Année politique Suisse 2000 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
Diskussionslos und einstimmig lehnte auch der Ständerat die
Volksinitiative „für tiefere Spitalkosten“ ab. Das aus Kreisen um den Detailhandelsgrossisten Denner lancierte Begehren wollte das Versicherungsobligatorium auf den Spitalbereich beschränken. Für alle anderen Leistungen sollte Privatversicherungsrecht herrschen
[19]. Die Vorlage wurde vor der Abstimmung nur gerade von der Lega unterstützt, alle anderen Parteien und die massgebenden Verbände lehnten sie ab. In der Volksabstimmung vom 26. November wurde die Initiative mit über 82 Prozent Neinstimmen
massiv verworfen [20].
Volksinitiative „für tiefere Spitalkosten“
Abstimmung vom 26. November 2000
Beteiligung: 41,7%
Ja: 343 008 (17,9%) / 0 Stände
Nein: 1 574 528 (82,1%) / 20 6/2 Stände
Parolen:
– Ja: Lega.
– Nein: FDP, CVP, SP, SVP, LP, EVP, CSP, PdA, GP, SD, EDU, FP; Economiesuisse, SGV, SBV, SGB, CNG.
Die nahezu einhellige Ablehnung der Initiative zeigte sich auch im Abstimmungsprofil. Gemäss der
Vox-Analyse ergab sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen soziodemographischen Merkmalen und Stimmentscheid. Auch bei den parteipolitischen Merkmalen konnten nur graduelle Unterschiede ausgemacht werden; so lagen die Neinstimmenanteile bei den Bundesratsparteien mit Ausnahme der SVP über 80%. Die Ablehnung der Initiative war im rechtskonservativen Lager weniger ausgeprägt, aber immer noch sehr deutlich
[21].
Die Frage der
Spitalfinanzierung stand im Zentrum der
2. KVG-Teilrevision. Ausgelöst worden war die Diskussion durch ein Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes (EVK), welches die Kantone verpflichtet hatte, bei ausserkantonalen Behandlungen auch in den
privaten und halbprivaten Abteilungen einen Grundbeitrag zu leisten. Die Krankenkassen hatten dies zum Anlass genommen, die Praxis der Kantone, innerkantonal lediglich die öffentlichen Abteilungen der Spitäler mit einem Pauschalbetrag zu subventionieren, als nicht dem Geist des KVG entsprechend anzuprangern, und sie hatten verlangt, dass die Kantone in jedem Fall einen Sockelbeitrag leisten sollten. Auf Vermittlung des BSV war es zu einem „
Stillhalteabkommen“ zwischen Kantonen und Kassen für den innerkantonalen Bereich gekommen, allerdings unter der von den Versicherern gestellten Bedingung, dass bis Ende 2000 neue Finanzierungsregeln im KVG definiert würden. Als sich die Vorlage verzögerte, drohten die Krankenkassen, das Stillhalteabkommen gerichtlich anzufechten. Zudem hatten mehrere parlamentarische Vorstösse ebenfalls die gängige Spitalfinanzierung in Frage gestellt. Sie verlangten, die Kantone sollten nicht mehr automatisch die Spitaldefizite abgelten, sondern nur mehr zusammen mit den Versicherungen für je 50% der tatsächlich erbrachten Leistungen, allenfalls mit einer Pauschale resp. mit einem Globalbudget aufkommen
[22].
Mitte September verabschiedete der Bundesrat seine diesbezügliche
Botschaft zuhanden des Parlaments. Nach dem neuen Modell sollen sich die
Kantone und die Krankenkassen je zur Hälfte in die Vergütung der obligatorischen Leistungen teilen. Die Neuregelung wird für alle Spitäler auf der Spitalliste eines Kantons gelten und für alle Versicherten, unabhängig von deren Versicherungsdeckung. Im Gegenzug sollen sich die Krankenkassen zu 50% an den Investitionskosten der Spitäler beteiligen. Damit soll erreicht werden, dass beide Seiten (Spitäler und Versicherer) für Einsparungen einstehen, anstatt sich gegenseitig die Kosten zuzuschieben. Profitieren werden in erster Linie die Zusatzversicherten, die bisher ihren Spitalaufenthalt ohne Kantonssubventionen allein über ihre Prämien berappen mussten
[23]. Die Kantone stellten sich vehement gegen die Pläne des Bundesrates, die sie als für ihre Haushalte völlig untragbar bezeichneten. Sie verlangten zumindest eine Etappierung bei der Einführung der Neuregelung, den Ausschluss der gewinnorientiert arbeitenden Privatkliniken von jeglicher Subventionierung sowie eine Erhöhung der Bundesbeiträge an die Prämienverbilligungen; die hälftige Beteiligung der Kantone an der Finanzierung von teilstationären Einrichtungen sei gänzlich zu streichen
[24]. In der zuständigen
Kommission des Ständerates, der die 2. Teilrevision als Erstrat behandelt, stiessen die Vorbehalte der Kantone auf Verständnis. Sie trat auf die Vorlage zwar ein, beauftragte aber die Verwaltung, noch
andere Wege der Spitalfinanzierung zu prüfen. Aus diesem Grund konnte die Vorlage nicht, wie ursprünglich geplant, in der Wintersession vom Plenum behandelt werden
[25].
[19]
AB SR, 2000, S. 15 und 226;
AB NR, 2000, S. 459. Siehe
SPJ 1999, S. 247.19
[20]
BBl, 2001, S. 1141 ff.; Presse vom 15.9.-27.11.00.20
[21] Sidler, Andreas et al.,
Analyse der eidg. Abstimmung vom 26. November 2000, VOX Nr. 72, Zürich 2001.21
[22] Presse vom 27.5.00. Siehe
SPJ 1998, S. 236 und
1999, S. 246.22
[23]
BBl, 2001, S. 741 ff.;
CHSS, 2000, S. 266 f.; Presse vom 19.9.00.23
[24] Presse vom 20.9. und 31.10.00;
NZZ, 21.9.00.24
[25] Presse vom 22.11.00.25
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