jährlich 2 Mia Fr. einbringende Umsatzabgabe auf Börsengeschäften (Stempelsteuer) erwies sich mit der Internationalisierung der Finanzmärkte und dem Abbau der fiskalischen Belastung insbesondere in London zunehmend als Konkurrenznachteil für die inländische Börse. Ursprünglich war dieser Abbau im Rahmen eines Gesamtpaketes (zusammen mit der Reform der Familien- und der Hauseigentumsbesteuerung) und mit Kompensationen durch andere Belastungen des Finanzmarkts geplant gewesen. Nachdem er mit parlamentarischen Vorstössen dazu aufgefordert worden war, brach der Bundesrat das Paket auf und legte einen dringlichen Bundesbeschluss zur Abschaffung der Stempelsteuer für institutionelle Anleger vor, da bei diesen die Gefahr einer Abwanderung ins steuergünstige Ausland besonders akut sei. Für den Ständerat ging diese sofortige und kompensationslose Entlastung zu weit. Er beschloss in der Dezembersession auf Antrag seiner Kommission, mit dem Dringlichkeitsbeschluss nur die besonders abwanderungsbereiten ausländischen institutionellen Anleger zu befreien und die übrigen Entlastungen auf dem normalen Gesetzgebungsweg zu beschliessen. Gegen den Widerstand der Linken, welche ein Vorziehen der Aufhebung der Stempelabgabe grundsätzlich ablehnte, hielt der Nationalrat zuerst am ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates fest, schloss sich in der Differenzbereinigung dann aber der Ständeratslösung an [10].
Der Druck internationaler und supranationaler Organisationen auf das Bankgeheimnis verstärkte sich im Berichtsjahr. In seiner Antwort auf eine Interpellation Schlüer (svp, ZH) nahm der Bundesrat kritisch Stellung zu Empfehlungen, welche der OECD-Ministerrat zur Einschränkung des von ihm als schädlich taxierten Steuerwettbewerbs formuliert hatte. In diesem Text war auch Kritik am Bankgeheimnis angebracht worden, insofern dieses den Informationsaustausch zwischen den staatlichen Behörden verhindere. Die EU ihrerseits hatte im sogenannten Steuerkompromiss des Europäischen Rates am Gipfel von Feira (Portugal) beschlossen, längerfristig einen obligatorischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden über Zinsauszahlungen an Bürger anderer EU-Staaten einzuführen. Als befristete Übergangslösung kann an dessen Stelle auch eine Zinsbesteuerung eingeführt werden. Wichtig für die Schweiz in diesem Zusammenhang war, dass auf Verlangen von Staaten mit einem ähnlich verfassten Bankgeheimnis wie die Schweiz (Luxemburg und Österreich) beschlossen wurde, von wichtigen Nicht-EU-Staaten eine gleichwertige Regelung zu verlangen. Im Spätherbst einigte man sich in der EU über den Inhalt einer entsprechenden Richtlinie; der einstimmig zu erfolgende Entscheid darüber wurde aber noch nicht gefällt [11]. Angesichts dieser zunehmenden Attacken auf das schweizerische Bankgeheimnis berief Bundesrat Villiger eine Expertengruppe ein, welche Abwehrstrategien entwickeln soll. In mehreren Erklärungen hielt der Bundesrat fest, dass die Schweiz am Bankgeheimnis festhalten werde und die in der Schweiz praktizierte Quellensteuer auf Zinsen eine valable Alternative im Kampf gegen Steuerhinterziehung darstelle. Die zur Zeit nur auf inländischen Wertpapieren erhobene Abgabe könnte durch eine neue Abgabe auf den Zinserträgen ausländischer Anlagen nach dem Zahlstellenprinzip ergänzt werden. Gegen den Widerstand der SP- und GP-Vertreter unterstützte die WAK des Nationalrats diese Haltung der Regierung [12].
Gemäss Börsengesetz gewährt die Eidgenössische Börsenkommission den Börsenaufsichtsstellen anderer Länder Amtshilfe bei der Aufdeckung von Irregularitäten, knüpft diese jedoch an bestimmte Bedingungen. So muss unter anderem der betroffene Kunde informiert werden, und die Kommission muss die Weiterleitung dieser Informationen an die Strafverfolgungsbehörden von Drittstaaten bewilligen. Da diese Anforderungen im internationalen Vergleich sehr streng sind, wird das Verhalten der Schweiz bei der Aufdeckung von Verstössen gegen Börsenregeln oft als unkooperativ kritisiert. Nach Ansicht des Bundesrates könnte eine daraus entstehende Krise in der Zusammenarbeit zwischen der Börsenkommission und ausländischen Aufsichtsbehörden zu einem Ausschluss von Schweizer Banken von wichtigen Börsenplätzen führen. Mit einer als Postulat überwiesenen Motion Studer (sp, NE) forderte der Ständerat den Bundesrat auf, eine Lockerung dieser Bestimmungen vorzubereiten [13].
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Kantonalbanken
Der Privatisierungsprozess der Kantonalbanken wurde weiter vorangetrieben. Die Luzerner Regierung beantragte die Umwandlung der Kantonalbank in eine Aktiengesellschaft und stellte in Aussicht, dass ein Teil der Aktien verkauft werde, wobei allerdings der Kanton eine Mehrheit behalten wolle. Gegen die Stimmen der SP akzeptierte das Kantonsparlament die Umwandlung in eine AG. Am 24. September hiess auch das Volk gegen den Widerstand der SVP, der SP und der GP die Vorlage mit 53,5% Ja-Stimmen gut [14].
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Gelder von Naziopfern
Ende Februar, gut zwei Monate nach der Präsentation des Abschlussberichts, löste sich das für die Abklärung des Umgangs von Schweizer Banken mit Geldern von Holocaust-Opfern eingesetzte sogenannte Volcker-Komitee auf [15]. Zu regeln blieb noch die Frage nach dem Umfang der zu errichtenden Datenbank über Schweizer Bankkonten aus der Zeit des 2. Weltkriegs. Ursprünglich war von amerikanischer Seite verlangt worden, dass diese Datenbank sämtliche 4,1 Mio Konten, die damals auf Schweizer Banken eröffnet worden waren, umfassen soll. Der für den Vergleich mit den Grossbanken zuständige New Yorker Richter Kormann hatte diese Position übernommen. Die Eidgenössische Bankenkommission hatte hingegen nur die Aufnahme derjenigen rund 46 000 Konten erlaubt, bei welchen das Volcker-Komitee einen möglichen oder wahrscheinlichen Zusammenhang mit Holocaust-Opfern nicht ausschloss. Als Kompromiss boten die beiden Grossbanken an, dass sie ihre eigenen Datenbanken mit 2,1 Mio Konten aus dieser Zeit für die Abklärung von weiteren berechtigten Ansprüchen zur Verfügung stellen würden. Damit gab sich die Gegenseite zufrieden, und Richter Kormann hiess den Vergleich Ende Juli endgültig gut. Einen guten Monat später lag auch der Verteilungsplan für die 1,25 Mia US-$ vor [16].
Da auch in Zukunft Probleme mit nachrichtenlosen Konten entstehen können, waren 1997 Vorarbeiten für eine rechtliche Regelung dieses Bereichs eingeleitet worden. Im Sommer 2000 wurde ein Vorentwurf zu einem neuen Gesetz in die Vernehmlassung gegeben. Dieser sieht vor, dass Banken und Versicherungen aktiv nach Konto- resp. Policeninhabern suchen müssen, wenn sie während acht Jahren keine Nachrichten mehr erhalten haben. Bleibt die Suche erfolglos, so sind die Namen der Inhaber einer zentralen Meldestelle anzugeben, welche später Berechtigten, die nach allfälligen Guthaben suchen, Auskunft erteilen kann. Nach fünfzig Jahren sollen nachrichtenlose Vermögen an den Bund gehen. Diese neuen Bestimmungen fanden nur bei der SP uneingeschränkte Unterstützung. Für die Bankiervereinigung und die SVP wären Rahmenbestimmungen ausreichend und namentlich die Schaffung einer Meldestelle der Wirtschaft zu überlassen [17]. Die Banken selbst ersetzten ihre 1995 erlassenen Richtlinien durch eine modernere Fassung [18].
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Gelder ausländischer Politiker
Nach Meinung der politischen Linken reichen die Gesetze über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Korruption nicht aus, um aus illegalen Aktivitäten stammende Gelder vom schweizerischen Finanzplatz fernzuhalten. Mit einer Motion forderte deshalb der Genfer Nationalrat Grobet (pda) die Einrichtung einer dem Bankgeheimnis unterstehenden Kommission, bei welcher die Banken Einlagen ab 1 Mio Fr. von ausländischen Staatschefs und Ministern melden müssen. Der Nationalrat lehnte auf Antrag des Bundesrates dieses Begehren mit 89:55 Stimmen ab [19].
 
[10] BBl, 2000, S. 5835 ff.; AB SR, 2000, S. 767 ff, 846 f. und 943; AB NR, 2000, S. 1328, 1354 ff., 1416 ff., 1506 f. und 1615; BBl, 2000, S. 6203. Für mehr Details siehe unten, Teil I, 5 (Indirekte Steuern).10
[11] OECD: Presse vom 13.4. (Bericht des OECD-Finanzkomitees); AB NR, 2000, S. 457 (Beilagen I, S. 295 ff.) und 1120 ff. (Diskussion). EU: NZZ, 16.5. und 28.11.00; Presse vom 21.6.00; BaZ, 24.6. und 28.11.00.11
[12] NLZ und NZZ, 11.4.00 (Experten); AB SR, 2000, S. 494 ff. (EU); 24h, 28.6.00; NZZ, 29.6.00; Lib. und NZZ, 29.8.00 (WAK). Vgl. auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Bührer (fdp, SH) in AB NR, 2000, IV, Beilagen, S. 3382 ff.12
[13] AB SR, 2000, S. 493 f.13
[14] NLZ, 8.1., 2.2. (SP), 16.2., 9.5. (Parlament) und 25.9.00; NZZ, 12.9.00 (Parteien). Vgl. allgemein auch Bund 15.8.00.14
[15] NZZ, 24.2.00. Vgl. SPJ 1999, S. 135 f.15
[16] Datenbank: NZZ, 5.5., 6.5. und 28.7.00; Presse vom 27.7.00; TA, 5.8.00. Verteilplan: Presse vom 13.9.00 und TA, 22.11.00.16
[17] TA, 6.7.00; NZZ, 12.10.00. Vgl. SPJ 1999, S. 136 f. Mit einiger Verspätung überwies auch der SR zwei Motionen des NR für eine gesetzliche Regelung (AB SR, 2000, S. 422; vgl. SPJ 1997, S. 127 f.).17
[18] NZZ, 4.2.00. Vgl. SPJ 1999, S. 119.18
[19] AB NR, 2000, S. 1145 ff.19