Année politique Suisse 2000 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche / Grundschulen
Unter dem Stichwort „Schulmisere“ wurde im Berichtsjahr nach den Gründen für den grassierenden
Lehrermangel gefragt. Dabei drehte sich die Diskussion insbesondere um die wachsende Belastung und Überforderung der Lehrkräfte, um die Abschiebung der Verantwortung weg von den Eltern an die Lehrerinnen und Lehrer, um den wenig motivierenden Spardruck sowie um die schlechten Berufsaussichten der Lehrerschaft. An den Volksschulen waren vor allem Realschulen und Kleinklassen – bei den weiterführenden Schulen die Fächer Mathematik, Physik und Wirtschaftswissenschaften vom Mangel an Lehrkräften betroffen. Laut einer Umfrage des Verbandes „Lehrerinnen und Lehrer Schweiz“ (LCH) bei den Kantonen bezeichneten 13 der 14 Befragten die Lage als angespannt. Wegen Engpässen würden ausländische Lehrkräfte angestellt oder Umteilungen zwischen den Stufen vorgenommen
[15]. Sowohl in Zürich als auch in Bern kam es zu
Proteststreiks der Volksschullehrerschaft gegen die kantonalen Lohnpolitiken, schwierige Arbeitsbedingungen und die Einführung zusätzlicher Pflichtstunden. Dabei sollten die Aktionen weniger auf einzelne politische Massnahmen als vielmehr auf lang anhaltende Missstände hinweisen – so zum Beispiel auf die Tatsache, dass immer mehr Lehrkräfte immer häufiger unter einem
Burn-out leideten. Erstmalig war eine Protestaktion von über 2000 Eltern und Schulkindern, die in Bern gegen die Sparmassnahmen des Kantons im Bildungsbereich demonstrierten. In einer Petition mit 13 000 Unterschriften forderten sie ein Rückgängigmachen des bereits erfolgten Abbaus von Lektionen und einen Verzicht auf weitere Sparmassnahmen
[16].
Ende Jahr präsentierte die Zürcher Bildungsdirektion die Resultate einer in ihrem Auftrag durchgeführten Erhebung der
Lehrerarbeitszeiten. Die Studie, in deren Rahmen sämtliche 18 000 Zürcher Lehrkräfte befragt worden waren, zeigte, dass Lehrerinnen und Lehrer auf praktisch allen Schulstufen im Durchschnitt mehr als 42 Wochenstunden arbeiten. Von der Primarschulunterstufe bis zur Mittelschule variierte die Arbeitsbelastung kaum, wobei aber starke individuelle Unterschiede zu verzeichnen waren. Der Durchschnitt bei Lehrkräften an den Sekundarschulen beispielsweise lag bei knapp 47 Stunden pro Woche. Die Berufsverbände sahen sich in ihren Forderungen nach einer Entlastung der Lehrerinnen und Lehrer bestätigt. Die Bildungsdirektion kommentierte die Ergebnisse jedoch zurückhaltend und betonte die Wichtigkeit differenzierter Massnahmen statt einer generellen Anpassung der Pflichtstunden
[17].
Anfangs des Berichtsjahres stellte der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD)
zehn Thesen zur Lehrerbildung auf. Trotz der laufenden Reformbemühungen und der Arbeit der Kantone am Aufbau von Pädagogischen Hochschulen sei der föderalistisch und katholisch-kirchlich motivierte Widerstand gegen eine Zentralisierung der Lehrerbildung insbesondere in der Innerschweiz noch stark. Der VPOD plädierte nicht nur für die Abschaffung des Bildungsföderalismus, sondern auch für eine Einbindung aller Lehrkräfte – inklusive Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern – in eine Ausbildung mit gesamtschweizerischen Qualitätsstandards auf Universitätsniveau. Diese Ausbildung sei mehrsprachig und interkulturell zu gestalten und müsse Forschung sowie Weiterbildungsmöglichkeiten mit einschliessen, damit der Berufsabschluss auch Perspektiven eröffne
[18].
Grosse Bedeutung wurde den Ergebnissen einer breit angelegten Untersuchung zur Lehrerbildung in der Schweiz zugewiesen, gerade weil das Thema in Europa noch kaum Objekt empirischer Forschungen darstellte. Die Studie „Die
Wirksamkeit der Lehrerbildungssysteme
in der Schweiz“ war im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 33 „Die Wirksamkeit unserer Bildungssysteme“ erstellt worden und umfasste die Befragung von über 3000 Personen – Studierende, Lehrkräfte aller Stufen, Ausbildner und Schulexpertinnen – während der Neunziger Jahre in der Deutschschweiz. Die beunruhigenden Resultate der Studie zeigten eine sehr schlechte Vorbereitung der angehenden Lehrkräfte auf Alltagsprobleme wie Burn-out oder Stressverarbeitung und Konfliktbewältigung. Wenn sich die Studierenden zwar recht zufrieden mit der Ausbildung zeigten, fühlten sie sich tendenziell unterfordert und mit theoretischem Wissen von geringem Nutzen für den Berufsalltag konfrontiert. Die befragten Expertinnen und Experten der Lehrerbildung – Erziehungsdirektorinnen und -direktoren, Leiterinnen und Leiter von Ausbildungsinstituten, Erziehungswissenschaftler, Mitglieder der EDK-Kommissionen und Leitende wichtiger Berufsverbände – plädierten in ihren Empfehlungen für eine strengere Selektion bei der Ausbildung, für Evaluationen der Ausbildungsstätten aufgrund einheitlicher Standards, für den Einsatz neuer Medien und für wirtschaftliches Denken im Sinne eines ökonomischen Umgangs mit und einer effizienten Nutzung von Zeit
[19].
Die EDK stellte ein Inkrafttreten des
Konkordats über die Pädagogische Hochschule Zentralschweiz (
PHZ) ab 1.1.2002 in Aussicht. Die Führungsverantwortung für die Teilschulen in Luzern, Schwyz und Zug wurde den Bildungsdirektoren der Konkordatskantone übertragen. An allen drei Standorten sind Ausbildungen für Kindergarten und Primarschule – in Luzern zudem eine Ausbildung für die Sekundarstufe I und für Schulische Heilpädagogik – vorgesehen. Die Kantonsparlamente wurden angehalten, im Laufe des Jahres 2001 über einen Beitritt zum Konkordat zu befinden. Der Zuger Regierungsrat beschloss, den Zuger Ableger der PHZ im Seminar St. Michael in Zug und das Kurzzeitgymnasium unter kantonaler Trägerschaft im Seminar Bernarda in Menzingen zu realisieren
[20].
Im Juni stellten die Bildungsdirektorin des Kantons Jura und ihre beiden Amtskollegen aus Bern und Neuenburg das Projekt für eine gemeinsame
Pädagogische Hochschule (
HEP-BEJUNE) vor, die ab August 2001 die Lehrerausbildung für alle drei Kantone mit Zweigstellen in La Chaux-de-Fonds, Porrentruy und Biel gewährleisten soll
[21].
Mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung bekräftigten die Erziehungsdirektorin des Kantons Solothurn und ihr Aargauischer Amtskollege das Ziel, die seit Jahren bestehende
Kooperation zwischen Solothurn und Aargau im Bereich der Lehrerbildung auf die Entwicklung der neuen Fachhochschulstudiengänge, auf den gemeinsamen Einsatz von Lehrenden sowie auf die Planung und Realisierung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten auszudehnen
[22].
Das basellandschaftliche Lehrerseminar stellte ein Pilotprojekt für einen neuen Primarlehrer-Ausbildungsgang vor. Unter dem Titel
„Flexible Ausbildung von Lehrkräften für die Primarschule“ wurde ab Sommer 2001 ein Lehrgang in Aussicht gestellt, der einerseits die Präsenzzeit am Seminar auf zwei Tage pro Woche reduziert, andererseits die Ausbildung via Internet und in strukturierten Lerngruppen ausbaut. Das unter dem Patronat der EDK stehende Projekt richtete sich auch an Personen, die nicht in Baselland wohnen. Es sollte drei oder allenfalls vier Jahre mit einem anschliessenden Semester zur berufsbegleitenden Einführung dauern und strebte einen hohen Grad an Flexibilität und Selbstbestimmung der Primarlehrerinnen und -lehrer an
[23].
Mit seinen Urteilen zu Fällen in drei Kantonen stützte das Bundesgericht den Grundsatz, dass die tieferen
Löhne der Kindergärtnerinnen gegenüber den Löhnen der Primarlehrer nicht diskriminierend seien, solange nicht zu grosse Differenzen entstünden. Das Bundesgericht wies entsprechende Beschwerden der Kindergärtnerinnen in den Kantonen Schwyz und Thurgau ab. Abgewiesen wurde zudem die Beschwerde der Zürcher Kindergärtnerinnen gegen einen Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts, in welchem eine Lohndifferenz von 18 Prozent aufgrund der unterschiedlichen Arbeitspensen und der unterschiedlichen Wertigkeit der Arbeit als zulässig befunden worden war. Die Lausanner Richter machten Unterschiede bei den Arbeitspensen, die längere Ausbildungszeit und die breitere Berufsausbildung der Primarlehrer geltend, welche nichts mit geschlechtsdiskriminierenden Bewertungs- und Vergleichskriterien zu tun hätten
[24].
[15] Presse vom 5.5. und 30.8.00;
TA, 11.5.00;
SGT, 13.5.00;
Ww, 22.6.00;
AZ, 23.11.00.15
[16] Presse 9.6.00;
Ww, 28.9.00;
Bund, 13.11.00.16
[17]
NZZ, 2.11.00;
Bund, 3.11.00.17
[19]
TA, 10.8.00;
NZZ, 29.7., 11.8. und 19.9.00.19
[20] Presse vom 3.11.00;
NLZ, 22.12.00.20
[21] Presse vom 6.6.00.21
[22] Presse vom 4.11.00.22
[24]
TA, 4.1.00;
BaZ, 5.1.00.24
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