Année politique Suisse 2000 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Suchtmittel
Anhand von vier Schlagworten skizzierte das BAG die Grundphilosophie der neuen
Präventionsstrategie: Selbstverantwortung des Einzelnen, Rücksichtnahme der Raucher auf die Nichtrauchenden, sachliche Information und Aufklärung seitens des Bundes sowie verstärkter Jugendschutz. Für eine erfolgreiche Prävention sei wichtig, dass die Massnahmen gesamthaft umgesetzt würden. Das BAG-Papier formulierte
14 Ziele, von denen einige kaum bestritten sind – so etwa das Bestreben, Rauchende zum Ausstieg zu motivieren oder für Jugendliche ein günstiges Umfeld, insbesondere rauchfreie Schulen zu schaffen. Andere Zielsetzungen hingegen enthielten einigen Zündstoff. So strebt das BAG neben
Einschränkungen bei der Werbung und neuen Produktedeklarationen (allfälliges Verbot von Bezeichnungen wie „mild“ und „light“) namentlich eine
höhere Besteuerung von Tabakprodukten analog dem in der EU geltenden Niveau an. Damit soll der Präventionsetat des Bundes, der heute 5 Mio Fr. beträgt, verdreifacht werden. Zudem sollen Verkaufsstellen, die Tabakwaren an
Jugendliche unter 16 Jahren abgeben, mit hohen Bussen bis hin zur Geschäftsschliessung bestraft werden können
[62].
In der
Vernehmlassung war man sich nur gerade beim
Jugendschutz einig. CVP und SVP lehnten eine höhere Besteuerung ab, da dies negative soziale Auswirkungen hätte. Die Pro Juventute schlug dagegen neben einer Erhöhung der Tabaksteuer die Erhebung eines „Tabakzehntels“ vor, um die für die Prävention zur Verfügung stehenden Gelder auf jährlich 20 Mio Fr. zu erhöhen. Eine Allianz bildeten CVP, SVP und Pro Juventute hingegen in der Befürwortung des Verkaufsverbots an Jugendliche, da in dieser Bevölkerungsgruppe am ehesten ein Präventionserfolg zu erzielen sei. Die Gegner eines derartigen Verbots, FDP, Gewerbeverband und Tabakhandel, möchten in erster Linie auf die Stärkung der Eigenverantwortung setzen. Die SP befürchtete durch ein
Verkaufsverbot die Ausgrenzung von jugendlichen Rauchenden oder die Bildung von Schwarzmärkten. Dagegen würde die SP ein
Werbeverbot insbesondere in der Umgebung von Schulen begrüssen. Die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände widersetzten sich Werbebeschränkungen und verwiesen diesbezüglich auf die 1993 abgelehnten „Zwillingsinitiativen“
[63].
Im Nationalrat wurde eine Motion Tillmanns (sp, VD), die ein völliges Verbot der
Tabakwerbung verlangte, auf Antrag des Bundesrates, welcher der internationalen Entwicklung nicht vorgreifen und die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Tabakpräventionskampagne abwarten wollte, lediglich als Postulat überwiesen
[64].
[62] Presse vom 31.5.00. In der EU sollte ab 2006 jegliche Tabakwerbung verboten sein, doch entschied der Europäische Gerichtshof, die EU habe dazu nicht die gesetzliche Grundlage. Bereits ab 2002 sind die Bezeichnungen „mild“, „light“ und „superlight“ in der EU nicht mehr zugelassen (
LT, 15.6. und 6.10.00). BAG-Direktor Zeltner war Präsident der Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation WHO, welche die Vorwürfe untersuchte (und bestätigte), wonach die amerikanischen Tabakkonzerne die WHO in den letzten Jahren gezielt unterwandert haben, um deren Antiraucherkampagnen zu diskreditieren (Presse vom 3.8.00); siehe dazu auch die Stellungnahme des BR in
AB NR, 2000, S. 1608.62
[63] Presse vom 6.10.00. Der Schweizer Tabakhandel will sich vermehrt mit eigenen Präventionskampagnen am Jugendschutz beteiligen (
LT, 26.10.00;
NLZ, 30.10.00;
WoZ, 2.11.00). Zu den „Zwillingsinitiativen“ siehe
SPJ 1993, S. 211 f.63
[64]
AB NR, 2000, S. 1598.64
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