Année politique Suisse 2000 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
 
Mietwesen
Als der Bundesrat im vergangenen Herbst seine Botschaft zur Teilrevision des Mietrechts im Obligationenrecht und zur Volksinitiative „Ja zu fairen Mieten“ verabschiedet hatte, herrschte an der Zinsfront noch Ruhe. Das Zinsniveau und speziell die Hypothekarzinsen sind aber im Berichtsjahr wieder angestiegen, was zu Mieterhöhungen führte. Im Mai forderte deshalb der Mieterinnen- und Mieterverband (MV) vom Bundesrat Sofortmassnahmen im Mietrecht. Die gesetzlich festgelegten Überwälzungssätze sollten mit einem dringlichen Bundesbeschluss halbiert werden. Der Bundesrat wollte diesem Anliegen aber nicht entsprechen. Eine kurzfristige Änderung der Überwälzungsansätze hätte seiner Meinung nach die parlamentarische Debatte zur Mietrechtsrevision unterlaufen [10].
Gleichzeitig nahm der Hauseigentümerverband (SHEV) seinen Kampf gegen die Mieterinitiative auf. An einer Delegiertenversammlung im Juni forderte SHEV-Präsident Dettling, der Bundesrat müsse die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung bringen. Alt Nationalrat Jaeger (ldu, SG) setzte sich für eine schrittweise Liberalisierung des Mietmarktes ein [11].
Auf Antrag seiner Rechtskommission lehnte der Nationalrat die Mieterinitiative ab und sprach sich grundsätzlich für den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates aus. Dieser will auf die Hypothekarzinsbindung verzichten und die Mietpreise in Zukunft am Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) anbinden. Das Kriterium der missbräuchlichen Miete bleibt erhalten. Bemessungsgrundlage bleibt die quartiersübliche Vergleichsmiete.
Umstritten war jedoch die Frage, zu welchem Prozentsatz die Teuerung gemäss LIK auf die Mieten überwälzt werden soll. Der Bundesrat schlug eine Überwälzung zu 80% vor. Vallender (fdp, AR) stellte den Antrag, hier keine dirigistischen Schranken einzubauen und den Vermietern das Recht auf eine 100prozentige Überwälzung zu erteilen. Für die Mietervertreter forderte Thanei (sp, ZH) hingegen eine Limitierung bei maximal 60%. Bundesrat Couchepin erklärte, eine Überwälzung von mehr als 80% der Teuerung könnte wiederum die Teuerung verstärken, weil die Mieten selbst zu 20% im LIK enthalten sind. Schliesslich akzeptierte die Ratsmehrheit die vom Bundesrat vorgesehenen 80%. Bei der Festlegung der Vergleichsmiete waren die Vertreter der Vermieterseite erfolgreich: Sie setzten durch, dass nicht nur Luxuswohnungen sondern auch alle Genossenschafts- und Gemeindewohnungen aus der quartiersweisen Berechnung der Vergleichsmiete ausgeschlossen werden. FDP- und SVP-Vertreter versuchten allerdings vergeblich, eine Kumulation beider Systeme, Indexmiete und Vergleichsmiete, zu erwirken. Keine Chance hatten auch zwei mieterfreundliche Anträge nach einem Ausbau des Kündigungsschutzes und zur Einführung einer Schutzklausel bei übermässig ansteigender Teuerung. Zudem strich eine bürgerliche Mehrheit im Rat die vom Bundesrat als Neuerung vorgeschlagene staatliche Kostenübernahme bei Verhandlungen vor den Mietgerichten. Der Nationalrat genehmigte den bereinigten Gegenvorschlag mit 95 zu 54 Stimmen. Die Mieterseite liess erkennen, dass sie dem Gesetz unter diesen Umständen nie zustimmen werde [12].
Der Nationalrat überwies ferner eine Motion Thanai (sp, ZH) zur Beschränkung der Nachzahlungen von Wohnungsnebenkosten als Postulat. Die Sozialdemokratin hatte eine Änderung des Obligationenrechts verlangt, welche Nachzahlungen nur noch in der Höhe eines Viertels der jährlichen Vorauszahlungen zugelassen hätte. Viele Vermieter würden sich durch eine unvollständige Deklaration der Nebenkosten auf dem Papier eine bessere Marktposition schaffen, nachträglich aber hohe Nachzahlungen einfordern. Dieses Vorgehen entspreche einem unlauteren Wettbewerb [13].
 
[10] NZZ, 31.5. und 6.7.00. Zur Botschaft vgl. SPJ 1999, S. 210 f.10
[11] NZZ, 5.6.00.11
[12] AB NR, 2000, S. 1366 ff., 1376 ff. und 1467 ff.; TA, 6.12., 12.12 und 16.12.00; NZZ, 12.12.00. Die Behandlungsfrist der Initiative wurde um ein weiteres Jahr verlängert (AB NR, 2000, S. 1490; AB SR, 2000, S. 937).12
[13] AB NR, 2000, S. 489.13